Heino Warum ein Schlagersänger aus Düsseldorf die Nation spaltet

Düsseldorf · Es gab Zeiten, in denen Heino der Inbegriff von Rückschritt war. Damals ließ Otto Waalkes den Düsseldorfer in seinem Film aus dem Grab erstehen, und der Ostfriese flüchtete vor ihm, eine Persiflage auf Michael Jacksons Video zu Thriller. Nur eben mit Heinos statt Zombies.

Mit den Magiern Siegfried und Roy (rechts) waren Heino und seine Frau Hannelore befreundet. Dieses Foto entstand bei einem Besuch in Las Vegas.

Mit den Magiern Siegfried und Roy (rechts) waren Heino und seine Frau Hannelore befreundet. Dieses Foto entstand bei einem Besuch in Las Vegas.

Foto: Peter Bischoff

In jenen Zeiten saßen die Leute fassungslos vor dem Fernseher bei seinen Auftritten in diversen Shows, die irgendwas mit guter Laune versprachen.

Da sang er dann "Caramba, Caracho, ein Whiskey" oder "Schwarzbraun ist die Haselnuss" - und meinte das wirklich ernst. Ironie gab es bei Heino nicht, ob er verstanden hat, warum die Leute seine neuesten Sachen kaufen, ist unklar. Vielleicht ist es Heino ja schlicht wurscht, was die die anderen von ihm halten, so lange er nur immer ein Publikum findet und Platten verkauft.

Mit seiner Taktik ist er immer ganz gut gefahren. Lange Zeit besetzte er eine Nische, in die niemand wollte, eigentlich bildete er eine eigene Klasse. Er war kein schmachtender Schlagersänger, kein krachlederner Volksmusiker, kein Liedermacher. Heino war ein deutsches Kuriosum. Und er wühlte im Dreck. Warum Heino über Jahre die Nation spaltete, ist nämlich auch ziemlich klar: Er machte, was sein Publikum von ihm wollte, und jenes Publikum war in den achtziger Jahren eben schon älter. Es waren Menschen, die in den Fünfzigern Heimatfilme gemocht hatten und nun den "Enzian". Es waren auch alte Nazis darunter und viele Vertriebene, von denen einige die vage, aber durchaus unappetitliche Sehnsucht nach allem Völkischen hatten.

 Heino inszeniert sich nun als Rocker: Hier mit der Band Rammstein, mit der auf dem Open-Air-Konzert in Wacken auftrat.

Heino inszeniert sich nun als Rocker: Hier mit der Band Rammstein, mit der auf dem Open-Air-Konzert in Wacken auftrat.

Foto: Privat

Sie hörten dem Blondschopf gern dabei zu, wenn er deutsches Liedgut sang, klatschten, tranken, erinnerten sich an früher, als die erste Strophe des Deutschlandliedes noch Nationalhymne war. Heino und sein Entdecker Ralf Bendix mögen gedacht haben, dass auch diese Leute Platten kaufen. Heino sang "Deutschland, Deutschland über alles". Und wenn jemand deswegen sauer auf ihn war, gab er sich naiv. Seine Fans waren furchtbar, und deshalb war Heino der furchtbarste Sänger der Welt, politisch galt er dem linksliberalen Mainstream jener Zeit, der sich selbst als Avantgarde begriff, als rechts, strammrechts sogar. Dabei war Heino nie politisch. Heino wollte Geld verdienen.

Wie Heino denkt, kann man sehr gut an einem Satz in seiner Biografie erkennen. Darin kommt auch der andere große Sänger aus Düsseldorf vor. Es geht um die Zeit nach seinem Comeback: "Tote-Hosen-Frontmann Campino lästerte darüber, dass die Feuilletons mein Album bejubelten, obwohl ich doch seit dreißig Jahren das Aushängeschild der deutschen Hässlichkeit gewesen sei. Solche Kritiken ließen mich kalt: Sollte doch Campino mit seinen Toten Hosen erst einmal fünfzig Millionen Platten verkaufen", schreibt Heino. Heino lässt sich in seinem Buch oft vom Erfolg recht geben. Um den künstlerischen Wert einer Arbeit zu beurteilen, ist das natürlich Blödsinn. Das Album "Mit freundlichen Grüßen" war leidenschaftslos, auf Erfolg kalkuliert und profitierte von einem guten Timing.

Es gibt immer noch Menschen, die ihm das übelnehmen. Die Ärzte etwa waren beleidigt, als er deren Lied "Junge" für sein Spätwerk coverte. Jan Delay nannte ihn im gleichen Zusammenhang gar einen Nazi wegen seiner alten Landserlieder. Heino bekam von einem Gericht 20 000 Euro Schmerzensgeld wegen dieser Bemerkung zugesprochen.

Doch verkennen die Künstlerkollegen, was Heino antrieb und antreibt. Er ist der Sohn einer Putzfrau aus Oberbilk, der seinen Vater früh verloren hatte. Er hat auf der Flucht gehungert, seine Mutter hat sich die Kleider des Jungen vom Mund abgespart. Um das Phänomen Heino zu begreifen, muss man wissen, wo er herkommt. Er hat es um einiges schwerer gehabt als Campino etwa, der in großbürgerlichen Verhältnissen leicht rebellieren konnte.

Vor allem aber war Heino fleißig. In einer nahezu unendlichen Anzahl von Konzerten hat sich Heino sein Publikum ersungen. Fast alle Deutschen kennen ihn nun, er sitzt neben Dieter Bohlen, dem anderen, der mit noch größerem Mist noch erfolgreicher ist, in der Jury der RTL-Show "Deutschland sucht den Superstar", deren Motto zu sein scheint: Manches ist so schlecht, dass es schon wieder gut ist. Ihn und seine Frau Hannelore zu treffen, ist eine wahre Freude und ein Quell von Heiterkeit. Was will man eigentlich mehr?

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort