Interview: Anja Steinbeck "Wir müssen die Studienfächer überdenken"

Düsseldorf · Die neue Rektorin der Heinrich-Heine-Universität spricht über ihre Ideen, die Hochschule zukunftsfähig zu machen.

 Anja Steinbeck war Gast im Heerdter Medienhaus der Rheinischen Post.

Anja Steinbeck war Gast im Heerdter Medienhaus der Rheinischen Post.

Foto: hjba

Frau Steinbeck, wie möchten Sie angesprochen werden: mit Frau Professor oder Frau Professorin?

Steinbeck Am liebsten mit Frau Steinbeck.

Frau Steinbeck, Ihre Wahl zur Rektorin war eine Überraschung, Sie setzten sich auch gegen den amtierenden Rektor durch. Warum, meinen Sie, hat sich die Uni für Sie entschieden?

Steinbeck Vielleicht weil ich den richtigen Nerv getroffen habe und die Findungskommission davon überzeugen konnte, dass ich mit meiner Art auf Menschen zuzugehen einen guten Wind in die Universität bringe. Und wegen meiner Fachkompetenz: Ich war vier Jahre Prorektorin an der Universität zu Köln, die eine von zwei NRW-Hochschulen ist, die für ihr Zukunftskonzept als Exzellenzuniversität ausgezeichnet wurde, und habe Ideen, die man in Düsseldorf umsetzen kann.

Was sind das für Ideen?

Steinbeck Ich will in der Forschung weiter durchstarten, wie mein Vorgänger das schon sehr fokussiert getan hat und bei der letzten Exzellenzinitiative mit einem Forschungsprojekt erfolgreich war. Dafür will ich Forschungsschwerpunkte bilden. Mein Traum ist es, dass in fünf Jahren einige Forschungsfelder direkt mit Düsseldorf in Verbindung gesetzt werden.

Welche könnten das sein?

Steinbeck Nehmen wir das Thema regulierende Märkte. Hier könnten die Wirtschaftswissenschaften mit den Juristen kooperieren, weil auch das Kartellrecht dabei eine Rolle spielt. Die Forschungsschwerpunkte sollen nicht an den Fakultätsgrenzen Halt machen. In der nächsten Zeit wird es darum gehen, Möglichkeiten zu suchen, die Wissenschaftler zusammenzuführen.

Was ist der Rektor einer Hochschule: ein Außenminister, ein Netzwerker, der erste Forscher der Uni?

Steinbeck Ich sehe mich als Primus inter pares, als Moderatorin: Im Inneren möchte ich 3000 Wissenschaftler zusammenbringen, Schwerpunkte setzen, nach Außen das Gesicht der Universität sein.

Es gibt böse Zungen, die sagen, die Düsseldorfer Hochschule brauchte dringend ein besseres Image und deswegen ist eine sympathische, kommunikative Frau genau richtig.

Steinbeck Ich kann dieses negative Image, das mir seit Bekanntwerden meiner Wahl, immer wieder vorgehalten wird, nicht nachvollziehen. Es gab diese Schavan-Affäre, doch das ist nur ein Teil der 50-jährigen Geschichte der Uni. Aber ein Image kann man immer verbessern, und das werde ich tun.

Hat die Uni aus Ihrer Sicht in dem Fall Schavan einen Fehler gemacht?

Steinbeck Als Juristin muss ich dazu sagen: Ich kenne die Akten nicht. Ich habe weder die Doktorarbeit gelesen, noch den Abschlussbericht. Das einzige, was ich dazu gelesen habe, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts, und das konnte ich in jedem Schritt nachvollziehen, das war gut begründet. Ich bin im Nebenamt selbst Richterin.

Wie wollen Sie bei steigenden Studierendenzahlen und knapper Personalausstattung für gute Studienbedingungen sorgen?

Steinbeck Wir sind am Zenit des Anstiegs angekommen und haben vom Land Mittel bekommen, mit denen wir die Studienbedingungen verbessert haben.

Reichen diese Mittel?

Steinbeck Düsseldorf wird im Wissenschaftsministerium als eine der Hochschulen genannt, die die doppelten Abitur-Jahrgänge hervorragend bewältigt haben. (Lacht) Das weiß ich, weil ich als Prorektorin in Köln mitbekommen habe, wie die Düsseldorfer Universität dafür im Ministerium gelobt wurde.

Studierende klagen über Vorlesungen in containerartigen Gebäuden, die errichtet wurden, um an der Uni schnell Platz zu schaffen.

Steinbeck Es gibt auf dem Campus der Heinrich-Heine-Universität keine Container. Wir haben gut ausgestattete Gebäude, die in Schnellbauweise errichtet wurden. Anders als an anderen Studienstandorten finden an der Heine-Universität jedoch keine Lehrveranstaltungen in Kino- oder Theatersälen statt. Als ich in Mainz studierte, hatten wir Vorlesungen in einem Zelt mit 1000 Leuten, das nicht geheizt war. Und aus mir ist auch was geworden.

Ein Studierender sollte sich also durchkämpfen können?

Steinbeck Das ist eine Lebenserfahrung. Und unsere Universität tut alles, um die Studierenden dabei zu unterstützen.

Der Campus ist baufällig, Gebäude wurden geschlossen oder abgerissen, einige sind schadstoffbelastet. Wie wollen Sie die Uni zukunftsfähig machen?

Steinbeck Zunächst muss man feststellen, dass die Gebäude dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW gehören. Die Universität ist lediglich Mieterin. Und in der jüngeren Vergangenheit haben Uni und BLB bereits viel erreicht. Aber Sie haben Recht: Speziell die älteren Gebäude sind ein Problem und die Arbeiten werden über meine Amtszeit hinausgehen, also über 2020. Und das wird viel Geld kosten.

Der Sanierungsbedarf an der Heine-Uni liegt bei 850 Millionen Euro. Reichen die Mittel des Landes, um ein auf Forschung und gute Betreuung ausgelegtes Studium zu bieten?

Steinbeck Das hohe Niveau der Studierendenzahlen hält vielleicht noch zwei bis drei Jahre an. Ist es da sinnvoll, jetzt aktionistisch zu bauen? Und im NRW-Vergleich bietet die Uni Düsseldorf nachweislich gute Studienbedingungen und ein gutes Betreuungsverhältnis.

An der Hochschule Osnabrück gibt es den Vorstoß, die Studierenden mit 1000 Euro pro Semester an den Sanierungskosten zu beteiligen. Ist das auch an der Heine-Uni denkbar?

Steinbeck (lacht) 1000 Euro pro Semester? Den Vorschlag kenne ich nicht und finde ihn ungewöhnlich.

Sollten diejenigen, die später am meisten verdienen werden, die die beste Ausbildung in Deutschland bekommen, für ihre Ausbildung finanziell gar nicht belangt werden?

Steinbeck Wenn das Land die Hochschulen nicht ordnungsgemäß ausstatten kann, muss man über nachgelagerte Studienbeiträge von 500 Euro pro Semester nachdenken. Das wären für ein Bachelor- und Masterstudium 5000 Euro.

Muss eine Uni, die sich auf Stärken konzentrieren will, Studienfächer und Fachbereiche überdenken?

Steinbeck Ja, wenn Sie beschränkte Ressourcen haben und manche Bereiche stärken wollen, müssen Sie andere natürlich kürzen.

Wollen Sie einen Wettbewerb in der Hochschule schaffen?

Steinbeck Dass ich die Fakultäten gegeneinander ausspiele, wird nicht passieren. Aber wenn man begrenzte Mittel hat, muss man sich fokussieren.

Wie wollen Sie mit der immer größer werdenden Vielfalt unter den Studierenden umgehen?

Steinbeck Die Hochschule muss sich darauf einstellen. Es gibt viele Studierende, die nicht klassisch nach Abitur an die Uni kommen, die Fachabitur gemacht haben oder eine Ausbildung. Einige haben Kinder oder Familienangehörige, die sie pflegen müssen, einige Migrationshintergrund. Wir müssen jeden nach seinem Bedarf unterstützen.

Muss man auch die Form des Studiums überdenken, zum Beispiel Teilzeitstudiengänge einführen?

Steinbeck Ja, darüber wird man nachdenken müssen, ebenso über Online-Angebote in der Lehre. Die klassische Vorlesung wird es aber immer geben.

Drei der vier staatlichen Hochschulen in Düsseldorf werden von Frauen geleitet. Brauchen wir da nicht schon fast eine Männerquote?

Steinbeck (lacht) In Düsseldorf gibt es einen Überhang, aber bundesweit sieht das anders aus, liegt der Frauenanteil nur bei zehn Prozent. Aber wenn der Frauenanteil bei 60 Prozent läge, würde ich mir über die Männerquote Gedanken machen.

Viele Menschen empfinden die Universität nicht als Wesenselement der Stadt. Wie wollen Sie das ändern?

Steinbeck Meine Wahrnehmung ist eine andere. Im "Haus der Universität" am Schadowplatz hatten wir im vergangenen Jahr 600 Veranstaltungen, die auf reges Interesse gestoßen sind. Auch die 50-Jahr-Feier nächstes Jahr begehen Universität und Stadt gemeinsam. Aber vor allem wollen wir auch über Forschungsthemen wahrgenommen werden und daran werde ich arbeiten.

Wie wollen Sie die Universität mit der Wirtschaft stärker vernetzen?

Steinbeck Ein systematischer Austausch mit der IHK zu Düsseldorf und der Unternehmerschaft findet bereits statt. Darüber hinaus ist die Heine-Universität als Gründeruniversität ausgezeichnet und betreibt mit der Stadt eine Agentur, die junge Unternehmen unterstützt. Auf diesem Wege werden wir weitergehen.

Einer Ihrer wichtigsten Termine als neue Rektorin ist der Neujahrsempfang im Januar. Feilen Sie schon an Ihrer Rede?

Steinbeck (lacht) Ja, über Einleitung und Ende mache ich mir beim Joggen schon Gedanken.

Was ist Ihr Lieblingsort in Düsseldorf?

Steinbeck Ich bin gerne in Oberkassel, wo wir mit meiner Familie hinziehen werden, und im Medienhafen.

Trinken Sie Alt oder Kölsch? Und wo feiern Sie Karneval?

Steinbeck Ich trinke beides, und habe in den vergangenen Jahren immer einen Tag in Düsseldorf, zum Beispiel an der Ratinger Straße, und einen in Köln gefeiert.

MICHAEL BRÖCKER UND SEMIHA ÜNLÜ FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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