Fluss-Wanderung Dort, wo die Quelle der Düssel sein sollte

Düsseldorf · Jeder Düsseldorfer kennt das Gewässer, das der Stadt ihren Namen gab. Unser Autor wollte wissen, was sonst noch dran ist an dem Flüsschen, das in der Stadt in engen Bahnen fließt, und hat sich auf den Weg gemacht – von der Quelle bis zur Mündung.

Wanderung entlang der Düssel - von der Quelle bis zur Mündung
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Wanderung entlang der Düssel

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Foto: RP/Dominik Schneider

Abschnitt I: Das Bergische Land

Meine Wanderung entlang der Düssel beginnt mit der Suche nach der Quelle. Die liegt ziemlich versteckt am Rand einer Landstraße zwischen Neviges und Wülfrath, tief im Bergischen Land. Die Quelle befindet sich auf einem Bauernhof. An der Straße weist ein Schild auf frische Äpfel hin, nur ein halb vermoderter Holzpfeil zeigt an, dass hier auch die Düssel entspringt. Gut Blumrath wird von Martin Knab betrieben. Er zeigt mir die Quelle – oder den Ort, an dem sie sein sollte. Denn aus dem kleinen Findling sprudelt kein Wasser.

„Das liegt am Straßen- und Bergbau in der Gegend, das Grundwasser sinkt immer weiter“, sagt Knab. Seit einigen Jahren müsse man hier pumpen, und inzwischen mache man das nur noch zweimal die Woche. Das Wasser versickert sowieso nach wenigen Metern, der erste Abschnitt der Düssel verläuft also unterirdisch. Meine Wanderung beginnt also auf einer schattigen Wiese hinter dem Bauernhaus, wo ein Stein steht und eine Tafel, gestiftet von den Düsseldorfer Jonges, aber weit und breit ist kein Wasser zu sehen.

Irgendwo in den weitläufigen Wiesen tritt die Düssel dann tatsächlich als dünnes Rinnsal zu Tage, vereint sich mit anderen und fließt als etwas größeres Rinnsal weiter. Wirklich folgen kann ich ihr erst hinter der Aprather Mühle. Dort zeigt mir ein freundlicher Wirt den Feldweg, dem ich entlang der Düssel folgen kann. Obwohl sein uriges Café noch geschlossen hat, bietet er mir Getränke an. Ich muss ablehen: Immerhin habe ich gute 40 Kilometer vor mir und ich will die Strecke an diesem Tag schaffen.

Ein kleiner Bach ist die Düssel hier, umgeben von einem Waldstreifen. Zunächst versuche ich, sie immer im Blick zu behalten, doch bereits nach einigen Hundert Metern folgt die Straße nicht mehr dem Bach. Das erste Ortsschild, an dem ich vorbei komme, versichert mir jedoch, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Das Dorf Düssel hat wenig mit Düsseldorf gemeinsam: Die Luft riecht nach Pferd, Traktoren stehen herum, und über die schiefergedeckten Häuser ragen gleich zwei unverhältnismäßig große Kirchen.

 Das Bergische Land hat seinen Namen zwar von den Grafen von Berg, trotzdem geht es ziemlich oft hinauf und hinunter. Manchmal gehe ich direkt neben der Düssel, manchmal plätschert sie weit unter mir durchs Tal. Ich begegne nicht vielen Menschen, aber die, die ich treffe, grüßen freundlich. Einige Spaziergänger bleiben für einen Plausch stehen, und als ich von meinem Vorhaben erzähle, die Düssel an einem Tag abzugehen, lachen sie. „Da hast du aber noch einiges vor dir“, staunt eine ältere Dame, und sie hat recht. Zäh bringe ich Zentimeter um Zentimeter auf meiner Wanderkarte hinter mich. Viele Dörfer haben auf ein Ortsschild verzichtet, so dass ich ein wenig die Orientierung verliere. Nur der Fluss, den ich hin und wieder, mal zur Linken, mal zur Rechten, sehen kann, stimmt mich zuversichtlich.

Über Stunden verändert sich die Landschaft kaum, die Örtchen gleichen sich, und ich staune, wie viele Grüntöne es in den Wäldern gibt. Über mir kreisen Falken und Bussarde, und hin und wieder sehe ich Graureiher in der Düssel nach Fischen suchen. Die schwarz-weißen Hinweisschilder der örtlichen Wanderverbände sind inzwischen vertraute Begleiter. Allerdings darf man sich auch nicht blind auf sie verlassen. Mehr als einmal führen sie einen auf kleine Wege, die dann unvermittelt auf einem Feld enden.

