Hochstaplerin vor Gericht Von erfundenen Grafen und Zwillingen

Düsseldorf · Wo keine Menschen sind, da erfindet sie welche. So entsteht flugs aus dem Nichts ein "Graf von Achenburg". Da dichtet sich die kinderlose Frau ruckzuck auch schon mal Zwillingstöchter an. Oder erfindet eine zusätzliche Mitarbeiterin ihres Büros.

 Wegen einer Einbruchsserie in Luxushotels muss sich eine Bande vor Gericht verantworten.

Wegen einer Einbruchsserie in Luxushotels muss sich eine Bande vor Gericht verantworten.

Foto: rpo/ms

An Fantasie mangelt es einer 46-jährigen Kleinunternehmerin nicht. Fassungslos hörten das gestern die Richter am Düsseldorfer Landgericht im Prozess gegen die Frau. Mehrfach vorbestraft als Hochstaplerin, hatte die 46-Jährige für ihr jüngstes Gaunerstück vom Neusser Amtsgericht nämlich eine Haftstrafe erhalten: Sechs Monate ohne Bewährung. In der Berufung versuchte sie gestern, ein milderes Urteil zu erreichen. Doch vergebens. "Ich möchte einfach wieder Fuß fassen." Kleinlaut, mit hängenden Schultern und scheuen Seitenblicken zum Richtertisch trat die geschiedene Frau gestern als Büßerin auf - aber als Büßerin mit hochtrabenden Perspektiven!

Verhaltenskodex geplant

So plane sie inzwischen ja große Projekte, biete Seminare an zur "Einführung in die Selbstständigkeit" oder auch zum "Verhaltenkodex in der Geschäftswelt". Projekte, die durch eine schnöde Haftstrafe gefährdet, wenn nicht gestorben wären. Reaktion des Staatsanwalts: "Für mich sind Sie nur eine Hochstaplerin."

Erfolgreich verwies der Ankläger auf das Vorstrafenregister der Frau: Seit 1998 vier Verurteilungen wegen Urkundenfälschung, Untreue, Diebstahls. Und zuletzt war sie in Neuss eben zu jener Haftstrafe verurteilt worden, weil sie sich als "Haushälterin des Grafen von Achenburg" ein Laptop für 900Euro erschwindelt, aber nicht bezahlt hatte. Dabei war der Graf eine Totalerfindung, ebenso wie ihre Zwillingstöchter, für die sie früher mal hochwertige Elektronik bestellt hatte. Oder eine Mitarbeiterin in ihrem Büro, für die sie sich 1200 Euro "Eingliederungszuschuss" ergaunert haben soll. Wegen dieser Tat läuft beim Amtsgericht Detmold parallel noch ein weiteres Verfahren gegen sie.

Staatsanwalt: "Wenig seriös"

Argumente, warum die Frau für ihren Laptop-Schwindel jetzt doch noch mal eine Bewährungs-Chance erhalten sollte, drängten sich dem Gericht gestern also nicht auf. Zumal die 46-Jährige für ihre neuen Zukunftsprojekte keinen einzigen konkreten Beleg liefern konnte. Dass sie "trotz ihrer Vorstrafen noch anderen Leuten Verhaltensregeln gibt", fand der Staatsanwalt sogar eher "weniger seriös". So hatte die Angeklagte zuletzt gar mit einem "Kinder-Knigge" Schlagzeilen gemacht.

Statt Bewunderung erntete sie dafür gestern beim Landgericht aber nur Skepsis. Und einen Tipp des Vorsitzenden: Sie möge ihren Protest gegen die Haftstrafe zurückziehen, die sechs Monate plus eine frühere Strafe von einem Jahr einfach absitzen - und damit "endlich einen klaren Schnitt" machen. Wenn sie denn ihr zuvor kriminelles Leben inzwischen wirklich so bereut. Nach Beratung mit ihrem Anwalt folgte sie diesem Rat und akzeptierte die Haftstrafe. Ganz kleinlaut, mit hängenden Schultern.

(RP)
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