Interview mit Dirk Buttler "Wir bitten um neues Vertrauen"

Düsseldorf · Das Sozialwerk der Armen Brüder des Heiligen Franziskus hat mindestens 7,2 Millionen Euro durch dubiose Anlagen verloren. Nach dem Skandal erklärt der neue Vorsitzende, wie er dem Verein eine Zukunftsperspektive verschaffen will.

 Dirk Buttler in der Hauptstelle der Armen Brüder am Rather Broich. Der Rechtsanwalt ist seit November neuer Vorsitzender des Sozialwerks.

Dirk Buttler in der Hauptstelle der Armen Brüder am Rather Broich. Der Rechtsanwalt ist seit November neuer Vorsitzender des Sozialwerks.

Foto: andreas bretz

Herr Buttler, Sie beraten unter anderem Städte und kommunale Unternehmen, die in eine Schieflage geraten sind. Wann muss denn der Verein Insolvenz anmelden, der für die Armen Brüder des Hl. Franziskus die Wohnungslosenarbeit durchführt?

Buttler Das wird nicht der Fall sein, die Gefahr bestand auch zu keiner Zeit. Dem Verein drohte nicht die Überschuldung und auch nicht die Zahlungsunfähigkeit. Wir haben eine Vorwärtsstrategie und uns drei Aufgaben gesetzt: Wir arbeiten die Vergangenheit auf und ihre Lasten ab, versuchen die aktuelle Arbeit zu bewältigen und für das Sozialwerk neue Perspektiven aufzubauen.

Können Sie so sicher sein? 7,2 Millionen Euro dürften durch die Insolvenz der Infinus, bei der die Armen Brüder ihre Ersparnisse angelegt hatten, verloren sein. Jetzt verlangt der Insolvenzverwalter weitere 5,5 Millionen Euro. Hätten Sie dieses Geld?

Buttler Wir gehen davon aus, dass wir diesen Anspruch vor Gericht zurückweisen können. Selbst wenn wir den Prozess verlieren, ist die Frage, ob der Anspruch komplett durchgesetzt werden kann, vielleicht müssen wir nur einen Teil zahlen. Unsere Immobilien sind einiges wert, wir haben also etwas dagegen zu setzen.

Ein Sozialwerk wirft Anlagebetrügern, die sechs Prozent Rendite versprechen, Millionen in den Rachen - das ist für das Image verheerend. Wie konnte das überhaupt passieren?

Buttler Das fragen sich viele, und das zurecht. Bei hohen Renditeversprechen sollte man vorsichtig sein, das weiß eigentlich jeder, eine solche Anlage ist gegen den gesunden Menschenverstand. Der Geschäftsführer des Vereins ist u.a. wegen seines Vorgehens im vorigen Jahr ja auch fristlos entlassen worden, und der Verein behält sich Regressansprüche vor. Der Mann hätte sich nur an die Anlage-Richtlinien für sozial tätige Einrichtungen und soziale Werke halten müssen, dann wäre dieses Fiasko nicht eingetreten. Diese Richtlinien sehen unter anderem eine Streuung von Risiken vor.

Hat der Geschäftsführer denn gegen Regeln des Vereins verstoßen? Musste Bruder Matthäus, der Vereinsvorsitzender war, nicht zustimmen?

Buttler Man kann Bruder Matthäus keinen Vorwurf machen. Der Geschäftsführer war 30 Jahre bei den Armen Brüdern aktiv, Bruder Matthäus hat ihm vertraut und sich selbst darauf konzentriert, für die Wohnungslosen da zu sein und ihnen eine Stimme zu geben. Das war seine Rolle. Er ist letztlich dreifach Opfer geworden: durch ein Anlagemodell, das als Schnellballsystem auf Betrug angelegt war; durch das Fehlverhalten eines leitenden Mitarbeiters, der die Empfehlung des Anlageberaters hätte hinterfragen müssen; durch die Strukturen des Vereins, der keinen ausreichenden Kontrollmechanismus hatte.

Das heißt, der Geschäftsführer konnte allein entscheiden?

Buttler Leider ja, laut Satzung konnte er als besonderer Vertreter alleinverantwortlich handeln. Das ist inzwischen geändert worden. Sollten die Armen Brüder je wieder Geld zum Anlegen haben, wäre vom Geschäftsführer nach dem neuen Regelwerk der komplette Vorstand, also drei Personen, bei einer Anlageentscheidung einzubinden. Außerdem gibt es jetzt einen ordentlichen Budgetplan, eine unterjährige Steuerung und weitere Finanzsteuerungsinstrumente.

Wann haben Sie von der ruinösen Anlage erfahren?

Buttler Am 8. November 2013 habe ich zum ersten Mal an einer Mitgliederversammlung teilgenommen. Da wurde die Anlage gänzlich unkritisch erwähnt. Am Tag darauf platzte die Bombe, Infinus wurde insolvent. Ich bekam einen Anruf: Ob ich wohl zum Rather Broich kommen könnte, man habe ein Problem. In diesem Moment dachte ich mir: Da möchte wohl jemand, dass ich eine Aufgabe habe.

Haben Sie sich gefragt, warum ein Sozialwerk überhaupt so viel Geld auf der hohen Kante hat?

Buttler Die Frage ist mir schnell und nachvollziehbar beantwortet worden. Das Sozialwerk macht im Jahr 30 Millionen Euro Umsatz. Rund 260 Mitarbeiter betreuen 450 Wohnungslose und 200 Senioren in zwei Altenheimen. Das Werk hat seine Zentrale am Rather Broich, betreut zudem fünf Außenwohngruppen, zwei Notschlafstellen und leistet Beschäftigungshilfe. Bei diesem Aufwand sind sieben Millionen Euro als Investitionsrücklage nicht übertrieben.

Hat der Skandal Auswirkungen auf die Spendeneinnahmen?

Buttler Allerdings. Bis zur Infinus-Pleite erhielten wir im Jahr um die 900.000 Euro, jetzt liegen wir bei 250.000 Euro. Der Rückgang macht uns große Sorgen, wir benötigen das Geld für Zukunftsinvestitionen in unseren Bestand und wollen nun darum werben, dass man uns wieder Vertrauen schenkt. Wir stellen Transparenz her nach innen zu unseren Mitarbeitern und zur Öffentlichkeit. Die Mitarbeiter des Sozialwerks sind hochmotiviert und machen eine für die Menschen und den sozialen Frieden in der Stadt wichtige Arbeit.

Viele Gelder sind vom Straßenmagazin Fifty-Fifty, das ja von Bruder Matthäus mitbegründet wurde, gekommen. Das Tischtuch ist seit dem Skandal zerschnitten. Nehmen Sie den Faden wieder auf?

Buttler Das kann ich ja nicht allein entscheiden. Unser neuer Geschäftsführer Peter Hinz und ich sind auf Hubert Ostendorf von Fifty-Fifty zugegangen und haben uns im Namen des Sozialwerks für das Geschehene entschuldigt. Viele Menschen, auch die vielen so hilfreichen Künstler, sind enttäuscht worden. Wir wären sehr froh, wenn man sich bei Fifty-Fifty eine neue Kommunikation mit dem Sozialwerk vorstellen könnte.

Hat das Bistum eingegriffen?

Buttler Der Diözesan-Caritasverband vertritt uns spitzenverbandlich und die Caritas Düsseldorf hat den Armen Brüdern das Grundstück in Rath in Erbpacht zur Verfügung gestellt. Aber anders, als viele denken, stehen wir nicht in Abhängigkeit zum Bistum. Wir sind selbstständig.

Wie wollen Sie die Wohnungslosenbetreuung langfristig absichern? Wie viele Brüder hat die Gemeinschaft?

Buttler Die deutsche Provinz zählt fünf Köpfe, auf der Welt dürfte die Ordensgemeinschaft bis zu 40 Mitglieder zählen. Der jüngste Bruder in Deutschland ist 66 Jahre alt, insoweit müssen wir uns Gedanken machen. Die Arbeit soll weiter getan werden, auch unter dem Dach des Diözesan-Caritasverbandes. In welcher Rechtsform und Struktur, müssen wir schauen. Auf jeden Fall soll der gute Geist des Ordens erhalten bleiben, Werte wie Barmherzigkeit, Bescheidenheit und Demut sind prägend für das Sozialwerk und sollen es bleiben.

Wie kamen Sie dazu, sich für das Sozialwerk zu engagieren?

Buttler Das hat sich ergeben. Zunächst hatte ich 2010 einen rein professionellen Kontakt. Ein ehemaliger Nachbar von mir arbeitete für das Sozialwerk, und als es eine Verwaltungsstreitigkeit mit der Stadt gab, fragte er, ob ich helfen könnte. In der Folgezeit wurde der Kontakt enger, und 2013 fragte mich Bruder Matthäus, ob ich mir vorstellen könnte, im Verein mitzumachen. Seine Art und was er tut, wirken ansteckend - nicht nur auf mich.

UWE-JENS RUHNAU FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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