US-Generalkonsul in Düsseldorf „Deutsch hat mir das Leben gerettet“

Düsseldorf · Der in Düsseldorf tätige US-Generalkonsul Michal. R. Keller hängt den diplomatischen Dienst an den Nagel und zieht zurück in die Staaten.

 26 Jahre war Michael R. Keller Diplomat. NRW ist sein liebstes Bundesland.

26 Jahre war Michael R. Keller Diplomat. NRW ist sein liebstes Bundesland.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Die Wand hinter seinem Schreibtisch ist schon leer. Da, wo Michal R. Keller seine liebevoll gerahmten Flohmarktfunde aufgehängt hatte, stecken nur noch ein paar Nägel im Putz. Nach drei Jahren in Düsseldorf endet in wenigen Tagen Kellers Amtszeit – in vieler Hinsicht, so betont er, für ihn ein sehr persönlicher Einschnitt.

Herr Keller, immer wieder Abschied nehmen, das ist das Los eines Diplomaten. Bekommt man darin irgendwann Routine?

Keller Leider nein, überhaupt nicht! Es ist jedes Mal schwer und dieses Mal ganz besonders, denn ich werde nicht nur den Wohnort wechseln, sondern den diplomatischen Dienst ganz an den Nagel hängen, nach 26 Jahren.

Keine Lust mehr?

Keller Nein, das ist es nicht. Es sind vor allem gesundheitliche Gründe, die mich dazu bewogen haben. Vor zwei Jahren bin ich völlig überraschend schwer erkrankt. Zuerst war der Verdacht: Krebs. Ich hatte mich schon darauf eingestellt, dass ich nicht mehr lange zu leben hätte. Doch dann hatte ein Arzt an der Uniklinik Düsseldorf zum Glück die richtige Vermutung: Es handelte sich in Wirklichkeit um eine sehr seltene Erkrankung der Speiseröhre. Heute geht es mir schon viel besser, aber ganz überwunden habe ich die Folgen leider noch nicht. Und der zweite wichtige Grund ist meine Familie. Meine Frau hat einfach keine Lust mehr, alle drei Jahre umzuziehen. Sie hat vor zwei Monaten ihre Mutter verloren, ihr Vater ist schon seit zwei Jahren tot. Sie ist ein Einzelkind und hat jetzt nur noch uns als Familie. Und die soll jetzt endlich zur Ruhe kommen.

Wo werden Sie künftig leben, was werden sie machen?

Keller Wir ziehen nach Virginia. Wir haben dort in Charlottesville im letzten Sommer ein tolles Haus gefunden, gar nicht weit entfernt von dem Ort, wo ich als Kind aufgewachsen bin. Meine Tochter und der ältere meiner beiden Söhne werden dann an der US-Ostküste auf die Universität gehen, mein jüngster Sohn muss noch die High School fertigmachen. Und ich? Ich werde viel lesen, schreiben lernen. Und vielleicht auch unterrichten, zum Beispiel Deutsch – aber nur für junge Studentinnen, damit ziehe ich meine Frau immer gerne auf (lacht). Und reisen werden wir auch, da gibt es nämlich viel Nachholbedarf. Ich habe zwar auf fünf Kontinenten gelebt und gearbeitet, aber ich hatte nie Zeit, mir zum Beispiel Mexiko anzuschauen oder Kanada.

Deutschland kennen Sie aber sehr gut…

Keller Besser als jedes andere Land außerhalb der USA! Deutschland ist für mich seit 37 Jahren eine zweite Heimat, eine Herzensangelegenheit. Damals, Anfang der 80er Jahre, kam ich für ein paar Monate als Gastschüler nach München. Und da hat es schon gefunkt zwischen mir und Deutschland. Für mich waren diese drei Jahre hier in Düsseldorf deswegen auch etwas ganz Persönliches. Meine Zeit hier war unglaublich intensiv.

Was werden Sie vermissen?

Keller Das mag jetzt komisch klingen, aber vor allem wird es mir fehlen, jeden Tag Deutsch zu sprechen. Ich fand es sehr schwer, diese Sprache zu lernen. Das war für mich eine riesige Herausforderung, aber ich habe mein Leben lang davon profitiert, Deutsch zu können. Es hat mich im Übrigen auch auf die Idee gebracht, Diplomat zu werden und eines Tages in Deutschland zu arbeiten. Den Posten in Düsseldorf hätte ich wahrscheinlich ohne meine große Nähe zu Deutschland auch nie bekommen, denn da gibt es immer sehr viele Bewerber. Und am Ende hat mir die Tatsache, dass ich direkt mit den deutschen Ärzten sprechen konnte, wahrscheinlich sogar das Leben gerettet. Für mich schließt sich damit irgendwie ein Kreis, der vor fast vier Jahrzehnten seinen Anfang genommen hat.

