Kolumne Auf Ein Wort Urlaub - Zeit, die eigenen Ziele zu erkennen

Düsseldorf · Der Kinosaal war nur spärlich besetzt. Zwei Reihen hinter mir unterhielten sich zwei Frauen über den offenbar unmittelbar bevorstehenden Urlaub. In ein Hotel ohne Kinder fahre sie, in ein kinderfreies Hotel. Ich war überrascht. Zu Hause stellte ich fest: Das gab es tatsächlich. Und auch die Diskussion darüber im Netz, für wie korrekt man das denn zu halten habe. - Klar, man gestaltet sich den Urlaub ganz nach den eigenen Wünschen. Vielleicht ist er für manche sogar die Zeit, das zu verwirklichen, was man sich erträumt, was aber im Alltag nicht möglich ist. Die Urlaubsplanung wäre ein geeigneter Moment, darüber nachzusinnen, was man eigentlich anstrebt, ob man überhaupt noch strebt oder gar mit sich und seinem Leben im Reinen ist.

Der evangelische Kirchentag 2013 stand unter der Losung: "So viel du brauchst." Im Buch Exodus, Kapitel 16, wird berichtet, dass Gott die Israeliten in der Wüste mit Nahrung versorgt und jeder sich so viel davon nehmen kann, wie er braucht. Nun gelang es schon nicht allen, die rechte Menge zu bestimmen. Nicht auszudenken, wenn sie noch eine Auswahl hätten treffen sollen. Es kann schwer sein, die individuellen Bedürfnisse überhaupt zu erkennen, zu erspüren. Es ist eine wirkliche Aufgabe, eine Lebensaufgabe.

Ein Vorbild sind mir Schüler, die sich dieser Aufgabe stellen, z. B. im Hinblick auf die Berufswahl, bei der Frage nach der für sie stimmigen Lebensform, nach der Gestaltung des Lebensraums, beim Umgang mit ethischen Fragestellungen, mit denen sie im Berufs- und Sozialpraktikum konfrontiert werden. Sie setzen Zeit und Kraft ein herauszufinden, was sie brauchen, was für sie "richtig" ist, was "passt". Sie lassen sich sehr wohl anrühren von den weiterhin ungelösten Aufgaben der Weltgemeinschaft. Sie haben Ideen und Selbstvertrauen. Nicht wenige machen nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr in Deutschland, arbeiten weltweit in Sozialstationen oder teilen das einfache Leben der Bevölkerung. Natürlich, sie sind jung. Na und? Als ob Alter aus der Verantwortung entlässt, oder gar die Gewohnheit. Nein, wer die Verantwortung der Entscheidung annimmt, hat es nicht leicht. Keiner.

Und deshalb wünsche ich Ihnen den Urlaub, den Sie brauchen, um mit Freude wieder in den Alltag zurückzukehren mit Ideen, diesen Alltag so zu gestalten, dass sie ihn gerne leben, und mit der Kraft, sie zu verwirklichen.

JOHANNES WIRTHMÜLLER IST SCHULSEELSORGER AM ERZBISCHÖFLICHEN SUITBERTUS-GYMNASIUM.

(RP)
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