Neuer Verein in Düsseldorf „Wir spüren eine Aufbruchstimmung“

Die Gründer des Vereins „Lobby für Demokratie“ wollen sich gegen Rechtspopulismus einsetzen.

 Wilfried Johnen (links) und Dirk Sauerborn beim Gespräch in der RP-Redaktion

Wilfried Johnen (links) und Dirk Sauerborn beim Gespräch in der RP-Redaktion

Foto: Endermann, Andreas (end)

Heute feiert der Verein „Lobby für Demokratie“ im Landtag seine Gründung. Welche Idee steckt dahinter?

Wilfried Johnen Der Name ist in doppelter Hinsicht Programm. Der Verein soll Lobbyismus für die Demokratie basierend auf dem Grundgesetz betreiben. Er soll aber auch eine Lobby in dem Sinne sein, dass er einen Platz für die Menschen bietet, denen die verbalen Angriffe der Rechtspopulisten auf den Geist gehen, die aber bis jetzt das Gefühl haben, dass sie nichts ausrichten können.

Ist es ein Verein gegen die AfD?

Sauerborn Darauf wollen wir uns nicht reduzieren lassen. Wir denken etwa auch an den Brexit oder die Regierungen in den USA oder Italien. Wir wollen dafür kämpfen, dass die Demokratie Bestand hat. Und wir haben die Angst, dass viele ihren Wert erst spüren werden, wenn sie verschwunden ist.

Johnen Es ist nicht selbstverständlich, dass man in Deutschland ein freiheitliches Leben führen kann und das Recht hat, seine Meinung zu sagen oder dorthin zu gehen, wohin mal will. Und diese Rechte gibt es auch nicht umsonst, sondern man muss Verantwortung für sie übernehmen. Gerade Jugendlichen muss man das vermitteln.

Sauerborn Ein Schüler der 12. Jahrgangsstufe hat mir kürzlich erzählt, er habe seit der siebten Klasse keinen Politikunterricht mehr gehabt. Das finde ich erschreckend. Gerade Jugendliche sind offen dafür, mehr über demokratisches Zusammenleben zu erfahren. Sie haben nach meiner Erfahrung einen guten Sinn für Gerechtigkeit. Wir haben den Eindruck, dass es an Sachunterricht über das Grundgesetz und seine Bedeutung fehlt.

Der Verein will also Bildung fördern?

Johnen Ja, politische Bildung ist eines unserer Kernanliegen. Einer der Initiatoren ist der pensionierte Lehrer Uli Steller. Wir sind dabei, mit der Hochschule ein Konzept für Demokratie-Unterricht an Schulen zu entwickeln. Wir können uns auch vorstellen, Partner von Schulen zu werden, die sich am Netzwerk „Schule ohne Rassismus“ beteiligen.

Was haben Sie sonst noch konkret vor?

Johnen Wir wollen ein Komplettpaket für Kommunen bieten. Es geht darum, Unterstützung für Brennpunkte zu bieten, in denen Extremisten viel Zulauf haben. Die Düsseldorfer Hochschule betreibt dazu derzeit ein Pilotprojekt in Oberhausen. Wir wollen auch eine Möglichkeit für Bürger entwickeln, sich Gehör bei Politikern zu verschaffen. Zu viele haben das Gefühl, dass sie mit ihren Anliegen nicht durchdringen.

Das sind große Pläne. All diese Projekte starten aber noch nicht direkt mit der Gründung?

Johnen Nein. Es gibt noch viel zu tun. Wir haben aber zumindest schon mal angefangen. Wir sind froh, dass wir schon ein so großes Netzwerk mit mehr als 200 Mitgliedern geknüpft haben und dass sich darunter auch viele Multiplikatoren befinden. Nun werden wir schauen, wie es weitergeht. Wir spüren eine unglaubliche Aufbruchstimmung. Niemand will sich selbst darstellen, es gibt eine sehr konstruktive Atmosphäre.

Wie ist die Idee für den Verein entstanden?

Johnen Wir beide und die beiden anderen Initiatoren, Jürgen Gocht und Ulrich Steller, kennen uns von dem Projekt „Klar im Kopf“ der Jugendberufshilfe. Dabei ging es darum, Jugendliche vor Extremismus zu schützen. Das Besondere war, dass das Projekt sowohl von der Jüdischen Gemeinde als auch vom Kreis der Düsseldorfer Muslime unterstützt wurde. Wir haben im Frühjahr überlegt, was wir weiter machen können und waren uns einig, dass die Gründung eines Vereins der richtige Schritt ist.

Warum?

Johnen Wir wollen ein Mandat haben und deutlich machen, dass wir viele sind. Dass wir schon so viel Zuspruch erhalten haben, zeigt, dass es vielen anderen auch so geht.

Viele der Gründungsmitglieder gehören sozusagen zu den „üblichen Verdächtigen“, die man aus anderen Vereinen, Parteien und Initiativen in Düsseldorf kennt. Ist der Verein überhaupt offen für weitere Mitglieder?

Sauerborn Wir haben zunächst vor allem die Personen angesprochen, die wir kennen. Es dürfen aber natürlich alle eintreten, die das Anliegen unterstützen. Ein Beispiel: Wir denken an die Krankenschwester, die müde von den rassistischen Sprüchen ist, die sie am Arbeitsplatz von Kollegen hört, aber sich bis jetzt nicht zu widersprechen traut. Wir wollen solche Menschen stärken. Ein Verein verleiht Sprachmacht.

Beim Thema Rechtspopulismus richten sich die Blicke vor allem auf die Städte in der ehemaligen DDR. Geht es Düsseldorf besser?

Johnen In Düsseldorf sind sicherlich Dinge möglich, die in anderen Städten schwieriger wären. Ich denke dabei vor allem an die gute Zusammenarbeit zwischen Jüdischer Gemeinde und Muslimen. Das ist hier völlig selbstverständlich. Ich finde es auch toll, dass unsere Stadtspitze solche Projekte wie unseres unterstützt.

Sauerborn Es gibt aber auch in Düsseldorf viele Menschen, die sehr rechts denken. Es ist hier auch nicht alles gut. Wir wollen ohnehin nicht nur lokal denken: Der Verein gründet sich in Düsseldorf, aber er ist ein NRW-Bündnis: Wir haben bereits Mitglieder aus Ratingen, Essen, Köln und sogar aus dem Sauerland.

Am Montagabend kommen Sie im Landtag zur Gründungsversammlung zusammen. Was ist geplant?

Johnen Wir werden den Vorstand wählen.

Wer wird das sein?

Johnen Wir haben Ideen, aber wollen das vor der Wahl nicht sagen.

Was ist noch geplant?

Johnen Wir stellen eine erste Informationskampagne vor. Wir wollen über die sozialen Medien, aber auch Plakate für unsere Sache werben. Wir haben ein Motiv entwickelt, vor dem man Selfies machen kann, um in den sozialen Netzwerken Haltung für die Demokratie zu zeigen.

Sauerborn Das ist vielleicht unser wichtigstes Anliegen: Zu viele enthalten sich, anstatt Haltung zu zeigen. Es reicht nicht mehr, angesichts des Rechtsrucks leise den Kopf zu schütteln. Wir brauchen laute Bekenntnisse zur Demokratie.

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