Denkmäler in Düsseldorf Uhrenturm wird in neue Hände übergeben

Düsseldorf · Die Hermann-Harry-Schmitz-Societät löst sich altersbedingt auf, die Bürgergesellschaft Alde Düsseldorf tritt dafür in den Pachtvertrag mit der Stadt ein.

Der denkmalgeschützte Uhrenturm an der Grafenberger Allee wurde 1904 nach den Plänen von Hermann von Endt gebaut.

Der denkmalgeschützte Uhrenturm an der Grafenberger Allee wurde 1904 nach den Plänen von Hermann von Endt gebaut.

Foto: Marc Ingel

Düsseldorf muss sich von einer wahrhaft absurden Institution verabschieden: Die Hermann-Harry-Schmitz-Societät löst sich auf, inoffiziell am Montag, 33 Jahre nachdem sie in einer Kneipe auf dem Bierdeckel gegründet wurde, und das wird sogar gefeiert. Das hat Parallelen zum Ableben des namensgebenden Autors grotesker Erzählungen, „denn Schmitz hat sich ja mit 33 Jahren erschossen“, sagt der scheidende Ehrenpräsident Klaus Lehmann. Das klingt nach schwarzem Humor, soll es auch sein, denn nichts lag Hermann Harry näher.

Eine Sache jedoch betrachtet Lehmann ganz nüchtern: Der Uhrenturm an der Grafenberger Allee, seit 1995 das Domizil der Societät und gleichzeitig Hermann-Harry-Schmitz-Museum, wird in neue Hände übergeben: Die Bürgergesellschaft Alde Düsseldorfer tritt in den Pachtvertrag ein, will ab dem neuen Jahr natürlich eigene Akzent setzen, die museale Nutzung aber erhalten und auch die Öffentlichkeit aus dem Denkmal nicht fernhalten, wie Baas Rolf Lenz betont.

Der Uhrenturm war früher das Torwärterhaus der 1874 gegründeten Maschinenbaufabrik Haniel & Lueg. Als die (zumindest heute so genannte) Agentur für Arbeit Ende der 1980er-Jahre an dem Standort alles abreißen und neu bauen wollte, wurde der Uhrenturm schnell noch unter Denkmalschutz gestellt, verkam aber zusehends zum Taubenhaus – bis die Literaten kamen, die eine sechsstellige Summe zusammenkratzten, um den von der Stadt pachtfrei überlassenen Turm kernzusanieren und zum kleinsten Kulturinstitut der Stadt auszubauen. Fortan gab es immer dann skurrile Lesungen, absonderliche Ausstellungen und zwanglose Treffen in und vor dem Turm, wenn sonst nichts los war in Düsseldorf – nämlich montags. „Es kamen oft bis zu 99 Leute“, sagt Lehmann augenzwinkernd, „wir haben ja nur eine Toilette“. Fotos, Devotionalien und natürlich Literatur von Hermann Harry Schmitz wurden sukzessive angeschafft und das Denkmal so zu einer kleinen Gedenkstätte an den ebenso radikalen wie surrealen Lesestoff produzierenden Sohn eines Fabrikdirektors ausstaffiert.

Damit ist nun Schluss, „man soll aufhören, wenn es am schönsten ist“, sagt Lehmann. Aber natürlich gibt es auch einen ganz profanen Grund für die Auflösung der Societät. „Wir sind komplett überaltert, alle jenseits der 70, und Nachwuchs ist nicht wirklich in Sicht“, erzählt der Ehrenpräsident, der zudem lange eine treibende Kraft des Düsseldorfer Bücherbummels war. Das ausbleibende Publikum durch Corona hat dem Institut dann so ein wenig den Todesstoß versetzt, und so sah man sich nach einem Nachfolger um, denn der Uhrenturm sollte ja weiter bestehen.

„Wir haben uns immer wieder mal gegenseitig eingeladen, es bestand ein loser, aber guter Kontakt“, erzählt Rolf Lenz von den Annäherungen zwischen Alde Düsseldorfern und Societät. Die Beziehung war schon deswegen keine schlechte, „weil die Bürgergesellschaft genauso subventionsresistent ist wie wir“, betont Lehmann, der dann einfach mal frei heraus den Baas mit der Frage konfrontierte: Wollt ihr nicht? „Die Alde Düsseldorfer sind eigentlich mehr als 100 Jahre ohne Geschäftsstelle ausgekommen. Aber zwei Wochen später haben wir uns doch dazu entschlossen, denn dieses kulturelle Kleinod darf nicht schließen“, erklärt Lenz.

 Schlüsselübergabe: Klaus Lehmann (l.) und Rolf Lenz.

Schlüsselübergabe: Klaus Lehmann (l.) und Rolf Lenz.

Foto: Marc Ingel

Die Bürgergesellschaft will fortan ihre Vorstandssitzungen in dem Turm abhalten und dort kleinere Ausstellungen durchführen, fünf Termine sind schon fix, „dann müssen wir einen Teil des Bestandes kurz einlagern, prinzipiell soll das Museum aber unangetastet bleiben“, sagt Lenz. Der Turm entspricht ganz dem Selbstverständnis des Vereins, „nichts Pompöses, wir brauchen keine Profilierung nach außen“, sagt der Baas. Weiterhin den Montag zu öffnen, hat auch in seinen Augen durchaus Charme, der Verein ist außerdem extern auf der Suche nach einem ehrenamtlichen Kurator, der sich um die Erhaltung kümmert. Die Teilnahme am Tag des Offenen Denkmals 2023 ist ebenfalls bereits gesichert. „Da kamen in der Vergangenheit gerne mal über den Tag verteilt 300 Menschen und mehr“, sagt Lehmann. 

Hermann Harry Schmitz wird auch nach der Auflösung der Societät in den Köpfen vieler weiterleben. Auch wenn es der „Dandy vom Rhein“, der trotz seiner schonungslosen und auf die Spitze getriebenen Gesellschaftsanalysen zum Liebling des feinen Düsseldorf wurde, es mit Sicherheit nicht schafft, den von ihm verehrten Heinrich Heine vom literarischen Thron zu stoßen.

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