Interview mit Simon Head "Wir müssen lernen, kreativ zu bleiben"

Düsseldorf · Lernen, ein Weltbürger zu sein: Wie das geht, dafür ist an der Internationalen Schule künftig ein Mann verantwortlich, der selbst überall auf dem Globus zu Hause ist. Nach sechs Jahren im Oman arbeitet der Brite Simon Head nun in Düsseldorf.

 Simon Head (48) ist Weltbürger. Deutschland ist für ihn Neuland. Die ISD will er zu einem Zentrum für Bildungsinnovation machen.

Simon Head (48) ist Weltbürger. Deutschland ist für ihn Neuland. Die ISD will er zu einem Zentrum für Bildungsinnovation machen.

Foto: Andreas Bretz

Mr. Head, Sie sind in Cardiff geboren, in Australien aufgewachsen, haben in Portugal und im Sultanat Oman auf der arabischen Halbinsel gelebt. Sind Sie ein Heimatloser?

Head Ja. In gewisser Weise schon. Manchmal beneide ich Menschen, die an einem bestimmten Ort ihre Wurzeln haben, deren Eltern und Großeltern schon dort gelebt haben, und die daraus Kraft und Identität beziehen. Auf dieses Gefühl der Wärme, das eine solche Heimat im klassischen Sinne bietet, muss ich verzichten. Dafür habe ich anders gewonnen.

Was?

Head Die Welt kennenzulernen, sie besser zu verstehen, Menschen zu treffen und Kulturen zu erleben, die mir sonst vorenthalten geblieben wären.

Vielen ihrer rund 1070 Schüler geht es ganz ähnlich. Der Ortswechsel gehört für Sie zum Alltag.

Head Das gilt nicht für alle, aber wohl doch für die Mehrheit. Viele Eltern arbeiten für weltweit agierende Unternehmen, ein Standort-Wechsel alle drei, vier Jahre ist für sie selbstverständlich.

Woher kommen Ihre Schüler?

Head Aus mehr als 50 Nationen. Rund ein Viertel stammt aus Deutschland. 14 Prozent aus den USA, zwölf Prozent aus Japan, jeweils 6,5 Prozent aus Großbritannien und den Niederlanden.

Hört sich schwer nach globalem Dorf an.

Head Ja, davon hat es etwas. Und genau dieser Reichtum macht uns froh.

Ein elitäres "gobal village" am Rande von Kaiserswerth?

Head Wir versuchen, unsere Kinder und Jugendlichen zu einer Haltung zu erziehen, die den Dienst in den Vordergrund stellt, nicht den Nutzen vermeintlicher oder tatsächlicher Privilegien.

Hand aufs Herz. Ihre Schulgebühr startet bei etwa 1000 Euro im Monat. Das klingt privilegiert.

Head Es gibt Stipendien und andere Unterstützung für talentierte Jungen und Mädchen, deren Elternhäuser das nicht aufbringen können. Damit kein Missverständnis aufkommt: Wir erwirtschaften keine Gewinne, sind nicht auf Profit oder irgendwelche Renditen hin orientiert. Das gesamte Geld fließt zu 100 Prozent in die Bildung der Schüler. Und damit meinen wir mehr als den Unterricht oder die technische Ausstattung der Klassenräume.

Was ist gute Bildung im 21. Jahrhundert?

Head Eine Begleitung der Schüler, deren oberstes Ziel Kommunikation und der Erhalt von Kreativität sind, die zudem lehrt, Verantwortung zu übernehmen, gerade auch für Schwächere.

Können Sie das genauer erklären?

Head Schauen Sie: Die Kreativität eines Kleinkindes um die sechs Jahre ist schier unerschöpflich. Doch was hat die Schule früherer Jahrzehnte daraus gemacht? - Sie hat den Heranwachsenden die Kreativität durch eine bestimmte Art von Unterricht und Pädagogik regelrecht ausgetrieben.

Und wie vermeiden Sie das?

Head Wir versuchen, neben der reinen Wissenvermittlung, Techniken zu lehren, die für den persönlichen und beruflichen Erfolg im 21. Jahrhundert noch wichtiger sind.

