VHS Düsseldorf Schreiben ohne Grenzen

Düsseldorf · Wie ausländische Autoren im „Writers’ Room“ der Volkshochschule den Umgang mit der deutschen Sprache lernen.

 Karina aus Peru und Albaraa aus Syrien wollen ihr Sprachtalent auch in Deutschland optimal einsetzen.

Karina aus Peru und Albaraa aus Syrien wollen ihr Sprachtalent auch in Deutschland optimal einsetzen.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Raum 6 in der zweiten Etage der Volkshochschule ist schmal, die Tische stehen in einer langen U-Form, blau bezogene Stühle davor. Die Peruanerin Karina Rodriguez ist schon da und unterhält sich mit Maren Jungclaus, der Leiterin des Kurses. Sie sprechen über Projekte, die für das neue Semester geplant sind – und über ein Buch, das nachgedruckt wurde. Darin wurden Texte der Kursteilnehmer zu 70 Jahren Deutsches Grundgesetz veröffentlicht.

Wenn man in ein neues Land kommt, ist es oft nicht leicht, die fremde Sprache zu lernen. Wenn die Sprache noch dazu das Werkzeug ist, mit dem man sein Leben finanziert, ist es noch schwieriger. Die Teilnehmer des Writers’ Rooms haben genau dieses Problem – und treffen sich, um es gemeinsam zu lösen.

Inzwischen sind Lucio aus Italien, Yasemin Doganbey aus der Türkei und Albaraa Alsaadi aus Syrien eingetroffen. Alle begrüßen sich herzlich. „Karina und ich haben den Kursus zusammen angefangen“, sagt Alsaadi. „Wir haben immer Spaß, wir sind wie eine Familie geworden.“ Der 28-jährige Syrer lebt seit vier Jahren in Deutschland. Er arbeitet als Architekt und schreibt nebenher über die deutsche Bürokratie, über gesellschaftliche Themen wie Nationalismus und Rechtsextremismus. Er wolle damit Geflüchteten helfen, die in einer ähnlichen Situation sind wie er selbst.

Heute bleiben 13 Stühle leer, in der ersten Stunde sind noch nicht alle da. „Die kommen noch, manchmal sind wir 20 Leute“, sagt Maren Jungclaus. Sie arbeitet für das Literaturbüro NRW, wo sie zuständig ist für internationale und spartenübergreifende Projekte. Zusammen mit der BBBank, die das Projekt fördert, und einigen Studierenden der Heinrich-Heine-Universität hat sie Anfang 2018 den Writers’ Room ins Leben gerufen. „Der Kursus richtet sich vor allem an nach Deutschland gekommene Autoren, Journalisten und Blogger“, sagt Jungclaus. Das Programm des Kurses umfasst das Lesen, Schreiben und Überarbeiten von gemeinsam besprochenen Texten. Zu manchen Sitzungen kommen Experten aus verschiedenen Bereichen, aus dem Journalismus oder der Literatur.

„Wir fangen einfach mal an“, sagt Jungclaus und teilt ein paar Blätter aus. Sie stellt das neue Thema vor, mit dem sich die Teilnehmer bis zum Sommer beschäftigen sollen. Es wird um Landkarten gehen, da­rum, dass sie immer nur einen Blickwinkel darstellen von demjenigen, der die Karte gemacht hat. Die Teilnehmer sollen ihre eigene Karte von Düsseldorf erstellen und dazu Texte schreiben, in denen sie ihren Blick auf die Landeshauptstadt beschreiben. Die vier Teilnehmer lesen der Reihe nach laut vor. Sie verstehen den ausgeteilten Text auf Anhieb, nur das Wort „wuchern“ kennen sie nicht. „Unkontrolliert wachsen“, sagt Jungclaus. Grammatische Unklarheiten oder Verständnisfragen klärt sie, sagt aber: „Ein gewisses Sprachniveau muss da sein, um am Kurs teilnehmen zu können.“ Dann reden die Teilnehmer über journalistisches Schreiben. Rodriguez staunt als Soziologin und Modedesignerin über das schnelllebige Tagesgeschäft, Lucio und Doganbey kennen sich damit aus. Beide haben Kommunikationswissenschaften studiert. Doganbey war zehn Jahre lang Journalistin in der Türkei. Vor drei Jahren ist sie nach Deutschland gekommen. „Ich habe die Türkei wegen der antidemokratischen Entwicklungen verlassen“, sagt sie. „Viele meiner Kollegen sind unschuldig im Gefängnis.“ Sie hat sich für das Buch, das im letzten Semester entstanden ist, mit Artikel 5 des Grundgesetzes beschäftigt. Mit dem Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern.

Der Kurs unter der Leitung von Maren Jungclaus ist nicht nur eine Wortschmiede, in der literarische und journalistische Texte entstehen. Es geht zu einem großen Teil um gesellschaftliche, politische und kulturelle Themen. Eben ums Schreiben ohne Grenzen.

Kurz vor Ende der 90-minütigen Sitzung soll auch der letzte Absatz des Textes über Kartografierung noch laut gelesen werden. Die vier Teilnehmer beenden ihre Diskussionen und konzentrieren sich. Sie stolpern über „Leuchtstoffröhren“. „Ein schwieriges, zusammengesetztes deutsches Wort“, sagt Jungclaus.

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