Gegen Mittag durchqueren die Düssel und ich das Dorf Gruiten. Es ist etwas größer als die kleinen Weiler der letzten Stunden. Das Dorf hat alte Fachwerkhäuser und überall gibt es Farben: Bunt bemalte Bänke vor den Gebäuden, in einem Garten steht ein mit Kunstblumen geschmücktes Fahrrad. Außerdem hängt an fast jedem zweiten Haus eine Tafel, die seine Geschichte erzählt. Dieser Ort wirkt auf mich so lebensfroh wie kein anderer auf der Strecke. Hinter Gruiten folge ich der Düssel durch ein Wäldchen und muss den Fluss über eine kleine Brücke queren. Ein Hinweisschild sagt mir, dass ich den ersten Teil meiner Reise hinter mich gebracht habe.

Abschnitt II: Das Neandertal

Hier verändert sich die Landschaft. Ich durchquere einen dichten Wald. Hügel zur Linken und zur Rechten trennen das Tal von der Außenwelt. Ich weiß, dass in nur wenigen hundert Metern Entfernung Straßen sind, Dörfer und Felder. Fast immer ist der Fluss in Sicht- oder zumindest Hörweite. Ich begegne so wenigen Menschen wie nirgendwo sonst auf meiner Tour. Eigentlich gefällt es mir hier am besten: Die dichten Baumkronen spenden Schatten, der Weg verläuft geradeaus, und alles ist friedlich und natürlich.

Auf halbem Weg durch das Neandertal stoße ich wieder auf Zivilisation: Häuser und Höfe, Schilder, die zum Neandertalmuseum weisen, Tafeln mit Informationen zur Fauna, Flora und Geographie. Außerdem trifft man plötzlich wieder Menschen, viele sogar: Ich komme an mehreren Schulklassen vorbei, die in der Düssel baden oder das Tal mit ihren Lehrern erforschen. Ich passiere das „Eiszeitliche Wildgehege“, wo rückgezüchtete Tiere aus der Zeit des Neandertalers gehalten werden. Auerochsen etwa, die meine Wanderung mäßig interessiert verfolgen. Je weiter ich komme, desto besser wird der Weg. Das Neanderthalmuseum wird sichtbar; ein grau-grüner Bau an der Straße nach Erkrath. Einige Meter vom Museum entfernt liegt die Fundstelle des Neandertalers, die dem Tal den Namen gab. Die Wiese liegt etwas abseits der Wege und ist menschenleer.

Abschnitt III: Erkrath

Es ist vorbei mit der Natürlichkeit, die Düssel fließt, von Beton eingefasst, an der Verbindungsstraße Mettmann – Erkrath entlang. Zwar gibt es noch eindrucksvolle Kalksteinwände, aber die viel befahrene Straße dominiert für die nächsten Kilometer. Der Asphalt reflektiert die Hitze des Tages, und das Gehen auf Beton lässt nach mehr als der Hälfte des Weges die Füße schmerzen. Die Düssel entfernt sich vom Weg, Fabrikhallen und Betriebshöfe schieben sich zwischen den Fluss und mich, während ich auf einem Fußgängerweg neben der Straße gehe. Dieser Teil meiner Wanderung ist der am wenigsten schöne.

In Erkrath hat die Düssel bereits die Erscheinung, die wir aus Düsseldorf kennen. Sie ist eingefasst und fließt durch den Ort. Es wird wieder schwerer, dem Fluss zu folgen, denn nur selten verlaufen Wege am Ufer. Erkrath wirkt nach den Stunden, die ich in der Natur verbracht habe, grau und staubig. Allerdings begrüßen mich auch die ersten Werbungen für Alt-Bier und zeigen, dass ich mich meinem Ziel nähere. Mein Weg wird chaotisch, meine Karte ist zu ungenau, aber irgendwie schaffe ich es, am Ortsausgangsschild wieder am Ufer der Düssel zu stehen. Der Hinweis: „Fahrtrichtung Düsseldorf“ hilft auch. Hinter Erkrath biegt der Wanderweg wieder von der Schnellstraße ab. Es geht durch Felder und einen Wald, relativ weit vom Fluss entfernt, der parallel zu einer Bahnstrecke fließt. In der Ferne sehe ich den Rheinturm aufragen.