Welche?

Head Zu lernen, lebenslang richtig zu lernen, gut und effektiv zu kommunizieren und manche Dinge immer wieder neu zu denken, also im besten Sinne kreativ zu sein und zu bleiben.

Warum ist Ihnen das so wichtig?

Head Ganz einfach: In einer sich immer rascher verändernden Welt gelten die alten Muster nicht mehr. Früher war es doch so: Sie kamen aus einer bildungsnahen Familie, besuchten eine Universität, arbeiteten fleißig und hart. Dann bekamen sie einen Job, der ihnen - trotz möglicher Arbeitgeberwechsel - einen Lebensstandard dauerhaft auf gutem Niveau sicherte - meist sogar bis zur Rente.

Und diese Zeiten sind vorbei...

Head Für die meisten Menschen schon. Ein Hochschulabschluss garantiert erst einmal gar nichts mehr. Sie müssen kommunizieren können, am besten auch auf internationalem Parkett und sich dabei immer wieder neu erfinden. Genau darauf bereiten wir unsere Schüler vor.

Trotzdem werden viele der Absolventen, die Schulen ihres Verbandes absolviert haben, Top-Manager oder Minister.

head (lacht) Das wäre schön, wenn jeder unserer Schüler die Chance hätte, Premierminister oder Vorstandsvorsitzender, also ein "CEO", zu werden.

Ist es nicht so?

Head Natürlich nicht. Aber, was wir wollen, ist, dass Menschen mit unserem Abschluss, in ihrer jeweiligen Umgebung etwas Besonderes ausstrahlen, andere inspirieren, sie anleiten, das Beste aus sich oder ihrem Projekt zu machen.

Seit ihrer Gründung im Jahr 1968 haben rund 15 000 Schüler die International School Düsseldorf absolviert. Eine Tradition, die verpflichtet. Haben Sie Visionen, wie die ISD fit für die kommenden Jahre werden soll?

Head Der wichtigste Punkt wird die Rekrutierung guten Personals sein. Der Wettbewerb um diese guten Leute wird härter. Zurzeit gibt es weltweit etwa 350 000 Lehrer, die an Schulen unseres Typs arbeiten. Diese Zahl wird sich in wenigen Jahren verdoppeln. Unser Ziel muss es sein, weiterhin die besten Pädagogen nach Düsseldorf zu holen. Außerdem wollen wir das Lernen unter freiem Himmel intensivieren, weil die Kinder dort besser zu bestimmten Erkenntnissen kommen. Was mir persönlich am Herzen liegt, ist der Ausbau der ISD zu einem regionalen Zentrum für Bildungsforschung und -innovation. Wir könnten hier Veranstaltungen für Lehrer aus Düsseldorf und Umgebung anbieten.

Und das Engagement in der Stadt?

Head Bleibt für uns enorm wichtig. Unsere Schüler engagierten sich schon in der Armenküche der Franziskaner oder in den Senioreneinrichtungen der Diakonie. Gerade erst sammelten sie bei Sponsorenläufen Geld für soziale Zwecke.

Ihre Schule spiegelt unterschiedlichste Teile der Welt. Wie gehen Sie mit kulturellen Unterschieden um?

Head Toleranz ist das oberste Gebot. Wir nehmen andere Kulturen in ihrer Eigenheit und in ihrem Anderssein tatsächlich an. Dabei gilt eine Grenze: Niemand darf dem anderen den eigenen Lebensentwurf, die eigenen Regeln aufzwingen.

Weltweit funktioniert das nicht immer. Was haben Sie die sechs Jahre im arabischen Oman gelehrt?

Head Das eine vom Islam geprägte Gesellschaft nicht zwangsläufig intolerant oder gewalttätig sein muss. Es gab dort ein gutes Miteinander auch mit christlichen Kirchen. Ich habe dort gelernt, dass nicht die Religion des Islam als solches ein Problem ist, sondern das, was bestimmte Kulturen und Gruppen in bestimmten Regionen daraus machen.

(RP)
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