Analyse Wohin, SPD?

Düsseldorf · Mit 24,2 Prozent der Stimmen das schlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl in Düsseldorf, wohl keine Bundestagsabgeordneten mehr, die Ratsfraktion drei Sitze kleiner – die Genossen haben keinen guten Lauf.

 Michael Müller muss den Bundestag verlassen.

Michael Müller muss den Bundestag verlassen.

Foto: RP, Thomas Bußkamp

Mit 24,2 Prozent der Stimmen das schlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl in Düsseldorf, wohl keine Bundestagsabgeordneten mehr, die Ratsfraktion drei Sitze kleiner — die Genossen haben keinen guten Lauf.

Trauer, Tränen, Wut — all das gehört inzwischen dazu, wenn mal wieder SPD-Wahlparty im Düsseldorfer Rathaus ist. Der Abwärtstrend der Sozialdemokraten im Bund wie in Düsseldorf reißt nicht ab. Zum dritten Mal in Folge mussten sie in diesem Jahr Rekordtiefs bei Wahlen verdauen.

Das geht an die Substanz eines Unterbezirks, der einst mit mehr als 6000 Mitgliedern zu den größten Deutschlands zählte. Das ist aber lange her. Die Zahl der Mitglieder hat die 3000 unterschritten, nach der gestrigen Wahl wird die Düsseldorfer SPD wohl keine Bundestagsabgeordnete mehr stellen. Ob sie bei den Landtagswahlen nächsten Mai ihr derzeit einziges Landtagsmandat hält, wird inzwischen offen bezweifelt.

Grund, stolz auf sich zu sein

Das Ende einer Volkspartei, die noch vor vier Jahren allen Grund hatte, stolz auf sich zu sein. Karin Kortmann hatte damals ihren Bundestagswahlkreis im Süden der Stadt zum zweiten Mal direkt geholt, Michael Müller hatte den direkten Sieg im Norden zwar verpasst, war aber über Liste in den Bundestag eingezogen. Und beide bekamen einflussreiche Posten: Kortmann wurde Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesentwicklungsministerium, Müller Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium.

Inzwischen sind die beiden wie Feuer und Wasser, die Partei ist gespalten, die Fraktion auch. Die vergangenen zweieinhalb Jahre waren in der SPD vor allem geprägt durch Machtkämpfe — zwischen Fraktionschef Wurm und Bürgermeisterin Hock, Kortmann und Müller — und dem gleichzeitigen verzweifelten Versuch, sich gegen den spürbaren Abwärtstrend zu stemmen, der vor allem in Berlin verursacht wurde: Rente bis 67, Hartz IV, Afghanistan — vielen Linken in der Partei war die SPD kein Zuhause mehr. Das erst machte die Linkspartei auch in Düsseldorf stark.

Die Berliner Politik, der Dauer-Zoff in Düsseldorf, kein echter Neuanfang — da konnten sich die Wahlkämpfer, allen voran unermüdlich Kortmann, noch so sehr bemühen, mit Argumenten und Inhalten zu überzeugen. Da setzten die Bürger der Landeshauptstadt, die trotz Krise immer noch gut dasteht, wohl lieber auf das Bewährte, das sie seit zehn Jahren aus dem eigenen Rathaus kennen: Schwarz-Gelb.

Für die SPD jedoch gibt es nur eine Chance: einen echten Neuanfang zu wagen. Und der geht nicht, indem im Vorder- oder im Hintergrund wieder dieselben Funktionäre die Strippen ziehen und ihre persönlichen Rachefeldzüge führen. Dafür ist jedoch erst einmal Ruhe nötig. Zu schnell wurden gestern Rufe laut nach personellen Konsequenzen und Rücktritten.

Die Düsseldorfer SPD muss mit den Menschen arbeiten, die noch bereit sind, sich in ihr zu engagieren. Es sind nur noch wenige mit echtem Profil dabei. Und es ist sicherlich schwer für Kortmann, wenn der eigene Vize offen Ambitionen zeigt, sie zu beerben. Doch die SPD kann es sich schlicht nicht leisten, auf Persönlichkeiten wie sie, und sicherlich auch Müller, zu verzichten. Diese Einsicht ist der erste Schritt.

Für den zweiten lohnt sich ein Blick auf die jüngeren Mitglieder in den eigenen Reihen. Die Düsseldorfer SPD hat nämlich gutes Potenzial bei den den Jungsozialisten (Jusos). Deren Vorsitzender, Christian Fritsch, seit kurzem in dieser Position, legt nämlich Wert darauf, dass die Jusos nicht in Lagern, sondern gesamtstädtisch denken. Und: Sie wissen, wie jene Gruppe tickt, bei der die meisten Parteien Probleme haben: die 16- bis 25-Jährigen. Neues wagen, auch Junge ranlassen — das ist die einzige Chance der SPD.

(RP)
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