Düsseldorf Von Mobilmachung war keine Rede

Düsseldorf · Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs waren in Düsseldorf eher die Versorgung mit Lebensmitteln und der Luftschutz Schwerpunkte der öffentlichen Diskussion. Die Bevölkerung sollte sich versorgt fühlen.

Gerade mal 15 Zeilen lang war eine Meldung im Düsseldorfer Stadtanzeiger, die - Ende August 1939 veröffentlicht - mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939, dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, in Zusammenhang stand. Aber von Krieg oder Mobilmachung war keine Rede, es wurde nur die Ausgabe von Bezugsscheinen für Lebensmittel angekündigt. "Kampf und Krieg war nur Thema im überregionalen Teil der Presse, in der Stadt gab es keine Kundgebungen und keine Propagandaveranstaltungen, über die berichtet werden konnte", bewertet der Historiker Ulrich Brzosa die Veröffentlichungen in diesem Zeitraum. In der Stadt selbst ging es nur um Fragen des Zivilschutzes und der Versorgung, etwa die Ausgabe von rationierten Lebensmitteln.

Das zeigen die Anweisungen der übergeordneten Behörden für die Stadtverwaltung Düsseldorf. Am 25. August 1939 wurde sie per Code-Wort aufgefordert, einen in einem Panzerschrank unter Verschluss gehaltenen Mobilmachungskalender zu öffnen. "Aber von der Stadtverwaltung war offensichtlich nichts zu veranlassen, das geht aus einem Bericht des Hauptamtes hervor", sagt Brzosa. Am 27. August sei dann angeordnet worden, Bezugsscheine für Lebensmittel, Benzin, Kohle und Verbrauchsgüter auszugeben und die Bevölkerung darüber zu informieren. "Das Lagern von Lebensmitteln und deren Rationierung war im Reichsverteidigungsrat präzise vorbereitet worden", sagte Brzosa. Ebenso sei der Reichsluftschutzbund (RLB) gegründet worden, der Bürger auf das Verhalten bei Luftangriffen vorbereiten sollte. Für Ortsteile in Düsseldorf gab es einzelne Sektionen des RLB.

"Diese Maßnahmen gehören zu den Belegen, dass Hitler seit 1935 den Krieg systematisch vorbereitet hat", so Brzosa. Diese jahrelange Einstimmung auf einen möglichen Krieg könnte auch die Reaktion der Bevölkerung erklären: "Der Kriegsausbruch war offensichtlich kein Thema in der öffentlichen Diskussion, es gibt keine Hinweise auf Kundgebungen oder Diskussionen", hat Brzosa festgestellt. Jedenfalls seien die Düsseldorfer nicht in einen Hurra-Patriotismus verfallen wie zu Beginn des Ersten Weltkriegs. 1914 sei der Krieg vom Kaiser mit vaterländischem Pathos verkündet worden. Das habe 1939 gefehlt. Wahrscheinlich seien die Erinnerungen an den furchtbaren Ersten Weltkrieg mit der riesigen Zahl von Toten und Verwundeten sowie mit den Hungerjahren in zu frischer Erinnerung bei den Bürgern gewesen. Möglicherweise haben die Machthaber darauf reagiert. "Auffällig ist, dass die Verlautbarungen meist den Bezug von Lebensmitteln, die Verdunkelung als Schutz vor Luftangriffen thematisierten", sagt Brzosa. Die Bevölkerung sollte sich trotz Krieg sicher und versorgt fühlen.

Darauf hatten die Nationalsozialisten mit den Aktionen des Reichsluftschutzbundes hingearbeitet. Er sollte die Bürger schulen, den Gefahren eines Luftangriffs zu begegnen. Neben dem disziplinierten Aufsuchen von Kellern und Schutzräumen bei Alarm gehörte auch die vollständige Verdunkelung dazu. Deshalb wurden auch ab 1939 die öffentlichen Martinszüge verboten, weil die tausenden Laternen der Kinder auf den Straßen feindlichen Bombern Orientierung bieten könnten, so Brzosa.

Unter dem Zwang, in einer NS-Organisation Mitglied zu werden, seien viele Bürger zum RLB gegangen, "weil die Mitgliedschaft dort gegenüber anderen NS-Organisationen das kleinste Übel war", erklärt Brzosa. Neben den Ausbildungsstunden habe es auch Treffen mit familiärem Charakter gegeben.

Straff organisiert waren zudem Hilfsdienste, die nach etwaigen Bombenangriffen eingesetzt werden sollten. In den einzelnen Vierteln waren Feuerwehr, Polizei, Mitglieder des RLB, Sanitätsdienste und technische Trupps zum Beheben von Bauschäden zusammengefasst. Zu Kriegsbeginn nahmen viele Bürger diese Übungen noch leicht, so Brzosa. Keiner habe sich damals vorstellen können, wie grausam gerade der Luftkrieg werden sollte.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort