Ingo Lentz "Wir brauchen Mehrheit für eine saubere Stadt"

Düsseldorf · Der Vorsitzende des Vereins Pro Düsseldorf über den Dreck-weg-Tag.

 Ingo Lentz ist Vorsitzender des Vereins Pro Düsseldorf.

Ingo Lentz ist Vorsitzender des Vereins Pro Düsseldorf.

Foto: Andreas Bretz

Herr Lentz, gerade erst haben Sie die Goldenen Besen an engagierte Müllsammler verliehen, um auf den Dreck-weg-Tag nächstes Wochenende aufmerksam zu machen. Braucht die Aktion nach all den Jahren noch Reklame?

Ingo Lentz Natürlich haben wir unsere Stammkunden, die immer dabei sind - wie etwa die Düsseldorfer Schulen. Aber wir haben auch gemerkt, dass das Gewinnspiel, das wir im vorigen Jahr erstmals gestartet haben, durchaus zu einem Zuwachs der Teilnehmer geführt hat. Also Ja, auch eine Traditionsveranstaltung wie der Dreck-weg-Tag kann ein bisschen Werbung gut gebrauchen. Der Goldene Besen ist aber mehr als das, sondern eine Anerkennung, die sich unsere Sammler von Anfang an verdienen konnten.

Und der nicht bloß goldfarben bemalt ist, sondern - typisch Düsseldorf - auch echt vergoldet ist.

Lentz (lacht) Selbstverständlich. Aber auch als Düsseldorfer würde ich ihn zum Fegen sicher nicht benutzen.

Der Anfang der Aktion liegt nun tatsächlich mehr als zwei Jahrzehnte zurück. Wie kam es dazu?

Lentz Die Messe war 1996 bestrebt, ihr Asien-Geschäft auszubauen. Deshalb reiste eine Delegation mit dem Aufsichtsrat unter anderem nach Singapur. Und da ist allen Teilnehmern aufgefallen, wie sauber diese Stadt ist. Da hing aber auch an jedem Mülleimer eine Strafandrohung von 100 Singapur-Dollar für die Nicht-Benutzung.

Das hätte die Stadt doch einfach kopieren können.

Lentz Wenn's anders gelaufen wäre, ja. Aber so saßen wir damals eben in Singapur abends zusammen, redeten darüber und sagten uns, man müsste sich des Themas mal annehmen. Und Hans-Otto Christiansen, den wir vergangene Woche beerdigt haben, der sagte, klar, machen wir, ich kümmere mich drum, wir treffen uns in Düsseldorf noch mal.

Wer war denn alles dabei?

Lentz Die Messeleitung natürlich, die Oberbürgermeisterin Marlies Smeets, der Oberstadtdirektor, Manfred Kronen - eigentlich alles, was damals in der Stadt Rang und Namen hatte.

Und die haben dann den Dreck-Weg-Tag beschlossen?

Lentz Nein. Zuerst stand die Erkenntnis: Wir brauchen eine Bewegung, wir wollen das Thema Stadtsauberkeit, dass nun nicht gerade aufregend klingt, ins Bewusstsein der Leute holen. Und dafür haben wir in der Stadt der Werbung drei Agenturen um Ideen gebeten.

Am Ende haben Sie sich für eine Kampagne entschieden, die Ende der 90er noch als ziemlich frech empfunden wurde. Warum?

Lentz Die Kampagne von Ogilvy & Mather war nicht nur frech. Die war schon ziemlich aggressiv. Da war etwa ein Wildpinkler zu sehen, und der Text hieß "Keine große Sache - wie sein Ding", oder ein Autofahrer, der seinen Aschenbecher leert mit "Schön leer - wie sein Hirn".

Und so wollten Sie Leute begeistern?

Lentz Ganz ehrlich? Ich hatte da anfangs echte Bedenken. Aber Ogilvy hat überzeugt. Die Strategie war an eine der erfolgreichsten Kampagnen weltweit angelehnt, die amerikanische Nichtraucher-Kampagne. Zielsetzung: Nicht einfach sagen ,Das macht man nicht', sondern die Müllsünder zu ächten. Das Ganze stand unter dem Claim ,Es ist Eure Stadt' - wir wollten eine Solidarisierung erreichen.

Hat's geklappt?

Lentz Nicht sofort. Die Plakate waren sofort umstritten. Auch in den Medien. Da war von Denunziationskampagne die Rede. Und in Derendorf übermalte Künstler Manfred Spies unsere Plakate.

Und das war's dann mit der Solidarisierungsidee?

Lentz Im Gegenteil. Wir haben das als Dialog mit dem Bürger gesehen, und zu einer Diskussionsrunde eingeladen. Über 200 Leute kamen damals ins Palais Wittgenstein, denen lag das Thema Stadtsauberkeit total am Herzen. Wir hatten mit der Kampagne aus verschiedensten Richtungen einen Nerv getroffen. Aus dieser Runde kam dann die Forderung, nicht nur zu fordern und zu plakatieren, sondern was zu machen. Und so entstand die Idee zum Frühjahrsputz. Den Namen Dreck-weg-Tag haben sich dann die Werbeprofis ausgedacht.

Schade, dass der nicht geschützt wurde. Inzwischen wird er ja von etlichen Städten kopiert, da hätten Sie viel Geld verdienen können.

