Serie Düsseldorf Wächst Wohnen der Zukunft: Luxus oder Natur?

Düsseldorf · Düsseldorf wächst und nähert sich der Marke von 600.000 Einwohnern: Annette Klotz vom Ökotop Heerdt und Peter Jung vom Projekt "Papillon" debattieren im Gespräch mit unserer Redaktion über ihre Version von lebenswertem Düsseldorf und bezahlbare Wohnungen in der Landeshauptstadt.

 Peter Jung und Annette Klotz trafen sich zum ersten Mal, obwohl sie sich im gleichen Stadtteil für außergewöhnliche Wohnprojekte einsetzen.

Peter Jung und Annette Klotz trafen sich zum ersten Mal, obwohl sie sich im gleichen Stadtteil für außergewöhnliche Wohnprojekte einsetzen.

Foto: Andreas Bretz

Sie haben beide ein ungewöhnliches Wohnprojekt mitinitiiert. Frau Klotz ist Mitbegründerin des Ökotop in Heerdt, Herr Jung plant zusammen mit dem Bankkaufmann Andreas Bahners den Heerdter Bunker zu einem modernen Wohnhaus umzubauen. Sie kommen aus dem gleichen Stadtteil, kennen Sie sich eigentlich?

 Das Ökotop Heerdt ist eine autofreie Siedlung mit Energiesparhäusern und Grünanlagen. Hinzu kommt noch eine Kita.

Das Ökotop Heerdt ist eine autofreie Siedlung mit Energiesparhäusern und Grünanlagen. Hinzu kommt noch eine Kita.

Foto: 741 Projektentwicklung

jung Nein, aber ich finde das Ökotop super — Hut ab. Auch wenn wir bei unserem Projekt "Papillon" einen ganz anderen Ansatz haben. Aber ich finde, das Ökotop sollte es in vielen Kommunen geben. Wie hat denn damals alles bei Ihnen begonnen? klotz Wir haben uns in den 80er Jahren gefragt: Wie kann man in Düsseldorf lebenswert leben, umgeben von Autobahn und Gewerbegebiet? Wir wollten eigene Energie, eigene Lebensmittel und Arbeitsplätze schaffen — ein kleines Dorf in der Stadt. Vieles konnten wir nicht umsetzen, auch weil das Gelände zu klein war. Aber wir haben es geschafft, dort, wo eigentlich Gewerbe hinkommen sollte, ein Wohngebiet anzusiedeln.

Und wie haben Sie das geschafft?

Klotz Wir haben noch mit Plakaten demonstriert, Computer und soziale Netzwerke hatten wir ja nicht. Schließlich haben wir die Politik für unsere Ideen gewonnen, die LEG hat sie damals umgesetzt. Viele Forscher haben uns dabei unterstützt und ihre Studenten eingespannt bei Studien und Klimagutachten.

Heute ist das Ökotop ein Vorzeigeprojekt. Gab es damals Leute, die die Nase rümpften?

Klotz Auf jeden Fall! Wat broke mer 'ne Ökotopp, haben die gefragt. Als wir den ersten Gartenrundring mit einen Schuttwall bauten, gab es Nachbarschaftsklagen: Die schütten Müll ab! Mit Recycling hatte man sich noch nicht auseinandergesetzt, und auch das Auge musste das erst einmal lernen.

Heute müssen manche Augen erst einmal lernen, dass Autos per Aufzug auf dem Balkon abgestellt werden können wie bei Ihrem Projekt, Herr Jung, oder?

Jung Ja. Wir haben gedacht, das Carloft-System spricht vor allen Dingen Menschen an, die besondere Fahrzeuge haben. Ich selbst habe so einen Autospleen. Das ist aber überhaupt gar nicht passiert. Unser erster Kunde hat ein schwerbehindertes Familienmitglied und schätzt die Barrierefreiheit unseres Projekts. Vielen anderen Kunden geht es um die Sicherheit — oft meiden die Frauen lieber die Tiefgarage. Andere schätzen die Bequemlichkeit nach dem Einkaufen.

Sie gehen im Ökotop natürlich mit dem Auto ganz anders um.

Klotz Wir haben ja eine autofreie Siedlung im Ökotop. Uns war es daher wichtig, dass die Stadt das in der Ausschreibung für die weitere Bebauung wieder vorgeschrieben hat, und der Bauträger das Konzept so umsetzt.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, den Bunker zum Wohnen zu nutzen?

Jung Wir sind in Heerdt aufgewachsen und wollten dem Stadtteil etwas zurückgeben, denn der Bunker war ganz Heerdt schon immer ein Dorn im Auge. Wir sind da sehr blauäugig rangegangen und wenn wir vorher gewusst hätten, wie umfangreich das Thema ist — allein die unzähligen Schallschutzgutachten — , hätten wir zweimal drüber nachgedacht.

Wer leistet sich denn das Wohnen im umgebauten Bunker?

Jung Es sind alte und junge Menschen, Heerdter, aber einige kommen auch aus München oder Berlin. Um ein Vorurteil zu widerlegen: Obwohl das Projekt so einzigartig und luxuriös ist, bewegen wir uns preislich deutlich unter vielen anderen Projekten, die derzeit entstehen. Wir haben einen durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 4117 Euro. klotz Das wundert mich jetzt. Wir haben vor 15 Jahren eine Wohnung für damals 420 000 Mark gekauft, das zahlt man heute in Euro.

Apropos Preise: Teilen Sie die häufig gehörte Kritik, dass in Düsseldorf zu viel für Besserverdienende gebaut wird und zu wenig für Geringverdiener?

Jung Es ist belegbar, dass das nicht so ist. Da passiert schon viel. klotz Nein, das sehe ich anders. Mir fehlt die Großzügigkeit und Rücksichtnahme auf Kleinverdiener. Außerdem fehlen Angebote für die mittlere Schiene zwischen Besser- und Geringverdienern, so dass auch Familien mit drei Kindern sich ein Häuschen leisten können. jung Außerhalb der Stadtgrenzen findet man die Häuser für die Hälfte des Düsseldorfer Preises.

Wenn Sie sich etwas wünschen dürften für Düsseldorf, was wäre das?

Jung Im Kölner Kreuz-Nord hat die A1 einen Deckel zum Lärmschutz bekommen. Das wäre mittelfristig auch gut für die A 52. Klotz Oder eine Lösung, wie es sie mit den gerundeten Lärmschutzwällen in den Niederlanden gibt.

Wie beurteilen Sie denn Düsseldorfs Stadtentwicklung insgesamt?

jung Ich bin ein Fan der Stadt. Den Rhein als Hauptschlagader auszubilden, finde ich extrem klasse. Düsseldorf kann sehr stolz darauf sein, dass hier so viel passiert. Auch wenn ich als Fahrradfahrer merke, dass die Wege nicht immer gut ausgebaut sind. klotz Ich bin ja nicht nur auf Öko- und Holzhäuser fixiert. Die Gehry-Bauten im Hafen finde ich klasse und von den Libeskind-Bauten im Kö-Bogen habe ich 1000 Fotos geschossen, weil ich diese Spiegelungen im Wasser so faszinierend finde. Und ich finde es gut, dass die Stadt bei den Planungen rund um das Schauspielhaus den Mut hat, zu sagen: Leute, da haben wir uns vergriffen, da überlegen wir noch mal neu. Das achte ich sehr. Jung Und in unserem nächsten Leben studieren wir Architektur und gehen in die Stadtplanung. Klotz Ach, das Gute ist, wenn man aus dem Naiven heraus etwas macht und aus dem eigenen Bedürfnis heraus handelt, dann stimmt es auch, und man hat die Motivation, es 30 Jahre lang weiterzuverfolgen.

SONJA SCHMITZ FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort