Düsseldorf Wie zwei Start-ups erwachsen wurden

Düsseldorf · Zu Besuch bei zwei Unternehmen, die seit 15 Jahren Bücher online vermitteln und erfolgreich sind - auf ihre ganz eigene Weise.

 Daniel Conrad ist einer von zwei Geschäftsführern bei Booklooker und "Mädchen für alles".

Daniel Conrad ist einer von zwei Geschäftsführern bei Booklooker und "Mädchen für alles".

Foto: Andreas Bretz

Es war im Oktober 1999, da kamen in Düsseldorf zwei Start-ups zur Welt. Nicht nur Geburtsort und -zeit stimmten überein, sondern auch die Geschäftsidee. Booklooker und Justbooks wurden die Zwillinge genannt. Beide hatten es sich zur Aufgabe gemacht, auf ihrer Homepage Käufer und Verkäufer von gebrauchten Büchern zueinanderzuführen und von der Vermittlungsprovision zu leben. Ohne gegenseitigen Kontakt wuchsen sie getrennt voneinander auf. Heute sind die Start-ups von einst erwachsen.

Die Begegnung

 Ulrich Brand war einer der ersten beiden Festangestellten von dem damaligen Start-up Justbooks und ist heute Geschäftsführer von Abebooks.

Ulrich Brand war einer der ersten beiden Festangestellten von dem damaligen Start-up Justbooks und ist heute Geschäftsführer von Abebooks.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Booklooker Wer mit Booklooker Kontakt aufnehmen will, der schreibt eine Mail und wird zurückgerufen. So steht es auf der Homepage, und so passiert es. Ein Sekretariat, eine Telefonzentrale oder einen Empfang gibt es in dem ehemaligen Fabrikgebäude der Firma Liesegang an der Volmerswerther Straße nicht. Auf alles Repräsentative wie etwa ein schickes Firmenschild wurde verzichtet. Und das Treppenhaus sieht wahrscheinlich noch genauso aus, wie zu der Zeit als Liesegang hier Diaprojektoren herstellte.

Bei Booklooker wird eben gearbeitet und nicht empfangen. Prompt hat Geschäftsführer Daniel Conrad den Termin mit der Presse vergessen, ist aber schnell zur Stelle, nachdem ihn ein Mitarbeiter angerufen hat. Es ist ihm natürlich unangenehm, er entschuldigt sich und erzählt, er sei gerade mit seiner Frau im Baumarkt gewesen. Authentizität ist nichts, was er in Seminaren lernen müsste.

Justbooks heißt heute Abebooks und Marketingmitarbeiterin Kristina Krämer muss erst einmal klären, ob und inwiefern, ein Presseartikel möglich ist. Schließlich ist die Abebooks GmbH die Tochter einer kanadischen Muttergesellschaft, die wiederum seit 2008 eine Tochter von Amazon ist. Nach einigem Hin und Her einigt man sich darauf, dass es in dem Artikel nicht um Amazon geht, sondern vor allem um die Entwicklung des ehemaligen Düsseldorfer Start-ups Justbooks, das seit 2001 Europa-Zentrale von Abebooks ist. Und schließlich ist Geschäftsführer Ulrich Brand frei, auf jegliche Fragen der Presse so zu antworten, wie es ihm sinnvoll erscheint.

Der Standort

Booklooker Im großen Gemeinschaftsraum bei Booklooker ist die Atmosphäre überaus entspannt. In einer Ecke sitzen Mitarbeiter zusammen und unterhalten sich - die Technikkonferenz, wie Conrad erklärt. Im anderen Bereich des Raumes arbeiten Menschen im Alter zwischen Mitte Dreißig und Mitte Vierzig am Computer vor sich hin. Um niemanden zu stören, wird das Gespräch mit der Presse in einem Nachbarraum verlegt, wo drei Kickertische bereit stehen. Conrad ist Vorstand im Tischfußball Club und hat vor zwei Jahren die ersten Düsseldorfer Stadtmeisterschaften für den Sport ins Leben gerufen. Start-ups und Kickern - das gehört auch bei Booklooker zusammen.

Abebooks Einen Kicker gibt es auch bei Abebooks. Trotzdem ist das Ambiente dort ein komplett anderes. Das Treppenhaus im denkmalgeschützten ehemaligen Consum-Fabrikgebäude an der Ronsdorfer Straße 77a ist mit weißen und schwarzen Kacheln gefliest, wirkt hell und einladend, mit viel Glas und Pflanzen. Wer zu Abebooks möchte, muss eine Sicherheitsschleuse passieren. Am Empfang erhalten Besucher einen Zutrittsausweis, den man sich um den Hals hängen kann - Badge genannt. Die Unternehmenssprache ist Englisch. Geschäftsführer Ulrich Brand empfängt den Besuch zusammen mit Marketing-Mitarbeiterin Krämer und einem weiteren Mitarbeiter im Konferenzraum mit dem Namen "Dante". Auf der weitläufigen Etage tragen auch die anderen Räume Namen von Dichtern und Schriftstellern. Im Raum Dante finden ab 17 Uhr die Video-Konferenzen mit der kanadischen Zentrale in Victoria statt. Zu diesem Zweck gibt es zwei überdimensionale Flachbildschirme, auf denen dann die Gesprächspartner zu sehen sind.

