Architekt Walter Brune „Kö-Bogen II in Düsseldorf sieht aus wie eine Ski-Rampe“

Düsseldorf · Der Architekt Walter Brune sieht die Entwicklung der Düsseldorfer City kritisch - und hält die autofreie Innenstadt für einen Fehler. Vor allem vom Kö-Bogen II ist er nicht überzeugt.

 Walter Brune vor seinem Bungalow in Düsseldorf-Rath.

Walter Brune vor seinem Bungalow in Düsseldorf-Rath.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Architekt Walter Brune (93) hat seit den 1950er Jahren mit seinen Bauwerken Städte geprägt. Er baute private Häuser und Firmenzentralen, Zechen (Prosper Haniel) oder Konzern-Zentralen, und er erdachte und errichtete Einkaufs-Riesen wie das Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim, in Düsseldorf die Schadow Arkaden und die Kö-Galerie. Stadtplanung liegt ihm noch heute am Herzen, aber im Laufe der Jahre hat er seinen Blick darauf nachhaltig verändert.

Wenn Sie zurückblicken auf das, was sie gebaut haben – was würden Sie heute auf keinen Fall wiederholen?

Walter Brune Einkaufszentren auf der grünen Wiese. Ich habe damals in den Jahren 1968 bis 1972 das Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim gebaut, das Vorbild waren Shopping-Malls in den USA. Als ich später gesehen habe, welche schlimmen Auswirkungen das auf die Mülheimer Innenstadt hatte, war mir klar – ich habe das zu verantworten. Damals schwor ich mir: nie wieder!

Aber hätte man diese Entwicklung nicht vorhersehen können?

Brune Nein, man hat sich keine Gedanken darüber gemacht. Die Idee war, ein zentrales Einkaufszentrum zu bauen, in dem Kunden aus mehreren umliegenden Städten bequem über einen Autobahnanschluss anreisen und einkaufen können. Dass fast ausschließlich Kaufkraft aus Mülheim selbst abgezogen werden würde, sah man nicht.

Die Auswirkungen auf der Mülheimer Schloßstraße, quasi die frühere Kö Mülheims, sieht man bis heute.

Brune Das stimmt. Davon hat sich diese Straße nie erholt.

Aber dennoch ist später nicht weit entfernt das Centro in Oberhausen entstanden. Hat man die Folgen solcher Objekte immer noch nicht gesehen?

Brune Offenbar wollte man dies nicht. Jedenfalls haben mich die ersten Investoren damals gefragt, ob ich das Centro bauen möchte. Aber nach meinen Erfahrungen mit Mülheim habe ich abgelehnt und auf die Gefahren hingewiesen.

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Foto: Christoph Schroeter

Gebaut wurde es dennoch.

Brune Ja – mit verheerenden Folgen für die Oberhausener Innenstadt. Immerhin habe ich meinen Einfluss geltend machen können, als die Duisburger auf dem Gelände des früheren Güterbahnhofs ein Outlet-Center bauen wollten, und entscheidend dabei geholfen, das zu verhindern.

Jetzt die Gegenfrage – worauf sind Sie besonders stolz?

Brune Aus meinen Erfahrungen mit den Zentren auf der grünen Wiese habe ich ja dann erkannt, dass man solche Einkaufs-Zentren mitten in die Stadt bauen muss. Sie müssen die Attraktivität des Standortes erhöhen, also mehr Menschen in die Innenstadt locken. Davon profitiert auch der benachbarte Handel.

Aber die Kunden könnten die Nachbarn doch buchstäblich links liegen lassen?

Brune Nicht, wenn man das Sortiment entsprechend abstimmt. Sowohl in der Kö-Galerie wie in den Schadow Arkaden wurden Trendsetter platziert, die das umliegende Angebot weitgehend ergänzten. Vor allem bei der Kö-Galerie habe ich darauf geachtet, Marken anzusiedeln, die es im Umfeld gar nicht mehr gab, weil sie keinen für sie bezahlbaren Raum gefunden hätten. Und in den Galerien wurde Gastronomie, Cafés und Bars untergebracht, die es ja auf der Kö wegen der hohen Mieten auch nicht mehr gab.

Was sind für Sie die größten Fehler der heutigen Stadtplanung?

