Initiator des Nachhaltigkeitspreises Warum Düsseldorf auf dem richtigen Weg ist und wo die Stadt noch nachhaltiger werden kann

Düsseldorf · Stefan Schulze-Hausmann veranstaltet in dieser Woche wieder den Nachhaltigkeitspreis in Düsseldorf. Er spürt, dass sich der Umgang mit ökologischem und sozialem Engagement stark verändert hat. Bei seiner eigenen Veranstaltung wird alles streng unter die Lupe genommen.

 Stefan Schulze Hausmann (Deutscher Nachhaltigkeitspreis) Foto: Anne Orthen

Stefan Schulze Hausmann (Deutscher Nachhaltigkeitspreis) Foto: Anne Orthen

Foto: Anne Orthen (ort)

Herr Schulze-Hausmann, als Sie mit Ihrem Kongress und der Gala zum Nachhaltigkeitspreis begannen, war der Zeitgeist ein anderer. Das Thema Nachhaltigkeit kam gerade erst richtig ins Bewusstsein. Nun findet am Freitag (22. November) die Veranstaltung  zum zwölften Mal statt. Mit welchen Gefühlen blicken Sie darauf und auch zurück?

Stefan Schulze-Hausmann Wir haben in einer vollkommen anderen Zeit begonnen. Damals wurde Nachhaltigkeit in erster Linie eingefordert, zumeist mit Vorwürfen. Das hat sich seit 2008 verändert. Nachhaltigkeit hat sich in Richtung Mainstream verändert, was nicht heißt, dass wir irgendwo am Ziel wären. Wir wollten den Begriff damals durch die Mittel einer Auszeichnung für die Besten mit Inhalten füllen und anspornen, ihn ernster zu nehmen. Das war auch Klinkenputzen. Heute spüren wir den Rückenwind. Der Kongress (Donnerstag und Freitag) ist Wochen vorher ausverkauft – 2000 Menschen kommen. Und auch die Verleihung ist mit 1200 Personen am Limit.

Der Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit war vor einer Dekade offenbar noch sperriger, wie kam es zu dem Paradigmenwechsel?

Schulze-Hausmann Als wir anfingen, war eine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung für nachhaltiges Handeln etwas Neues. Ökologisches und soziales Engagement wurden erst über die Jahre zu anerkannt wichtigen „normalen“ Bestandteilen in allen Bereichen. Smartere Verpackungen und mehr Fairness in den Lieferketten bei Textilien und Lebensmitteln etwa sind gute Beispiel. Unglaublich spannend ist, in welchem Maße sich junge Leute für das Thema interessieren. Wir spüren das auch und haben die Programmelemente für Studenten und Menschen in Ausbildung bei unserem Kongress immer weiter vergrößert.

Ist das auch ein Verdienst von Fridays for Future?

Schulze-Hausmann Der Druck, den Fridays for Future macht, verändert die Welt und bietet enorme Chancen. Zu Protest und Rebellion müssen jetzt aber Konsensfähigkeit und Kooperation hinzukommen, um Klimaschutz wirklich schneller und effektiver voranzubringen. 2019 ohne Fridays for Future geht auch für uns nicht, und wir werden die Bewegung mit der deutschen Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer als Gast aufgreifen.

Wie bewerten Sie hier die Rolle der Landeshauptstadt?

Schulze-Hausmann Mir gefällt, wie Düsseldorf sich beteiligt. Am 20. September waren wir bei den Fridays-for-Future-Demos dabei, weil wir glauben, dass es unserem Thema Nachhaltigkeit unendlich guttut, wenn die starke Stimme der Jugend nochmal verstärkt wird. Es würde uns aber Sorgen machen, wenn die friedliche Bewegung radikalisiert würde, womöglich von außen. Wie gesagt: Konsens und Kooperation werden die Zukunft gestalten.

Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck ist einer Ihrer Star-Gäste. Wie „nachhaltig“ ist er?

Schulze-Hausmann An Joachim Gauck schätze ich, wie er Politik erklärt, ohne Politiker zu sein. Vielleicht gelingt es gerade deswegen. Seine Biographie gibt ihm einen enormen Vertrauensvorschuss und macht ihn zu einem Lehrer, auf den zu hören es sich lohnt. Uns alle beschäftigen die komplexen Diskussionen um den Rechtsdruck hierzulande. Was sind die Ursachen, wie kommen wir wieder raus aus Radikalität und Rassismus. Joachim Gaucks Forderung nach Toleranz – kurz gesagt: auch wenn sie weh tut – ist ein bemerkenswerter Beitrag zur aktuellen Debatte.

Was erwartet die Gäste des Nachhaltigkeitspreises in diesem Jahr?

Schulze-Hausmann Es gibt bewährte Schwerpunkte wie die Awards für Unternehmen, Städte, Forschung, Architektur und Start-ups, unser Next Economy Award. Und wir geben einen Startschuss: 2020 kommt ein neuer Preis, an dem wir schon lange arbeiten, der DNP Design. Wir geben ihn zusammen mit zweien der renommiertesten Designer unserer Zeit bekannt: dem Dänen Bjarke Ingels, der vor allem als Architekt auch unseren Ehrenpreis erhält, und dem deutschen Shooting-Star unter den Gestaltern Sebastian Herkner. Beide stehen für hedonistische Nachhaltigkeit, ernsthaft, seriös, aber auch cool und sexy.

Wenn Sie sich mit dem Begriff der Nachhaltigkeit beschäftigen, was drängt sich für Sie weltweit auf, was sind Ihre Eindrücke?

