Diskussion um Überstunden der Feuerwehr Düsseldorf "Unser Fehler war unsere Fairness"

Düsseldorf · Seit 1996 machen die Düsseldorfer Feuerwehrleute Überstunden. Die Stadt weigert sich einen Großteil davon zu bezahlen, weil die Beantragung verjährt wäre. Im Interview wehren sich die Personalräte der Feuerwehr Thorsten Fuchs und Ingo Spiegel gegen Vorwürfe.

 Ingo Spiegel (links) und Torsten Fuchs sind seit rund fünf Jahren im Personalrat der Feuerwehr.

Ingo Spiegel (links) und Torsten Fuchs sind seit rund fünf Jahren im Personalrat der Feuerwehr.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Seit 1996 gibt es die EU-Vorgabe einer 48-Stunden-Woche für die Berufsfeuerwehr, die aber 54 Wochenstunden arbeitet. Der Stadt war die Diskrepanz bekannt. Doch weil kaum ein Feuerwehrmann die Bezahlung der Überstunden beantragte, beruft sich die Verwaltung auf Verjährung. Die Personalräte Thorsten Fuchs und Ingo Spiegel wehren sich im Interview mit Stefani Geilhausen gegen den Vorwurf, zu spät gehandelt zu haben.

Wenn die Stadt 2001 die Neuregelung kennen musste - warum kannten dann die Feuerwehrleute sie nicht?

Thorsten Fuchs So richtig zum Thema wurde das für uns erst mit einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster im Jahr 2009. Da waren wir gerade ein Jahr im Amt.

Aber Sie wussten doch, dass sie sechs Stunden länger arbeiteten, als in der EU-Richtlinie vorgesehen?

Ingo Spiegel Auch nicht wirklich. Anfangs war nicht einmal klar, ob die Feuerwehr unter den Katastrophenschutz fällt, der auch weiterhin 54 Wochenstunden leistet. Da fehlte jede Rechtsgrundlage.

Aber ein paar Anträge gab es dann doch schon 2001.

Fuchs Ja. Die Gewerkschaften hatten damals pauschal an alle Mitglieder Formulare verschickt, die bei uns dann 27 Leute eingereicht haben. Als das dann abgelehnt wurde, haben die anderen erst gar nicht mehr den Versuch gemacht.

2007 trat die neue Arbeitszeitregelung in Kraft, nach der die Feuerwehr freiwillig sechs bezahlte Überstunden pro Woche leistet. Spätestens da hätte auch bei der Feuerwehr auffallen müssen, dass sie diese Stunden seit Jahren ohne Bezahlung leisten. Warum kam dann kein Antrag?

Fuchs Weil keiner eine Diskussion starten wollte, an deren Ende wir vielleicht die 24-Stunden-Schichten verloren hätten. An Überstunden-Entgelte dachte da noch keiner.

Was wäre denn so schlimm gewesen, wenn die Feuerwehr auf drei Acht-Stunden-Schichten umgestellt hätte?

Spiegel Das ist nicht praktikabel für uns. Drei mal täglich Übergaben mit kompletten Geräteprüfungen - da sind weitere Überstunden programmiert. Und mitten in einem unserer 110 000 Rettungsdiensteinsätze im Jahr sind fliegende Schichtwechsel auch nicht möglich, von einem Großbrand gar nicht erst zu reden.

Fuchs Außerdem geht so ein Dreischicht-System an die Substanz. Das macht auch anfällig. Und wir haben immerhin den niedrigsten Krankenstand der Stadtverwaltung. Zudem ist der 24-Stunden-Dienst sehr beliebt bei den Feuerwehrleuten, die vielfach nicht in Düsseldorf wohnen. Und Zufriedenheit am Arbeitsplatz spiegelt sich immer in der Einsatzbereitschaft, sogar, wenn man eigentlich dienstfrei hat.

Und um diese 24-Stunden-Dienste nicht in Frage zu stellen, haben die Feuerwehrleute also damals erst gar nicht nach den Stunden gefragt.

Fuchs Ja. Und die meisten haben ihrem Dienstherrn vertraut, dass also die Stadt eine Lösung finden werde. Denn da war jedem klar, dass es diese Überstunden gab. Da verlässt man sich auf die Verwaltung.

Die Komba-Gewerkschaft klagte mit einem Berufsfeuerwehrmann aus einer anderen Stadt unterdessen die Forderung bis zum Oberverwaltungsgericht durch.

Fuchs Und mit diesem Urteil ist uns im noch jungen Personalrat klar geworden, dass es da tatsächlich Ansprüche gibt. Die haben wir dann dem damaligen Personaldezernenten vorgetragen, der sich dann sofort auf die Verjährung berief. Wir haben dann argumentiert, dass die Stadt eine moralische Verpflichtung hat. Aber Moral zählt in der Stadtspitze offenbar nichts.

Spiegel Man muss auch sehen, dass es um Feuerwehrleute geht. Die haben ihren Job gemacht. Das sind keine Beamtenrechtler. Die verlassen sich auf ihren Dienstherrn.

Danach haben Sie dann zumindest für die noch nicht verjährten Stunden 2006 einen Antrag gestellt. Fuchs Die wir nun in zwei Raten bekommen. Wir haben uns auf diesen Kompromiss eingelassen, weil sonst jeder einzelne Feuerwehrmann hätte klagen müssen. Und dann hätte es noch länger gedauert.

Spiegel Aber in anderen Städten einigte man sich auch auf die Zahlung der Stunden aus 2001 bis 2005. Das macht unsere Kollegen verbittert. Von uns erwartet man mit Recht eine hohe Arbeitsmoral. Aber uns versagt die Stadtspitze die Anerkennung eines moralischen Anspruchs.

Hatten Sie denn den Eindruck, die Stadt spiele bei den Gesprächen um die Überstunden auf Zeit? Fuchs Ja. Wir haben immer wieder Gespräche geführt, dann wollte man aber immer noch einen Gerichtsentscheid abwarten, bis schließlich 2012 all unsere Ansprüche bestätigt wurden - aber verjährt waren.

Wie geht es jetzt weiter?

Fuchs Wir wünschen uns ein Gespräch mit dem OB auf Augenhöhe. Wir wollen der Stadt ja nicht schaden, haben selbst schon Vorschläge gemacht, wie man sich vergleichen könnte, haben etat-freundliche Stundungen angeboten. Aber uns will niemand auch nur anhören. Unser Fehler war unsere Fairness. Wir wollten nicht, wie anderswo, Demos und Provokationen, sondern professionelle und faire Verhandlungen Damit hatten wir keinen Erfolg.

Müssen wir also nun mit Feuerwehr-Demonstrationen rechnen?

Spiegel Zumindest werden wir sie nicht mehr verhindern können. Bislang haben wir die Kollegen noch um Verständnis gebeten.

(jco)
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