Können Sie beschreiben, wie sich Deutschland verändert hat?

Keller Aus meiner Sicht ist den Deutschen heute viel stärker bewusst als vor 30 Jahren, wie stark ihr Land durch Einwanderung geprägt ist. Ich bin immer wieder überrascht, wie oft ich Englisch auf der Straße höre und dazu noch viele andere Sprachen. Auch wenn mir natürlich klar ist, dass längst nicht alle das positiv sehen. Das ist übrigens genau wie bei uns in den USA: Einigen Leuten geht diese Entwicklung zu schnell, sie fühlen sich überfordert und reagieren mit scharfer Ablehnung. Und was sich auch geändert hat: Deutschland ist politisch erwachsen geworden, es spielt in der Welt heute eine ganz andere Rolle als noch im Kalten Krieg. Das bedeutet aber auch größere Verantwortung, und das ist eben häufig sehr unbequem…

Wo bleibt Deutschland aus ihrer Sicht unter seinen Möglichkeiten?

Keller Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig in der deutschen Politik strategisch debattiert wird. Also die Frage: Wie bewahren wir das, was uns wirklich wichtig ist? Man hat sich, so finde ich, daran gewöhnt, die Probleme so lange wie möglich wegzuschieben. Dabei hat Deutschland doch eine tolle Bilanz vorzuweisen – was übrigens auch für Nordrhein-Westfalen gilt. Ich war glücklich, dass ich gerade hierher versetzt wurde, denn ich halte NRW für das spannendste aller Bundesländer. Nur weiß das da draußen kaum einer! NRW tut sich sehr schwer, sich zu vermarkten. Es wird zwar sehr viel von Zukunft geredet, aber häufig bleibt es leider bei leeren Sprechblasen.

Donald Trump ist in Deutschland der unpopulärste US-Präsident aller Zeiten, es gibt viel Streit zwischen Berlin und Washington. Was bedeutet das für einen Diplomaten?

Keller Man hat, ehrlich gesagt, Mühe hinterherzukommen. Ständig hagelt es neue Schlagzeilen, ständig neue Twitter-Nachrichten. Aber Tweets sind keine Politik! Es ist unheimlich hektisch geworden, aufgeregt und unberechenbar. Und ich habe den Eindruck, dass viele Leute auch unheimlich reizbar geworden sind. Damit umzugehen ist nicht immer einfach. Das Positive ist: Das Interesse an den USA ist in den letzten drei Jahren stark gewachsen. Viele Deutsche haben geglaubt, Amerika zu kennen, weil sie einmal in Florida Urlaub gemacht haben oder einen Städtetrip nach San Francisco. Aber das ist eben nur ein Teil der Wirklichkeit.

Müssen wir uns darauf einrichten, dass das Verhältnis zu den USA so konfliktbeladen bleibt?

Keller Politik ist immer auch eine Momentaufnahme, und man kann sie ändern. Aber die abgrundtiefe Unzufriedenheit vieler Amerikaner mit ihren Politikern, die wird sicherlich nicht von heute auf morgen verschwinden. Sie haben Donald Trump vor allem zum Präsidenten gewählt, damit sich die Dinge ändern. Aber ich bin sicher, dass man auch diese Amerikaner schnell davon überzeugen kann, wie unverzichtbar die Beziehungen zwischen Europa und den USA sind: 13 Millionen Arbeitsplätze hängen auf beiden Seiten des Atlantiks daran; allein deutsche Unternehmen haben in den USA 700.000 Jobs geschaffen. Das sind stabile Fundamente. Ich will den gegenwärtigen Streit überhaupt nicht kleinreden, aber politische Konflikte zwischen den Regierungen sind heute weit weniger bedrohlich für unser Verhältnis als noch vor 30 Jahren, davon bin ich fest überzeugt.

Also einfach Abwarten und Tee trinken?

Keller Nein, miteinander reden! Ich glaube, sowohl in den USA wie in Deutschland haben sich viele Leute abgewandt von der Politik, weil sie sich und ihre Sorgen nicht ernstgenommen sahen. Ich habe in meiner Zeit hier immer versucht, nicht nur zu erklären, sondern auch zuzuhören. Die Leute mit diplomatischen Floskeln abzuspeisen, das wäre in dieser Situation völlig verkehrt.

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