Abschnitt IV: Düsseldorf

Willkommen in Düsseldorf. Die Düssel fließt in Gerresheim aufs Stadtgebiet. Nach nur wenigen Metern verläuft sie kurz unterirdisch, bevor sie sich durch die Felder des Stadtteils schlängelt. Beim Höherhof teilt sich der Fluss: Die Südliche Düssel biegt in Richtung Vennhausen ab, fließt dann durch Eller in Richtung Innenstadt, wo sie unterhalb der Rheinuferpromenade in den Rhein mündet.

Ich folge der nördlichen Düssel. Der Fluss fließt durch hohe Wiesen, vorbei an Kleingärten. Am Ufer gehen Menschen mit Hunden spazieren, die Vierbeiner toben im flachen Wasser. Die Düssel ist hier ein schnurgerader Kanal mit gleichmäßigem Wasserstand und kaum Pflanzen am Ufer. Je weiter ich dem Fluss in die Stadt folge, desto mehr komme ich mir in meinen schweren Wanderstiefeln, die mir zuvor gute Dienste geleistet haben, fehl am Platz vor. Und desto weniger gleicht die Düssel dem wilden Bach, der mich bisher begleitet hat. Der Weg führt am begradigten Ufer entlang, über weite Strecken fließt die Düssel hier auch unterirdisch.

Im Zoopark gibt es nochmal Natur, die Ufervegetation hat freies Spiel. Danach ist die Düssel endgültig ein Stadtfluss. Mal unterirdisch, mal sichtbar, durch kleine Parks und an großen Straßen fließt sie weiter, am Hofgarten entlang, sie speist den Teich Landskrone und fließt schließlich unter der Altstadt hindurch. An der Josef-Wimmer-Gasse, einer kleinen, übel riechenden Seitenstraße in der Altstadt, tritt sie ein letztes Mal hervor. Ich gehe über das Kopfsteinpflaster, neben mir fließt schmutziges Wasser, in dem alte Flaschen treiben. Am Ende des kleinen Kanals verschwindet die Düssel unterhalb des Stadterhebungsdenkmals in einem vergitterten Tunnel. Ich gehe weiter, über den Burgplatz, während es Abend wird. Diese letzten Meter ziehen sich, und neben dem Schmerz in meinen Füßen empfinde ich Abschiedsschmerz. Zu Beginn der Kasematten zeigen blaue Pflastersteine, wo die Düssel verläuft, wenige Meter nur, dann ergießt sich der Fluss an einer Anlegestelle als überraschend kräftiger Sturzbach in den Rhein.

 Am Oberlauf der Düssel liegt das gleichnamige Dorf: Eine Idylle wie aus einem Heimatfilm. Hier riecht es nach Mist, und die Menschen grüßen einander.

Am Oberlauf der Düssel liegt das gleichnamige Dorf: Eine Idylle wie aus einem Heimatfilm. Hier riecht es nach Mist, und die Menschen grüßen einander.

Foto: RP/Dominik Schneider
Die Düssel als hübscher Fluss entlang einer Straße

Die Düssel als hübscher Fluss entlang einer Straße

Foto: RP/Dominik Schneider
 Ein letzter Blick: In der Altstadt geht mein Tag an der Düssel zu Ende.

Ein letzter Blick: In der Altstadt geht mein Tag an der Düssel zu Ende.

Foto: RP/Dominik Schneider
Die Düssel zeigt sich  im Neandertal als ein naturbelassener Wildbach.

Die Düssel zeigt sich  im Neandertal als ein naturbelassener Wildbach.

Foto: RP/Dominik Schneider
 Beim Weg durch das Neandertal geht es durch dichten Wald. 

Beim Weg durch das Neandertal geht es durch dichten Wald. 

Foto: RP/Dominik Schneider
 Blick auf den Schlossturm: Die Altstadt liegt am Ziel der Düssel-Wanderung.

Blick auf den Schlossturm: Die Altstadt liegt am Ziel der Düssel-Wanderung.

Foto: RP/Dominik Schneider
 40 Kilometer Düssel

40 Kilometer Düssel

Foto: grafik

Gute 40 Kilometer entlang der Düssel an einem Tag. Bestimmt habe ich viele Sehenswürdigkeiten entlang des Flusses verpasst. Dennoch habe ich durch den Gewaltmarsch einen neuen Blick auf meine Heimat gewonnen. Ich weiß jetzt, dass der Fluss, der der Stadt den Namen gibt, mehr ist als der einbetonierte Kanal, den ich kannte.

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