Serie „So wohnt Düsseldorf“ Ein Loft mit Fünf-Sterne-Blick
Bei Jutta Wölke im Industriegebiet in Düsseldorf-Heerdt treffen Art Deco, zeitgenössische Kunst und Fundstücke aus Afrika aufeinander.

Ein Loft mit Fünf-Sterne-Ausblick
Früher wohnte Jutta Wölke am Kaiser-Wilhelm-Ring in Oberkassel: 1-A-Lage, Rheinblick. „Aber da hab‘ ich eigentlich immer nur Leute mit ihren Hunden gesehen.“ Vor zehn Jahren entschied sie sich zu einem radikalen Bruch: Umzug ins Industriegebiet nach Heerdt. Wo tonnenschwere Laster über die Straße donnern, wo es nach Arbeit riecht. Hunde werden dort eher selten Gassi geführt. In einer ehemaligen Keramikbrennerei fand sie ein Loft mit Räumen wie für sie geschaffen. Und dazu dieser Fünf-Sterne-Blick über die Stadt bis zum Rheinturm. Klinkt nach dem totalen Glücksgriff.
Die Wiesenstraße fängt mit Aldi an, ein paar Meter weiter gibt‘s im „Futterhaus“ das komplette Sortiment fürs Haustier, dann folgt ein Mix aus Großhandel für italienische Lebensmittel, dem Haus der Steine, das Granit und Schiefer im Angebot hat, dazwischen das Deutsche Medizin-Rechenzentrum und eine Grillschule. Das muss man mögen. Aber Jutta Wölke hat ihr Zuhause nicht nach der Nachbarschaft ausgesucht. Eher nach dem Originalitäts-Faktor, es kommt schließlich auf die inneren Werte an.
Keramik wird in dem fünf Stockwerke hohen, alten Ziegelbau schon lange nicht mehr gebrannt. Die Fabrik schloss die Werkstore, Künstler folgten, sie verlegten Fußböden, strichen Wände, richteten Ateliers ein – gegen eine symbolische Miete. „Bis eine Berliner Bank das Gebäude kaufte, die Miete auf fünf Euro erhöhte, was sich die meisten Künstler nicht mehr leisten konnten“, erinnert sich Jutta Wölke. Das war genau zu dem Zeitpunkt, als sie ihr Leben noch mal umkrempeln wollte, durch Zufall erfuhr sie von einem gerade frei gewordenen Loft – und griff zu. Vom Luxus zum improvisierten Industrie-Charme, statt Gediegenheit nun Patina: Kontrastprogramm.
Gefundenes, Gesammeltes, Exotisches
Wie sich das anfühlt, ist schon im Fahrstuhl spürbar, der früher Lasten transportierte. Er ist geeignet für eine komplette Großfamilie, seine eiserne Tür hat längst dekorativ Rost angesetzt. Das Ungetüm rumpelt in den vierten Stock, (man ist gut beraten, während der Fahrt die etwas merkwürdigen Geräusche zu ignorieren) von dort aus geht‘s zu Fuß noch eine Treppe höher – ins Reich von Jutta Wölke: knapp 90 Quadratmeter mit hohen Wänden, Fernblick und einer interessanten Dachluke, die sich per Seil zum Lüften öffnen lässt. Der große Wohnraum ist von einer wilden Mischung geprägt, der zeitlosen Formensprache des Art Deco, ergänzt – damit es bloß nicht zu durchkomponiert wirkt und weil es den Vorlieben der Bewohnerin entspricht - durch eine Vielfalt zeitgenössischer Kunst und Skulpturen aus Afrika und Asien. Gefundenes, Gesammeltes.
Mittendrin sitzt die Schöpferin dieses entspannten Sammelsuriums: Blondes Haar, nackte Füße, weißes Leinenkleid, undefinierbares Alter. „Ich trage immer Weiß“, lautet ihr Bekenntnis. Nie Schwarz. Dunkle Farben passen einfach nicht zu ihrem Lebensgefühl, deshalb hat sie auch nicht die typischen Möbel der 1920-er Jahre mit Chrom und schwarzem Holz gesammelt. Ihr kommen nur helle Farben in die Wohnung, vorzugsweise Vogelaugenahorn (heißt tatsächlich so), eine helle Maserung, die perfekt mit beigem Leder harmoniert. Aus diesem typischen Art-Deco-Holz sind auch der große Esstisch, ein Barschrank, der beinahe überquillt vor Gläsern und alten Karaffen, Anrichten und ihr Lieblingssessel, ein Prachtstück für Lesestunden.
Über einem großen Sofa hängt eine übermalte Fotografie, die Manhattan 1937 zeigt, als die ersten Hochhäuser längst gen Himmel strebten. Auf einem Sofa-Gegenstück verströmt eine Kissensammlung aus Zebra- und Springbockfellen echtes Safari-Feeling. Das Zebrafell auf dem Boden haben ihr Freunde zum Geburtstag geschenkt. Wenn sich die Augen langsam an die Herausforderungen dieses Raums gewöhnt haben, nehmen sie auch eine offene Küche wahr, in der zahlreiche Reisen nach Marokko Spuren hinterlassen haben – mit einer Sammlung schlichter, heller Keramikgefäße einschließlich einer Tajine, dem traditionellen Schmortopf mit spitzem Deckel.
Über eine Hühnerleiter geht‘s hinauf auf eine kleine Empore mit einem zwei Meter breiten Bett (und Zebrafell als Tagesdecke), von hier aus hat Jutta Wölke einen hervorragenden Überblick über ihr Loft. Spätestens dann ist sie sicher: Gegen den Luxus von früher würde sie nicht mehr tauschen wollen.