Brune Ich halte es für einen großen Fehler, die autofreie Innenstadt auch nur in Teilen anzustreben. Als Aachen seinerzeit versuchte, die absolut autofreie Innenstadt zu realisieren, habe ich dagegen protestiert und bin gehört worden. Man rückte von dem Plan wieder ab. Natürlich liegt mir die Verbesserung der Luftqualität am Herzen, aber das darf nicht bedeuten, dass man versucht, das Auto aus der Stadt zu verbannen. Es ist vielfach Bestandteil des Lebens der Menschen. Man darf nicht vergessen: Der Kofferraum des Autos ist die größte Einkaufstüte. Wer größere Einkäufe machen will, macht das nicht mit dem Fahrrad oder mit der Straßenbahn. Er will ja die gekauften Waren bequem nach Hause bringen.

Was sollte man also tun?

Brune Vor allem muss man sich klar machen, dass auch E-Autos Platz brauchen. Falls in einigen Jahren die weitaus meisten Pkw mit Strom betrieben werden, brauchen sie dennoch Platz. Ich rate also dringend dazu, sich intelligente Parkplatzsysteme zu überlegen. Sowohl Schadow Arkaden wie Kö-Galerie bieten jeweils rund 1000 Plätze – und auch das macht sie so attraktiv.

Aber der Raum in der City ist knapp, da lässt sich nicht so ohne weiteres Parkplatz schaffen?

Brune Das stimmt. Aber warum geht die Stadt nicht hin und investiert gezielt in vakante Objekte, um dort Platz für Fahrzeuge zu schaffen? Es geht jedenfalls nicht so weiter, dass ein großer Teil auch der Wohnstraßen in der Innenstadt abends von Autos zugeparkt wird. Ich habe Freunde in Derendorf, bei denen ich vor einem abendlichen Besuch manchmal eine halbe Stunde einen Parkplatz suche. Die Autos sind da, und das werden sie auch künftig sein. Also braucht man Lösungen.

Was vermissen Sie an der heutigen Stadtplanung?

Brune Mir fehlt eine Art zentrales Management für die gesamten Fragen, die sich daraus ergeben. Es müsste eine zentrale Instanz geben, die sowohl die Baugenehmigungen unterstützt, betreut und überwacht wie auch die Gestaltung, nachdem der Bau abgeschlossen ist, die sich also weiter kümmert. Beispielsweise mit kulturellen Angeboten auf den Straßen und den Plätzen. Ganz wichtig wäre auch, die Bauverwaltung straffer zu gestalten. Neulich wurde ich für ein an sich genehmigtes Projekt um zwei Wochen vertröstet, weil die zuständige Sachbearbeiterin in Urlaub war. Auch für unser Projekt Arcadia-Park in Rath haben wir sechs Monate zusätzlich gewartet, weil es immer wieder neue Anforderungen gab.

Bilder des Tages aus Düsseldorf
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Foto: Christoph Schroeter

Wie sehen Sie die Lage in der City heute?

Brune Es ist bekannt, dass ich nicht mit allem, was die heutigen Eigentümer der Kö-Galerie machen, einverstanden bin. Und die Projekte Kö-Bogen I und II sehe ich ebenfalls mit Skepsis. Sie schaffen keine alternativen Angebote, sondern ziehen auf zweimal 20.000 qm Kaufkraft an sich. Der südliche Teil der Kö ab der Grünstraße und das Ende Schadowstraße merken das jetzt, außerdem sieht man es an den ersten Leerständen dort. Man muss hier viel tun, um die Innenstand besucherfreundlich zu machen.

Wie gefällt Ihnen der Kö-Bogen insgesamt? Gerade entsteht der „Kö Bogen II“ von Architekt Christoph Ingenhoven.

Brune Das so genannte Ingenhoven-Tal halte ich für nicht „innenstadtgerecht“, es sieht aus wie eine riesige Ski-Rampe. Und der Versuch, Fassaden zu begrünen, ist ja offenbar gescheitert. Das wird immer wieder mal versucht, aber meistens geht es schief, auch weil die nachhaltige Pflege oft fehlt.

Wie sieht für Sie die menschenfreundliche Stadt aus?

Brune Ich baue ja gerade in Rath eine Siedlung mit rund 200 Wohneinheiten. Sie wird mit einem zentralen Platz und einem Weiher errichtet, es wird viel Grün geben. Das habe ich auch in den Büro-Komplexen so gehalten – zum Beispiel im Prinzenpark in Oberkassel, mit seinen grünen Zonen. Die Menschen sollen sich wohlfühlen, ich finde Kunstwerke im öffentlichen Raum wichtig, auch regelmäßige Auftritte von Musikern, wie wir sie früher in der Kö-Galerie hatten, locken die Leute an – also mehr Action in die City. Eine belebte Innenstadt bringt auch mehr Kunden. Internet-Verkauf nicht.

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