Lars Terlinden "Wir wollen mehr Zwischennutzung"
Düsseldorf · Viele Kreative suchen Raum - und viele Immobilien stehen leer. Der Beauftragte im Rathaus spricht darüber, warum Zwischennutzung attraktiv ist - und warum sie trotzdem oft scheitert.
Lars Terlinden soll sich im Rathaus darum kümmern, dass sich die Kreativbranche in Düsseldorf wohlfühlt. Er leitet das Kompetenzzentrum Kultur- & Kreativwirtschaft (KomKuK) bei der Wirtschaftsförderung. Eine wichtige Aufgabe: Die Abteilung soll dabei helfen, dass Kreative mehr leerstehende Gebäude vorübergehend nutzen können. Das passiert zum Beispiel seit kurzem im Erdgeschoss der Alten Kämmerei, einem Nebengebäude des Rathauses. Dort steigen jetzt Partys.
Herr Terlinden, wir sitzen in einem verstaubten Konferenzraum in einem oberen Stockwerk der Alten Kämmerei. Der Raum steht seit Jahren leer, wie immer noch ein Großteil des Gebäudes. Sehen Sie auch hier Potenzial für Zwischennutzung?
Lars Terlinden Nein, leider nicht. Wir haben das geprüft. Es wäre viel zu teuer für jeden Interessenten, diese Räume temporär wieder für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Heizung und Wasser zum Beispiel sind schon lange gekappt.
Aber im Erdgeschoss hat es doch geklappt: Die Firma 0049 Events hat dort kürzlich eine Event-Location in der alten Stadtkasse eröffnet.
Terlinden. Ja, dort ist es möglich, weil die ehemalige Kassenhalle separat betrieben werden kann. Dieser Raum ist seit Juli 2017 schon mehrfach genutzt worden. Das Asphalt-Festival hat dort veranstaltet, dann kam das Start-up-Unternehmen Holocafé. Auch das Festival Düsseldorf Photo war hier. Die Alte Kämmerei, die wegen Sanierungsbedarfs leer steht und für die gerade ein passendes Gesamtkonzept gesucht wird, ist für uns auch ein Testfall. Wir haben viel gelernt. Dazu gehört auch, dass der Aufwand für Nutzungen, die nur einige Tage dauern, sehr hoch ist.
0049 Events soll offenbar länger bleiben. Die Firma sagt, sie habe zehntausende Euro investiert. Die CDU-Ratsfraktion fühlt sich schlecht informiert. Wie sind die Konditionen?
Terlinden Ich freue mich über das Interesse und berichte gerne. Die Politik hat hierzu jedoch zuerst gefragt und es ist Brauch, dass sie auch zuerst eine Antwort erhält. Nur so viel vorab: Es ist eine befristete Nutzung, das laufende Verfahren zur Zukunft des Gesamtgebäudes bleibt davon unberührt.
Die Abteilung "KomKuK" bei der Wirtschaftsförderung, für die Sie tätig sind, soll mehr Zwischennutzung ermöglichen. Was bringt das?
Terlinden Zum Beispiel, dass ein Gebäude in so zentraler Lage nicht weiter komplett leer steht. Es gibt viel Interesse an Räumen, wir haben Anfragen von Event-Firmen, aber auch von Start-ups, Künstlern und Kreativen. Leider gibt es dabei oft falsche Erwartungen.
Was meinen Sie?
Terlinden Viele Interessenten hoffen, sie kämen durch Zwischennutzung günstiger oder schneller an einen Raum als unter normalen Bedingungen. Das stimmt leider nicht. Das Baurecht kennt keine "Zwischennutzung". Es gelten in der Regel dieselben Auflagen zum Beispiel für Brandschutz, Parkplätze oder Sanitäranlagen. Es entstehen daher immer Kosten und Aufwand, das ist vielen nicht bewusst. Für uns liegt die Herausforderung stets darin: Wir wollen befristete Nutzungen ermöglichen, bezahlen müssen sie aber die Nutzer selbst.
Wie können Sie denn helfen?
