Premiere am Schauspielhaus Wenn die Angst den Schlaf verhindert

Düsseldorf (dto). Ein Vogel pfeift, Affen schreien, es raschelt überall - sechs Schauspieler sitzen auf einer dunklen Bühne, laute Dschungelgeräusche während das Publikum den Saal betritt. Der Dschungel ist überall mag man denken, und tatsächlich befinden sich die Zuschauer bei "Wir schlafen nicht" in einem Dschungel aus Konkurrenzdruck, Burn-Out und Angst. Die Arbeitswelt auf der Bühne -"Wir schlafen nicht" feierte am Mittwochabend im Schauspielhaus Premiere.

Sie reden über Broker, Aktien, Investmentberater oder Vorstandsmitglieder und hetzten von einem Kick-Off-Meeting zum nächsten und sind im Assesment-Rausch. Sie sind Unternehmensberater, Online-Redakteure, Key Account Manager oder eine Praktikantin, die auch dazu gehören will und später alle übertrumpfen wird. Sie alle geistern völlig überdreht und todmüde durch Kathrin Rögglas neues Stück "Wir schlafen nicht", das von Burkhard C. Kosminski inszeniert wird.

"Up or Out" lautet die Devise, wer nicht mitspielt ist draußen und so stehen sie im täglichen Kampf in der schönen neuen Arbeitswelt, in der die Rhetorik das Sein oder nicht Sein bestimmt. Der Stresslevel ist ihre Erfüllung, aber andererseits auch ihr größtes Leid. Wer da schläft, ist verloren. Zur Romangrundlage führte die 33-jährige Autorin stundenlange Interviews mit Führungskräften aus der Consulting- und benachbarten Branchen. Herausgekommen ist eine Kunstsprache aus Original-Zitaten, eine ironische Nahaufnahme.

Die Schauspieler sprechen während des ganzen Stücks im Konjunktiv. "Er wird klarer mit weniger Schlaf", sagt einer, "Sein Familienleben gehe ihm über alles", erklärt ein anderer. Sie erzählen unablässig aus ihrem Lebensalltag, ohne dass Gefühle eine echte Chance haben. Mit der bewussten Vermeidung des Indikativs wird nicht nur die direkte Rede umgangen, sondern auch der direkte Bezug zum eigenen Leben, zur eigenen Angst.

Ein Stilmittel, das Regisseur Kosminski bewusst durch das ganze Stück zieht. Die indirekte Rede erschwert jedoch einen direkten Zugang zu den Personen. Persönliche Hintergründe verblassen, eine persönliche Bindung zu den Schauspielern bleibt aus. Durch die indirekte Rede gelingt es Kosminski nicht, eine dramatische Spannung aufzubauen.

Das Bühnenbild und die eingespielten Musik- und Videosequenzen sind großartig. Grau die Bühne, ein elipsenförmiger Raum, der sich stets in Funktion und Bedeutung änderte und an dem eine Treppe konstruiert war, die sich später zum Sprungbrett verändert. Das Licht und die hektisch zuckenden Bilder der Videoschnitte verdeutlichen die Reizüberflutung der schönen neuen Arbeitswelt.

Kosminski hat ein aktuelles und gesellschaftlich wichtiges Thema aufgegriffen, der lokale Bezug zu Düsseldorf als Werber- und Consultingstadt war ihm dabei wichtig. Seine Darsteller leiden nicht nur an Schlaflosigkeit, sondern auch an Düsseldorfigkeit. Ob er den Erfolg seiner Werber-Satire "39,90" wiederholen wird, bleibt abzuwarten.

"Wir schlafen nicht", Kleines Haus im Schauspielhaus, noch bis 31. Mai

Von BIRGIT KRANZUSCH

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