Serie "So wohnt Düsseldorf" Wohnung fast ohne Geld eingerichtet

Düsseldorf · Ihre Möbel stammen aus Haushaltsauflösungen, vom Sperrmüll und aus den Kellern ihrer Freunde: Eine Düsseldorferin startete ein Experiment, heute hat Birgit Stenger eine "Glücks-Oase."

 Von Freundschaft eingerahmt wird Birgit Stenger in ihrer Küche. Viele Menschen haben dazu beigetragen, dass ihre Wohnung zur "Glücks-Oase" wurde.

Von Freundschaft eingerahmt wird Birgit Stenger in ihrer Küche. Viele Menschen haben dazu beigetragen, dass ihre Wohnung zur "Glücks-Oase" wurde.

Foto: Bretz Andreas

Am Anfang waren viele Fragezeichen. Würde es gelingen, praktisch ohne Geld eine Wohnung einzurichten? Wie sollte man so etwas überhaupt anstellen? Und käme da nicht nur ein Haufen Schrott zusammen? Birgit Stenger sitzt in ihrer gemütlichen Küche und gießt Tee in zwei Rosentassen ("standen in einer Givebox"), öffnet den Kühlschrank ("ein Geschenk von Freunden"), zieht den leuchtend roten Vorhang zurück ("ersteigert für einen Euro im Internet") und schaut kurz in einen Spiegel ("im Sperrmüll gefunden"). Ihr Fazit: Experiment geglückt!

Regelmäßig las Birgit Stenger die Serie der Rheinischen Post "So wohnt Düsseldorf", dann schrieb sie, dass sie eine Wohnung ohne Architekten, Innenausstatter und Designermöbel eingerichtet hätte - für fast kein Geld. "Sind Sie trotzdem interessiert?" Und ob.

 Lieblingsfarbe Rot: Das Bett hat Birgit Stenger für 20 Euro ersteigert.

Lieblingsfarbe Rot: Das Bett hat Birgit Stenger für 20 Euro ersteigert.

Foto: Bretz Andreas

Die Vorgeschichte: Im Juni 2014 brauchte die Düsseldorfer Sportökonomin, die Gesundheits- und Präventionskurse anbietet, dringend eine neue Bleibe, nachdem ihre alte Wohnung durch einen Wasserschaden unzumutbar für sie geworden war. Sie schickte eine Mail an 20 Freunde: "Ich suche eine Wohnung."

Tatsächlich kam ein konkreter Hinweis: knapp 60 Quadratmeter an der Mettmanner Straße in Flingern, einer ziemlich lauten Durchgangsstraße, ("nicht gerade eine Top-Gegend"), aber zentral gelegen und bezahlbar: zwei Räume, Bad, eine große Küche mit Balkon und Grünblick. Die Einrichtung hätte Birgit Stenger übernehmen können, "aber alle Möbel waren schwarz, dazu orangefarbene Wände, schrecklich." Außerdem war der Vormieter starker Raucher und hatte seinen Nikotin-Mief hinterlassen. Also lautete ihre Bedingung: alle Möbel rauswerfen, alle Wände weiß streichen.

 Auf die Spitze gestellt: Fast alle Bilder in der Wohnung sind selbst gemacht.

Auf die Spitze gestellt: Fast alle Bilder in der Wohnung sind selbst gemacht.

Foto: Bretz Andreas

Und dann startete sie einen zweiten Aufruf an den Freundeskreis: "Mir fehlen noch Großmöbel, Kleinmöbel, Lampen, Kissen, Bilder, vielleicht steht bei euch so was ungenutzt im Keller." Das Ergebnis war ermutigend: Einer hatte eine Waschmaschine, nachdem er die Wohnung seiner toten Oma aufgelöst hatte, ein anderer fand einen intakten Staubsauger im Keller. Ein Kronleuchter stammt ebenfalls aus einer Wohnungsauflösung, eine Freundin kam mit einem Arm voller Kissen. Die meisten ihrer Teppiche hat Birgit Stenger für einen Euro im Internet ersteigert, die Sofas fand sie in der Rubrik "zu verschenken", Stehlampen und Geschirr sind vom Sperrmüll. "Man glaubt ja nicht, was die Leute alles wegwerfen", sagt sie.

Innerhalb von zwei Monaten hatte sie einen kompletten Hausstand zusammen - auch die Blumentöpfe auf dem Balkon, Kannen, Vasen, sogar Leinwände und Farben. Damit treibt sie es nun bunt, überall in der Wohnung hängen ihre selbst gemalten Bilder in Lieblingsfarben - der kompletten Rot-Skala bis zum satten Lila - und harmonieren mit Vorhängen, Teppichen und der üppigen Kissenparade auf einer marokkanischen Matratze, auch so geht Sofa. Nur einen Fernseher sucht man in ihrer Wohnung vergeblich. "Und auf Facebook bin ich auch nicht."

 Ein Wohnzimmer (fast) zum Nulltarif: Die Teppiche haben je einen Euro gekostet, die beiden großen Sitzsäcke, zum Sofa umfunktioniert, waren ein Geschenk.

Ein Wohnzimmer (fast) zum Nulltarif: Die Teppiche haben je einen Euro gekostet, die beiden großen Sitzsäcke, zum Sofa umfunktioniert, waren ein Geschenk.

Foto: Bretz Andreas

Stattdessen hängt die große Freundesschar, die mitgeholfen hat, nun gerahmt in der Küche. Alle, die dazu beigetragen haben, dass diese knapp 60 Quadratmeter das geworden sind, was die Bewohnerin ihre "Glücks-Oase" nennt. Erst recht im Sommer, wenn sie den (geschenkten) Frühstückstisch auf dem Balkon deckt oder in ihrer Hängematte in ihren vegetarischen Kochbüchern (aus der Givebox) blättert. Nur zwei Dinge seien unverzichtbar, um auf diese spezielle Weise, eine Wohnung einzurichten: ein Auto und reichlich Muskelkraft, "denn das alles muss man schleppen."

Zum Schluss hatte die "Möbelretterin" viel zu viel für ihre Wohnung angesammelt. Und konnte damit den Nachbarschaftstreff "Café du Kräh" an der Krahestraße bestücken. Nun hat Birgit Stenger wieder mehr Zeit für andere Projekte, ob sie nun am Spendenlauf fürs Tierheim teilnimmt oder am jährlichen Dreckwegtag. "Das ist unsere Stadt, für die sollten wir Verantwortung übernehmen." Außerdem sammelt sie unverdrossen weiter: gebrauchte Badesachen für Grundschüler und Kinderbücher, die sie zwei Schulen in Flingern spendet - zum Aufbau einer Bücherei.

(RP)
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