Terlinden Die Verwaltung soll Zwischennutzungen aktiv fördern. Das ist ein Auftrag der Ratsmehrheit aus SPD, Grünen und FDP. Auch Vertreter der CDU haben diesen Wunsch mehrfach geäußert. Wir treten deshalb als Ermöglicher auf, suchen aktiv nach Gebäuden, Räumen und Flächen, die Potenzial bieten. Wo etwas möglich sein könnte, versuchen wir, Eigentümer mit Betreibern oder Nutzern zusammenzubringen und beziehen weitere Ämter mit ein, wenn es um Genehmigungen geht.
Die bekanntesten Zwischennutzungs-Projekte in Düsseldorf sind das Boui Boui Bilk in einer ehemaligen Schraubenfabrik und das Postpost im ehemaligen Logistikzentrum der Post am Hauptbahnhof. Warum werden nicht auch mehr Ladenlokale genutzt - wie in anderen Städten?
Terlinden Das ist ein sehr komplexes Thema. Kurz gesagt liegt es vor allem daran, dass Zwischennutzungen in diesem Bereich für Eigentümer in Düsseldorf oft nicht attraktiv sind. Ein Leerstand lässt sich etwa steuerlich gut absetzen. Es gibt leider immer gute Gründe, warum etwas leer steht. Gleichzeitig gibt es natürlich immer den Wunsch, Leerstände zu beleben, wie zum Beispiel auf der Friedrichstraße.
Gibt es aktuell neue Objekte?
Terlinden Ja. Wir prüfen gerade eine Lagerhalle in einem Hinterhof an der Augustastraße in Pempelfort, bei der sich der Eigentümer eine Zwischennutzung vorstellen kann. Auch die Opernpassage haben wir weiter im Blick, das ist der Fußgängertunnel zwischen Grabbeplatz und Opernhaus. Dort hat kürzlich ein Akademie-Absolvent seine Werke ausgestellt.
Was bringt einem privaten Eigentümer eine Zwischennutzung?
Terlinden Sie hilft dabei, einen Verfall zu vermeiden. Es gibt weniger Vandalismus, dazu werden Leerstandsschäden etwa bei Wasserleitungen reduziert. Zwischennutzungen dienen auch dem Marketing. Das Postpost zum Beispiel trägt ja auch zum Image des Wohnquartiers bei, das dort entstehen wird.
Allerdings müssen Eigentümer befürchten, dass es Protest gibt, wenn das Ende der Zwischennutzung naht. Das zeigte sich etwa kürzlich beim Boui Boui Bilk, das auch von 0049 Events betrieben wird.
Terlinden. Ja. Deshalb waren die Diskussionen über die Bauvoranfrage für das Gelände nicht hilfreich. Es war immer klar, dass dort mal gebaut wird. Wenn Eigentümer so etwas sehen, gehen für uns Türen zu.
Zwischennutzung wäre auch für Außenbezirke interessant. Warum muss es immer die Innenstadt sein? In Garath gibt es auch Leerstand.
Terlinden Wir können uns das gut vorstellen. Die Nutzer wollen aber in der Regel viel Zulauf eines urbanen Publikums. Das ist in der Innenstadt leichter als in Randlagen.
Sie sollen im Rathaus der Ansprechpartner für die Kreativwirtschaft sein. Was fehlt ihr denn?
Terlinden Ich glaube, sie ist in der Stadt noch zu wenig sichtbar. Düsseldorf ist ja nicht nur eine Sport- oder Kulturstadt, sondern auch eine Stadt der Kreativwirtschaft. Wir haben zum Beispiel eine Werbebranche, die jährlich über fünf Milliarden Euro umsetzt. Es ist kein Zufall, dass Düsseldorf sieben Modeinstitute hat und Musiker, die Nummer-1-Alben veröffentlichen oder für einen Oscar nominiert werden. Hier ist viel los, das müssen wir stärker herausstellen. Auch, weil die verschiedenen Disziplinen untereinander wenig Kontakt haben.
Was meinen Sie?
Terlinden Düsseldorf ist eine Stadt der Käseglocken. Es gibt zu wenig Plattformen, bei denen sich die Szenen mischen, etwa Leute aus der Games-Branche mit Architekten. Wir hatten kürzlich eine schöne Veranstaltung im Sir Walter, bei der Teilnehmer vom US-amerikanischen Festival "South by Southwest" berichtet haben. Es kamen mehr als 200 Besucher quer durch alle Bereiche. Diese Mischung würde ich mir in Düsseldorf häufiger wünschen.
ARNE LIEB FÜHRTE DAS GESPRÄCH.