Düsseldorf "Wer besser kommuniziert, wird OB"

Düsseldorf · Der Direktor der Düsseldorfer Akademie für Marketing-Kommunikation über Fehler und Chancen der OB-Kandidaten im Wahlkampf.

Horst Harguth: "Eine Botschaft muss sich erst gut anfühlen. Dann erst überlegt das Gehirn, ob sie auch gut ist."

Horst Harguth: "Eine Botschaft muss sich erst gut anfühlen. Dann erst überlegt das Gehirn, ob sie auch gut ist."

Foto: Andreas Endermann

Wie viel Prozent der Menschen, die Thomas Geisel gewählt haben, kennen dessen Namen?

Horst Harguth Ich denke, es sind weniger als die Hälfte.

Wieso ist er dennoch der Überraschungssieger des Wahlabends?

Harguth Es gewinnt oft derjenige, der weniger Fehler macht. Und derjenige, der besser kommuniziert.

Damit reduzieren Sie den Stellenwert der Inhalte aber gehörig. Wie wichtig ist die Kommunikation im Wahlkampf?

Harguth Sehr, sehr wichtig. Das Wie ist mindestens so entscheidend wie das Was. Die emotionale Einschätzung einer Botschaft geht der rationalen voraus. Die Botschaft muss sich erst gut anfühlen, dann überlegt das Gehirn, ob sie auch gut ist. Darf ich dazu vielleicht eine Geschichte von meiner Tante Friedel erzählen?

Gerne.

Harguth Meine Tante Friedel war Fleischereifachverkäuferin in Gerresheim. Ich saß mit ihr anno 1969 vor dem Fernseher, als sie plötzlich sagte: Ich glaube, den wähle ich. Zu sehen war Prof. Dr. Karl Schiller. Von der SPD. Meine Tante hatte bis dahin - wohl auch in Unkenntnis, dass es andere Parteien gibt - immer CDU gewählt. Nun wählte sie plötzlich Schiller. Und warum? Weil er so seriös wirkte. Er trug schließlich immer eine Weste.

Was bedeutet das übertragen auf das Ergebnis der Kommunalwahl?

Harguth Thomas Geisel ist es gelungen, aus relativer Unbekanntheit heraus ein besseres Ergebnis zu erzielen als seine Partei. Er hat einen frischen Eindruck gemacht, hat Rad geschlagen, mit jedem gesprochen, der eine Frage hatte. Damit war ein Gegenentwurf zur staatsmännischen Attitüde des Amtsinhabers.

Aber wünschen sich die Menschen nicht einen Staatsmann im höchsten Amt?

Harguth Gerade auf kommunaler Ebene wollen die Menschen von gleich zu gleich verkehren. Sie wollen ernst genommen werden und nicht von oben herab überredet werden, für jemanden zu stimmen.

Oberbürgermeister Dirk Elbers hat sich auf den Plakaten in den letzten beiden Wahlkampfwochen doch im Hemd ohne Krawatte präsentiert.

Harguth Das stimmt, aber man muss auch im Hemd etwas machen. Er ist auf den Plakaten eben nicht bei Sportlern eines Vereins zu sehen oder dabei, wie er mit einer älteren Dame einen Kaffee trinken geht. Gefühlt trägt er auch auf den Bildern noch die Amtskette.

Was hätte er stattdessen tun müssen?

Harguth Er hätte eine Ergänzungsstrategie entwickeln müssen. Er hätte sagen müssen: ,Ihr kennt mich als Ersten Bürger, aber wusstet Ihr eigentlich, dass ich...' Und dann ein paar Überraschungen oder all zu menschliche Dinge präsentieren müssen. Gute Bilder sind immer dialogische Bilder.

Sie haben gesagt, dass der gewinnt, der die wenigsten Fehler macht. Welche Fehler hat der OB gemacht?

