Düsseldorf "Wir brauchen Frauen-Vorbilder"

Düsseldorf · Nur bei 13 Prozent aller Start-up-Unternehmen ist eine Frau im Gründungsteam. Woran liegt das? Und welche Veränderungen sind nötig, damit mehr Frauen Gründerinnen werden?

 Die beiden Frauen Silke Rogermann (l.) und Güncem Campagna arbeiten heute selbstständig im Co-Working-Space super(7000).Sie hoffen auf mehr Frauen in der Düsseldorfer Start-up-Szene. RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER

Die beiden Frauen Silke Rogermann (l.) und Güncem Campagna arbeiten heute selbstständig im Co-Working-Space super(7000).Sie hoffen auf mehr Frauen in der Düsseldorfer Start-up-Szene. RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER

Foto: Hans-Juergen Bauer

Güncem Campagna ist eine Frau, die einem Angst machen kann. Sie ist schlau, gut ausgebildet, selbstbewusst und ihre Zunge ist scharf wie ein japanisches Steakmesser. Die 43-Jährige hat keine Lust, sich mit einem Platz in der zweiten Reihe zu begnügen. Hatte sie noch nie. "In meiner Familie haben alle Frauen gearbeitet", sagt sie. "Ich kenne das gar nicht anders." Nach dem Abitur absolvierte Campagna ein VWL-Studium und war im Anschluss rund zehn Jahre im internationalen Marketing von Unternehmen und Agenturen tätig. Irgendwann hatte sie genug vom Pendeln zwischen ihrem Wohnort Düsseldorf und dem Job in Frankfurt, sehnte sich nach flacheren Hierarchien, einem anderen Arbeiten - und kündigte.

Vier Jahre ist das mittlerweile her. Heute hat Güncem Campagna "ein Kind, zwei Katzen und zwei Start-ups. In der Reihenfolge." Sie lacht. Die Tochter türkischer Eltern sitzt an einem der Schreibtische im super(7000). Etwa die Hälfte der Arbeitsplätze in dem Derendorfer Co-Working-Space werden von Start-up-Unternehmern besetzt. Auch an der Rather Straße ist die Frauenquote niedrig, bei Geschäftsideen rund um künstliche Intelligenz oder vernetzte Geräte sinkt sie gar in den einstelligen Bereich. "Die Themen, die Frauen besetzen, sind erwartungsgemäß weichere", sagt super(7000)-Geschäftsführerin Silke Roggermann. Kinderwagenverleih, Onlineshopping-Beratung oder Koch-App. Roggermanns beruflicher Werdegang weist viele Parallelen zu dem von Güncem Campagna auf. Auch die 45-Jährige war lange fest angestellt, bevor sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. "Natürlich musste ich mich überwinden", erklärt sie. "Ich hatte die Hosen gestrichen voll, wusste aber, ich muss das machen." Heute ist Roggermann Geschäftsführerin zweier Co-Working-Spaces - neben dem super(7000) lenkt sie auch die Geschicke des Gewächshauses an der Mindener Straße.

Warum nun sind Frauen in der Gründerszene so rar? Die Gründe dafür seien zahlreich, sagt Güncem Campagna: "Es geht in der Schule schon los. Die Mädchen verlieren bereits in der Sekundarstufe 1 das Interesse an den sogenannten Mint-Fächern. Der Trend setzt sich an den Hochschulen fort." Lediglich 20 bis 30 Prozent der Absolventen technischer Studiengänge seien Frauen. Und natürlich spiele auch das Thema Kinderbetreuung eine wesentliche Rolle: "Die meisten Gründer sind um die 30. Da steht bei Frauen oft das Thema Familienplanung an." Aber nicht alle Probleme, das weiß auch Campagna, sind struktureller Natur: Frauen bringen auch weniger Risikobereitschaft mit, "sie sind vorsichtiger, haben mehr Selbstzweifel und neigen dazu, berufliches Scheitern mit persönlichem Scheitern gleichzusetzen." All das sei beim Gründen eher von Nachteil. "Wir brauchen Frauen-Vorbilder ohne Ende", lautet Campagnas Fazit. Sie selber möchte ganz bewusst vorangehen, andere Gründerinnen unterstützen. Deshalb engagiert sie sich bei den "Digital Media Women", einem rein weiblichen Netzwerk. Wenn Gesprächsrunden oder Podiumsdiskussionen ausnahmslos männlich besetzt werden, greift Campagna schon mal zum Telefon, um dem Veranstalter den Kopf zu waschen.

Silke Roggermann kennt derartige Probleme natürlich auch, ist aber weniger konfrontativ unterwegs. "Ich mag es gerne vielfältig und divers", sagt die 45-Jährige. "Ich muss nicht ausschließlich mit Frauen netzwerken." Insgesamt, so Roggermann, werde ihr bei dem Thema zu viel über die Defizite der Frauen gesprochen: "Es kann doch auch nicht sein, dass Frauen sich nur an Männern orientieren", findet sie. "Warum reden wir nicht mal über die Stärken der Frauen?"

(RP)
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