Die Gründer

Booklooker Die Idee, gebrauchte Bücher über das Internet zu vertreiben, war Conrad im Studium gekommen, als er die vielen Aushänge für Angebote und Gesuche nach Fachbüchern sah. Um seinen Plan zu verwirklichen, suchte er jemanden, der sich mit der Technik auskannte. Deshalb fuhr er zur Messe Internetworld nach Berlin und traf im Zug Jens Bertheau, der sich gerade als Programmierer selbstständig machte. Der Geschäftspartner war gefunden.

Ein echter Glücksgriff für beide. Ihr Erfolgsrezept ist die klare Aufgabenteilung: "Er ist für die Technik zuständig, ich bin Mädchen für alles", sagt Conrad. Auseinandersetzungen gäbe es dabei nicht.

Abebooks In Flingern haben Kaufleute das Sagen. Abebooks-Geschäftsführer Ulrich Brand war einer der ersten beiden festangestellten Mitarbeiter von Justbooks. Nach dem Studium hatte der Diplom-Kaufmann in der Werbung gearbeitet und war dann für einige Monate nach Kanada gegangen. Als er wiederkam, las er in einem Zeitungsartikel über Justbooks, bewarb sich und wurde prompt eingestellt.

Von dem damaligen fünfköpfigen Gründerteam ist nur noch einer an Bord: Hannes Blum, der heute CEO und Präsident von Abebooks in Kanada ist. Bevor er Justbooks mitgründete, war er Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group.

Die Entwicklung

Booklooker Seit Booklooker im Oktober 1999 online gegangen ist, habe es nur eine Richtung gegeben, sagt Conrad. Jahr für Jahr habe es ein langsames aber stetiges Wachstum gegeben, im vorigen Jahr hat Booklooker erstmals mehr als eine Million an Vermittlungsprovision umgesetzt. "Wir haben nie einen Kredit aufgenommen, einen Business-Plan gemacht oder ein Gründerseminar besucht", sagt Conrad, der nicht Wirtschaft, sondern Kommunikationswissenschaften studiert hat. Auch finanztechnisch macht Booklooker alles selbst. "So verliert man nicht den Überblick", sagt er. Zwölf Mitarbeiter beschäftigt Booklooker mittlerweile. "Wir zahlen keine Spitzengehälter, aber keiner, der zu uns gekommen ist, hat uns bislang verlassen."

Abebooks Mit bunten Folien präsentiert Geschäftsführer Brand die weltweiten Aktivitäten der Firma. Weil in Düsseldorf das Geschäft für Europa abgewickelt wird, sind Muttersprachler aus anderen Ländern unter den 30 Mitarbeitern wichtig. "Gerade Jobeinsteiger, die internationale Erfahrung sammeln wollen, finden es spannend nach Düsseldorf zu ziehen und hier zu arbeiten", sagt Brand. Auch wenn Abebooks nicht über Umsätze spricht, eine andere Zahl wird mit Stolz genannt. Erst im Januar habe man das bislang teuerste Buch, das über Abebooks gehandelt wurde, vermittelt. Für 191 000 Dollar wechselte ein handkoloriertes italienisches Vogelbuch aus dem 18. Jahrhundert den Besitzer. Ein Einzelfall, aber teure Erstausgaben, die ein paar Tausend Euro kosten, werden bei Abebooks häufiger gehandelt.

Die Konkurrenz

Abebooks In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen immer wieder andere Onlineplattformen zugekauft. 2011 etwa ZVAB in Deutschland, wo ein Großteil der professionellen Antiquare ihre Angebote eingestellt hat. ZVAB-Gründer Bernd Heinisch ist nun bei Bookfinder, einer Metasuchmaschine für Bücher und auch eine Abebooks-Tochter, im Einsatz. Über Zukunftspläne kann sich Abebooks-Geschäftsführer Brand nicht äußern.

Booklooker Dass damals bei ihrem Start Justbooks ebenfalls online ging und nun als Abebooks Amazon-Tochter ist, haben Bertheau und Conrad aus der Ferne verfolgt. Bei manchem Nutzer profitiere Booklooker schon davon, dass sie nicht mit einem Amazon-Unternehmen Geschäfte machen wollen, sagt Conrad über den deutlich größeren Konkurrenten.

Der Markt

Niemand weiß, wie groß der Markt für gebrauchte Bücher ist. Bei einer Umfrage, die der Börsenverein des deutschen Buchhandels 2013 unter Antiquaren machte, gaben 86 Prozent (von 80 Teilnehmern) an, dass der Online-Versandhandel für sie der wichtigste Vertriebsweg ist. Als wichtigste Verkaufsplattform nannten 81 Prozent ZVAB, 46 Prozent Amazon, 37 Prozent Booklooker und 26 Prozent Abebooks. Antiquare äußern im Gespräch und in Foren ihre Befürchtung, dass die Zahl der Anbieter sinkt und die Macht von Amazon wächst.

Das Duell

Als Abebooks-Geschäftsführer Brand erfährt, dass Booklooker an den Tischfußball-Stadtmeisterschaften teilnimmt, ist sein sportlicher Ehrgeiz geweckt. Gefragt, ob er die Konkurrenten nicht zu einem Duell herauszufordern wolle, lacht er. "Das wäre bestimmt eine spannende Sache." Und die erste persönliche Begegnung.

(RP)
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