Kommentar zum Wahlkampf in Düsseldorf Warum der Vergleich von Geisel und Viktor Orbán unfair ist

Düsseldorf · Ein CDU-Politiker hat Düsseldorfs Oberbürgermeister mit dem ungarischen Hardliner verglichen. Grund war eine Journalistenschelte. Das ist Wahlkampf – und geht doch zu weit. Die wütende Replik zeigt aber, wie dünnhäutig Thomas Geisel derzeit ist.

 Thomas Geisel, hier bei einer Pressekonferenz, steht im Wahlkampf unter Druck.

Thomas Geisel, hier bei einer Pressekonferenz, steht im Wahlkampf unter Druck.

Foto: dpa/Fabian Strauch

Viele haben vorausgesagt, dass Wohnen und Verkehr die bestimmenden Themen im Wahlkampf werden. Bislang ist es vor allem der Amtsinhaber. Alle Mitbewerber arbeiten sich an Thomas Geisel ab. Der krasseste Vorwurf kommt vom CDU-Kreisvorsitzenden Thomas Jarzombek. Der vergleicht Geisel mit dem Rechtsaußen-Regierungschef von Ungarn und fühlt sich erinnert an den Stil von Viktor Orbán.

Sicher sollte man im Wahlkampf nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Aber dieser Vergleich ist unfair – und beleidigend. Geisel hatte sich in einem Facebook-Beitrag über einen Artikel zum umstrittenen Pop-up-Radweg beschwert und den Autor, einen „Express“-Journalisten, direkt angesprochen.

Man darf Geisels Politik schlecht finden. Man kann auch über die Kritik an dem Artikel streiten. Aber anders als Orbán und andere Feinde der Pressefreiheit nutzt der OB hier nicht seine Amtsbefugnisse, um kritische Stimmen zu unterdrücken. Geisel wehrt sich auf offener Bühne.

Der amtierende OB ist ohnehin nicht für einen harten Umgang mit der Presse bekannt. Anders als diesmal nahm er Kritik meist still hin. Im Gegensatz etwa zu Vorvorgänger Joachim Erwin, der für frühmorgendliche Beschwerdeanrufe gefürchtet war.

Wobei Jarzombek – der keine Entschuldigung plant – inhaltlich durchaus wichtige Fragen anspricht. Geisels Gegenrede über seinen offiziellen Account ist ein Novum. Wird das neuer Standard? Der Grat zwischen berechtigtem Einwand und Hetze gegen Journalisten kann schnell schmal werden. Ein Bundesminister, so ist jedenfalls Jarzombek überzeugt, wäre mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Und peinlich ist ohne Frage, dass Geisel dem Journalisten fälschlicherweise eine CDU-Mitgliedschaft unterstellt hat.

Die scharfe Replik deutet darauf hin, dass Geisel derzeit dünnhäutig ist. Für den missglückten Radweg steht er unter Druck, im Wahlkampf hauen alle Mitbewerber auf ihn ein. Auch die bisherigen SPD-Bündnispartner lassen den Stadtchef bei jeder Gelegenheit als Totalausfall dastehen.

Das muss sich Geisel teilweise selbst zuschreiben, weil er das Verhältnis nie übermäßig gepflegt hat. Es ist aber auch Strategie, schließlich rechnen Grüne und FDP ihren eigenen Kandidaten gute Chancen aus. Ein dickes Fell ist dem Amtsinhaber zu wünschen – sonst muss er noch viele wütende Repliken verfassen.

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