Lentz Dreck weg ist kein schützbarer Begriff. Sonst hätten wir uns den Namen natürlich geschützt. Aber was das Finanzielle angeht, waren wir trotzdem nicht so schlecht: Die Werbekampagne haben wir nämlich an die Stadt Berlin verkauft, und so fast alle Kosten wieder reingeholt.

Apropos: Wer hat das finanziert?

Lentz Die Stadt, die Destination Düsseldorf und Sponsoren.

Und Ihr Verein "Pro Düsseldorf"?

Lentz Ist erst danach entstanden. Wir waren zunächst eine Initiative von Leuten, hauptsächlich denen, die in Singapur dabei waren. Erst im Lauf der Zeit haben wir beschlossen, einen Verein zu gründen, schon wegen der Gemeinnützigkeit.

Der Name hat Sie dann aber bald ins Gerede gebracht.

Lentz Uns schien er sehr passend für das, was wir wollten: eine saubere, gepflegte Stadt. Dass sich bald darauf Rechtspopulisten mit dem "Pro" schmücken würden, konnten wir nicht ahnen. Und da wurden wir dann schon mal verwechselt. Aber wir haben uns sehr klar abgegrenzt. Und weil wir unseren Namen geschützt haben, konnte sich die braune Pro-Bewegung erst gar nicht mit Düsseldorf in Verbindung bringen.

1999 war der erste Dreck-weg-Tag ein richtig großes Ding.

Lentz Nicht zuletzt, weil Hans-Otto Christiansen sich da sehr reingekniet hat. Der hatte alle Schulen angeschrieben und so ziemlich jeden, den er kannte, zum Mitmachen aufgefordert. Wir wussten noch nicht, dass das was Bleibendes sein würde. Wir wollten mit dem Tag so eine Art Demonstration veranstalten.

Eine Demonstration wofür?

Lentz Für eine saubere Stadt. Für Eure Stadt, um noch mal Ogilvy &Mather zu zitieren.

Ist der Dreck-weg-Tag das heute immer noch - eine Demonstration?

Lentz Selbstverständlich. Wir brauchen eine Mehrheit für die Stadtsauberkeit. Und dafür demonstrieren wir jedes Jahr.

2001 ist der Dreck-weg-Tag sogar ins Guinness-Buch der Rekorde gekommen. Hand aufs Herz: Ist die Stadt auch sauberer geworden?

Lentz Wir haben schon eine Menge mehr bewirkt als den Teilnehmer-Rekord. Dass die Stadt im Sommer Müllpatrouillen auf die Rheinwiesen schickt, geht auf Erfahrungen beim Dreck-weg-Tag zurück, etwa die ganze Park- und Wiesenreinigung. Und unser Dreck-weg-Mobil, das auf Anruf kam, um vermüllte Ecken aufzuräumen, ist inzwischen überholt durch die App der Awista und die Stadtsauberkeits-Nummer beim Umweltamt.

Die Sie auswendig können?

Lentz 0211 892 5050. Natürlich. Ich rufe da selbst regelmäßig an. Es ist eine der am meisten frequentierten Service-Nummern der Stadt übrigens. Woran Sie sehen können, dass es ein Thema ist, das die Menschen bewegt.

Die Düsseldorfer Jonges haben es im Dezember auch zum Thema einer Podiumsdiskussion gemacht.

Lentz Das war super. Die Jonges sind ohnehin von Anfang an aktiv dabei, sammeln selbst mit. Aber uns geht es ja vor allem darum, den Dreck erst gar nicht entstehen zu lassen, dafür zu sorgen, dass es nix mehr zum Sammeln gibt.

Glauben Sie wirklich, dass das möglich ist?

Lentz Man muss es wollen. Wenn beispielsweise die Autohersteller anstelle der Aschenbecher kleine Mülleimer serienmäßig installieren würden, dann wären die Parkplätze sicher sauberer. Und es gibt sicher auch die Möglichkeit, Kaugummis so zu produzieren, dass sie nicht für immer in den Fußgängerzonen kleben.

Stadtsauberkeit hat also keine ausreichend große Lobby?

Lentz Ich glaube, das ändert sich gerade. Bei einem unserer größten Sponsoren, der psd-Bank beispielsweise, ist es nicht mit dem Geld getan. Die leben unsere Idee mit, engagieren sich deutlich über das Finanzielle hinaus. Aber auch in anderen Unternehmen entwickelt sich eine neue Kultur des "community Managements".

Der Dreck-weg-Tag ist also auch nach fast 20 Jahren noch zeitgemäß?

Lentz Mehr denn je. Zumal es auch eine durchaus soziale Komponente gibt. Bei uns machen ja nicht nur Gruppen mit, sondern es finden sich auch Bürger über diese Aktion zusammen. Wer sich noch nicht angemeldet hat, kann am Samstag direkt an der Theodor-Heuss-Brücke (rechtsrheinisch) oder in Garath am Schützenplatz noch spontan dazu kommen. Da gibt es viele Leute, die das auch nutzen, um andere kennenzulernen. Und ganz aktuell macht jetzt auch die Nachbarschaftsinitiative www.nebenan.de bei uns mit.

STEFANI GEILHAUSEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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