Harguth Da ist was dran. Man muss feststellen, dass der Oberbürgermeister die einfachen Verhaltensregeln der Krisenkommunikation nicht umgesetzt hat.

Wie lauten diese?

Harguth Krisen sind wie ein Flächenbrand. Deshalb muss man schnell, ehrlich und nicht von oben herab auf sie reagieren.

Wie hätte Dirk Elbers also im Fall der Feuerwehr-Affäre reagieren müssen, als er mehrere Feuerwehrleute wegen ihrer Einträge auf der Internetseite Facebook suspendiert hat?

Harguth Er hätte sofort in die Zeitungsredaktionen, ins Fernsehen und zum Radio gehen müssen und dort ehrlich sagen müssen, dass er einen Fehler gemacht hat und um Entschuldigung bittet. Das Wort Ent-Schuldigung bedeutet, dass, wenn sie gelingt, die Schuld weg ist.

Wie hätte er auf seine Äußerung, dass er in Ruhrgebietsstädten nicht tot überm Zaun hängen wolle, reagieren müssen?

Harguth Er hätte einen ihm wohlgesonnenen Ruhrgebiets-OB suchen und zu ihm fahren sollen. Dann hätte er dort mit ihm eine Wanderung oder Ähnliches gemacht und festgestellt, dass er sich geirrt hat, und vielleicht noch einen guten Spruch entwickelt, um seine Äußerung mit einem Lacher zu beseitigen.

Herausforderer Geisel war auf den Internetseiten Facebook und YouTube recht aktiv. Wie wichtig ist die Kommunikation in Sozialen Netzwerken für einen Kommunalwahlkampf?

Harguth Nicht nur, aber gerade junge Wähler nehmen wohlwollend zur Kenntnis, wenn sich ihnen jemand in ihrem Umfeld präsentiert, ohne sich anzubiedern. Man muss beides machen: klassisch kommunizieren und modern kommunizieren. Das wird insbesondere in Großstädten immer wichtiger. Das sollte in einer Werbestadt wie Düsseldorf zur Grundausstattung eines Politikers gehören.

Geisel hat knapp 1200 Freunde bei Facebook und etwa 5000 Klicks auf der Videoplattform YouTube. Das ist in den Sozialen Netzwerken nun nicht gerade eine rekordverdächtige Zahl.

Harguth Es ist trotzdem richtig, dort zu investieren. Überlegen Sie mal, wie lange Sie brauchen, bis Sie am Wahlstand 1100 Menschen angesprochen haben, und zwar so, dass diese im übertragenen Sinne den Gefällt-mir-Knopf drücken.

Welche Kommunikationsstrategie empfehlen Sie den beiden OB- Kandidaten für die noch verbleibenden 13 Tage dieses Wahlkampfs?

Harguth Die CDU war offenkundig nicht vorbereitet auf den Fall der Stichwahl. Dabei ist die Vorbereitung auf den worst case das A und O der Krisen-Kommunikation. Sie können damit nicht erst anfangen, wenn das Kind im Brunnen ist. Sie müssen - um im Bild zu bleiben - ein Seil oder einen Rettungsschwimmer schon bereit halten. Die SPD ist sehr gut aus den Startlöchern gekommen, hat sofort neue, noch schwungvollere Plakate ihres Kandidaten geklebt und geht nun mit dem Wir-können-es-schaffen-Gefühl in die letzten Tage. Thomas Geisel muss nun vor allem noch ein paar inhaltliche Positionen beziehen, zum Beispiel, um die Grünen-Wähler zu erreichen.

Was muss oder kann der amtierende Oberbürgermeister Dirk Elbers noch tun?

harguth Er muss bis zur letzten Minute tingeln und verloren gegangene Sympathien zurückgewinnen. Er muss die richtige Mischung aus ,Ich kann das' und Gesprächen auf Augenhöhe finden. Viele Hände schütteln und die Menschen dabei wirklich angucken.

CHRISTIAN HERRENDORF STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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