Schulze-Hausmann Mich erschreckt eine zunehmende Kälte in der Gesellschaft, die eine bestimmten Couleur von Politikern schürt. Trump, Bolsonaro und Salvini bekommen Zulauf mit Parolen der Angst und der Abgrenzung. Migrationsbewegungen - Mexikaner, die in die USA wollen etwa, oder Syrer, die nach Deutschland kommen - bringen Gesellschaften durcheinander. Wir müssen Ordnung schaffen, im allerbesten Sinne – also anders als Rechte – und dabei die Sorgen großer Teile der Bevölkerung erst nehmen. Integration ist ein Marathon, schwerer als gedacht, aber voller Chancen. Wer das gut hinbekommt, ist der richtige Kopf für unsere Zeit.

Ist Düsseldorf eigentlich eine besonders nachhaltige Stadt?

Schulze-Hausmann Soweit ich sehen kann, ist Düsseldorf genau auf dem richtigen Weg. Einzelmaßnahmen werden zunehmend vernetzt und strategisch unterlegt. Die Umweltspur erscheint mir dabei als Symbolpolitik. Symbole sind wichtig, aber wenn man erkennt, dass der Schuss nach hinten losgeht, dann muss man revidieren. Zeigt die tägliche Erfahrung, dass verschlimmbessert wurde, ist Korrektur legitim.

Wie nachhaltig ist Düsseldorf in Ihren Augen insgesamt?

Schulze-Hausmann Als wir begonnen haben, hatte ich den Eindruck, dass viel getan, aber nicht zusammen gedacht wurde. Es gab keine übergeordnete Strategie, nur einzelne Leuchttürme. In den vergangenen Jahren begann es immer mehr, dass Dinge strategisch miteinander verbunden werden. Zum Beispiel greifen Nachhaltigkeitsthemen in Standort- und Gründerförderung besser ineinander. Das Thema treibt Oberbürgermeister Thomas Geisel um, er kommt jetzt zum zweiten Mal und ist auch Akteur der Verleihung. Sein großes Thema ist Digitalisierung, die dem Menschen nützt.

Sie sind international viel unterwegs. Welche Projekte inspirieren Sie auch für Düsseldorf?

Schulze-Hausmann Ein Beispiel: Von Wassertaxen profitieren Städte wie Moskau, Hongkong und Venedig, sie erhöhen die Lebensqualität und sind touristisch attraktiv, auch für die Gastronomie an den Anlegerstellen. Ein positiver Impact unter ökologischen Gesichtspunkten ist sehr wahrscheinlich. Er kann sogar dahingestellt bleiben, wenn es nicht schadet.

Welche weltweiten Leuchtturmprojekte gibt es noch?

Schulze-Hausmann New York schafft einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Autos. Das tut hier Not. Ideen, die Zahl der Autos zu minimieren, wurden zu lange mit der Keule des drohenden Arbeitsplatzverlustes niedergeschlagen. Jetzt wird immer klarer: Fetisch Auto war gestern, Eigentum am chromblitzenden Schlitten ist für die Jugend nicht mehr erstrebenswert. New York, aber auch Städte wie Kopenhagen, Münster und Freiburg haben das verstanden. Jetzt sind neue Konzepte gefragt: Autonome Transporter, Sharing, autofreie Zonen …

Sie leben seit fast 20 Jahren in Düsseldorf. Gibt es Nachhaltigkeitsaspekte in Ihrer Wahlheimat, die Sie kritisch betrachten?

Schulze-Hausmann Unser Preis für nachhaltige Kommunen zeigt an vielen Beispielen, wie bei städtebaulichen Entwicklungen ein gutes Maß zwischen Neubau und dem Erhalt gewachsener Quartiersstrukturen zu finden ist. Mit Augenmaß, Sensibilität und Bürgerbeteiligung. Exzessive Bebauung, die jeden Kubikmillimeter eines Grundstücks ausreizt und gegen Bürgerwunsch passiert, ist das Gegenteil davon. In Niederkassel soll zum Beispiel das freiwerdende Gelände um die Sankt-Anna-Kirche enorm dicht und hoch bebaut werden. Das kann man besser machen. Die Stadt sollte Business-Interessen und das Recht der Bürger auf einen attraktiven „Dorfmittelpunkt“ moderieren.

Wie nachhaltig sind Ihr Kongress und die Preisverleihung?

Schulze-Hausmann Uns schaut man mal richtig auf die Finger, und das ist gut so. Wir wollen mit den beiden Veranstaltungen in jedem Bereich Vorreiter sein. Von Beginn an stellen wir alle organisatorischen Schritte regelmäßig auf den Prüfstand. Hauptthemen: Energie- und Ressourceneffizienz bei Technik und Ausstattung, sinnvolle Logistik, nachhaltiges Catering (vegan, regional, saisonal, fair gehandelt), immer weniger Drucksachen, Kompensation aller Anreisen. Kongress und Preisverleihung sind klimaneutrale Events.

Wie nachhaltig sind Sie in Ihrem Privatleben?

Schulze-Hausmann Es geht immer mehr. Gute Chancen steckten gerade im Neubau eines Hauses, bei dem viele Entscheidungen für nachhaltige Lösungen möglich waren, von der Heizung bis zu Farben und Möbeln. Ich fahre viel mehr Bahn als Auto, Flüge sind seltener geworden. Weniger und gutes Fleisch.

Welche Tipps in Sachen Nachhaltigkeit können Sie geben?

Schulze-Hausmann Jeder soll bei sich schauen, was er tun kann. Mehr ist nicht immer besser. Oft ist die nachhaltige Entscheidung auch die preisgünstigere oder die gesündere. Kleine, auch kleinste Schritte zählen.

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