Serie Wohnen mit Farben (3) Als die Wände farbig wurden

Der Trend, unsere Räume farbig zu gestalten, ist noch nicht allzu alt. Es begann mit Tapeten, später kam der Anstrich.

 Kunden legen heute vor allem darauf Wert, dass die Farb-Harmonie zu Hause stimmt.

Kunden legen heute vor allem darauf Wert, dass die Farb-Harmonie zu Hause stimmt.

Foto: Getty Images/nicolamargaret

Solche Kindheitserinnerungen dürften die meisten Menschen über 50 noch haben: Daheim, in den eigenen vier Wänden, bei den Eltern, den Großeltern oder anderen Verwandten ging es – jedenfalls nach heutigen Maßstäben – eher trist zu. Was man damals nicht so empfand, denn es war ja überall gleich und man hatte andere Sorgen. An den Wänden Tapeten mit dezenten Mustern – Streifen, ein paar Blumen oder abstrakte Ornamente. Rot, Grün, Blau, Gelb? Keine Spur von wirklich bunten Elementen.  Nach und nach  kam dann die berühmte Rauhfaser hinzu – eine Tapete, die man anstreichen konnte, sogar mehrmals hintereinander. Das war praktisch und viel einfacher als neu zu tapezieren. Meist war sie am Ende weiß. Wer sie mit ein bisschen brauner Farbe tönte („Eierschale!) war damals fast schon Revoluzzer.

Aber wie, und vor allem: Wann kam die Farbe zu uns nach Haus? Und wieso war es plötzlich schick, daheim festzustellen „Alles so schön bunt hier!“ ?

Am Ende der Wirtschaftswunderzeiten begann diese Entwicklung, als der Nierentisch und die Tütenlampe der Gipfel coolen Designs waren, wurden die Muster mutiger und farbenprächtiger. Aber es ging eher zurückhaltend voran.  Wirklich schrill wurde es Mitte der 1960er Jahre – Schockfarben waren angesagt, und die Menschen mochten es, wenn die Dinge schrill koloriert waren. Hemden, Socken, Krawatten – alles mit Signalwirkung. Das blieb nicht ohne Folgen für die heimischen vier Wände. Fotos und Filme aus jenen Zeiten lassen uns heute erschauern: Plötzlich gibt es Farbmuster an den Wänden, die Möbel werden bunter, rote, grüne oder gelbe Plastikstühle und Sessel oder Lampen prägen die Räume. Klare Botschaft: Die Farbe hat Einzug gehalten in unseren Wohnungen. Allerdings kamen dabei auch Kombinationen heraus, von denen wir uns heute eher irritiert zeigen. Stefan Kesseler (55), Experte des Düsseldorfer Fachhandels Sonnen Herzog, erinnert sich noch gut: Flaschengrün im Treppenhaus ohne Tageslicht, braune Kacheln im Bad, braune Ornamente auf der Tapete – im Laufe seines Berufslebens hat er viel gesehen. Woher diese Inspiration kam? Kesseler: „Sicher hat die Hippie-Kultur einen Einfluss gehabt auf diese neue Stilrichtung.“  Dann, so der Fachmann, wurde es wieder dezenter – Cremetöne, Grau und Beige waren gewünscht.

Die letzten Jahre hat sich das geändert. Ganz Wohnungen werden in kräftigen, aber naturnahen Farben gestrichen – und man findet es schick. Ein neuer Trend ist aber bereits absehbar, sagt Kesseler:  „Shabby Chic, Betonoptik sind derzeit angesagt.“ Alexandra Döpke (47), Leiterin visuelles Marketing beim Möbelhaus Schaffrath, bestätigt das: „Betonoptik ist jetzt beim Endverbraucher angekommen. Es gibt sie auch als Tapete oder als Bodenbelag.“ Der Kunde lege aber vor allem Wert auf Harmonie bei der Farbe seines Heimes, eher dunkle, natürliche Farben seien beliebt, man bewege sich  gern in gut abgestimmten Farbkreisen mit hohem Wohlfühlfaktor.  So oder so – das Spiel mit der Farbe ist allgegenwärtig. Für das Deutsche Lack-Institut in Frankfurt am Main kein Wunder: „Lacke und Farben sind allgegenwärtig. Kaum ein handwerklich oder industriell gefertigter Gegenstand, der nicht zur Zierde und zum Schutz mit Lack überzogen würde“, sagt einer seiner Fachleute. Für die Menschen ist die Farbe in Büros, Häusern oder Wohnungen von Bedeutung, denn wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Menschen durchschnittlich zu 80 bis 90 Prozent des  Tages in Innenräumen aufhalten.

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