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Düsseldorf Uniklinik will Gewalt in Pflege verhindern

Düsseldorf · Jeder zehnte pflegebedürftige Mensch wird Opfer von Gewalt, Missbrauch oder Vernachlässigung. Mit zwölf ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen will die Uniklinik das ändern und startet ein Projekt zur Prävention.

 Auch im Fernsehen wurden Fälle von Gewalt in der Pflege aufgedeckt.

Auch im Fernsehen wurden Fälle von Gewalt in der Pflege aufgedeckt.

Foto: Screenshot radio Bremen

Die Arbeit von Stefanie Ritz-Timme beginnt oft erst dann, wenn es zu spät ist. Die Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin an der Uniklinik hat schon viele ältere, pflegebedürftige Menschen gesehen und untersucht, die Opfer von Gewalt wurden. Sie wurden von ihren Pflegern gefesselt und geschlagen, waren unterernährt und in Sachen Hygiene sich selbst überlassen.

Stefanie Ritz-Timme und ihr Team möchten das ändern: Mit zwölf ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen in Düsseldorf haben sie nun das vom Landesgesundheitsministerium unterstützte Projekt "Prävention von Gewalt in der Pflege" gestartet. Das Projekt will ein Konzept für die Arbeit in der Pflege entwickeln.

Denn trotz wissenschaftlicher Arbeiten und daraus resultierender Handlungsempfehlungen habe sich das Problem von Gewalt in der Pflege nicht verringert, sagt Ritz-Timme. Die Theorie ist in der Praxis bisher nicht angekommen. Jeder zehnte Pflegebedürftige wird Opfer von Gewalt. Und angesichts der Überalterung der Gesellschaft wird sich die Situation verschärfen. "Auf wissenschaftlicher Basis ein praxistaugliches Konzept zu erarbeiten und Pflegenden konkrete Verfahrensweisen und Instrumente zur Verfügung zu stellen", sei deswegen so wichtig, sagt Ritz-Timme.

"Was viele nicht wissen: Ganz normale Pflege kann von Pflegebedürftigen auch als Gewalt empfunden werden", sagte Gesundheitsministerin Barbara Steffens zum Auftakt des Projekts. Es solle deshalb dabei helfen, "die Lebensumstände und den biografischen Kontext des einzelnen pflegebedürftigen Menschen künftig besser zu berücksichtigen und die Pflegenden durch praktische Empfehlungen zu unterstützen. Wichtig ist, dass wir alle Beteiligten für diese Themen noch viel stärker sensibilisieren", sagte Steffens.

Um den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis sicherzustellen, werden das Team der Uniklinik und ein Team aus Experten unterschiedlicher Fachbereiche ein Jahr lang die zwölf Einrichtungen in Düsseldorf bei der Betreuung von Pflegebedürftigen begleiten und mit ihnen gemeinsam ein Konzept erarbeiten, um Gewalt in der Pflege zu verhindern. Wichtig sei es, eine "Kultur der Offenheit" in den Einrichtungen zu schaffen. Pflegende, die das Gefühl der Überforderung haben — etwa aufgrund einer viel zu großen Arbeitsbelastung — und feststellen, dass sie einen Pflegebedürftigen härter behandeln als notwendig, müssten Ansprechpartner haben, an die sie sich vertrauensvoll wenden können, sagt Ritz-Timme.

Zudem müsse darüber gesprochen werden, dass es auch "umgekehrte Fälle von Gewalt" gebe — Fälle, in denen die Gewalt von Pflegebedürftigen auf Pflegende ausgeht. Zum Beispiel würden einige Demenz-Kranke zu Aggression und Gewaltbereitschaft tendieren. Wie soll man als Pflegemitarbeiter in solchen Fällen umgehen? Auch dafür sollen konkrete Hilfestellungen erarbeitet werden.

Ein konkretes Verhaltensprozedere für den Verdachtsfall zu entwickelt, sei eine weitere Aufgabe, um die man sich kümmern will. Wichtig seien Strukturen, die Offenheit und Sicherheit vermitteln. Wie und wo das möglich ist, will das Team der Uniklinik gemeinsam mit den Pflegekräften erarbeiten. Denn wenn Mitarbeiter etwa nicht wissen, wie sie sich beim Verdacht von Gewalt, Missbrauch oder Vernachlässigung in der Pflegeeinrichtung verhalten sollen, könne es dazu kommen, dass der Fall verschwiegen und nicht aufgearbeitet wird.

Die Frage, was in der Praxis präventiv wirkt und was die Herausforderungen in der Pflege sind, können wir nur im Austausch mit den Einrichtungen erfahren", so Ritz-Timme. Es geht darum, im bestehenden System praktikable Lösungen zu finden, statt schlicht das System zu ändern.

(RP)
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