Düsseldorf Traditionskneipe "Spinnstube" schließt

Düsseldorf · Die Kneipe an der Wallstraße muss zum 31. Dezember schließen. Gestern konnte man das Inventar kaufen.

 Die kupferfarbene Wanduhr ist nicht zu verkaufen – diese haben die Besitzer der "Spinnstube" von einer Freundin geschenkt bekommen.

Die kupferfarbene Wanduhr ist nicht zu verkaufen – diese haben die Besitzer der "Spinnstube" von einer Freundin geschenkt bekommen.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Aus den Musikboxen dröhnt der Stimmungs-Kracher "Lebt denn der alte Holzmichl noch". Rosi Schabbach hat sich ein Pils bestellt. Eigentlich müsste sie heute noch viele andere Dinge erledigen, eine Freundin im Krankenhaus besuchen zum Beispiel. "Aber in der ,Spinnstube' musste ich noch mal vorbeischauen", sagt die Düsseldorferin. Schließlich ist heute Flohmarkt: Das Mobiliar ihrer Stammkneipe wird verkauft. An einigen Gegenständen klebt bereits ein Zettel mit einem roten "X", das bedeutet: verkauft.

Nicht zu haben ist die kupferfarbene Wanduhr, die einem gleich ins Auge sticht. "Die geht zurück an eine Freundin, die früher im ,Wilddieb' gearbeitet hat. Sie wollte die Uhr nicht mehr, da sie kaputt war, und Rainer hat sie repariert", erzählt Wirtin Helga, die sich hier nur beim Vornamen nennen lässt. Ihr gehört die "Spinnstube" zusammen mit ihrem Partner Rainer Braun.

Stammgast Rosi ist in dem Haus gegenüber der Kneipe aufgewachsen. "An Silvester saßen wir hier noch mit acht Mann und haben gefeiert", sagt sie und zeigt in die Ecke, in der ein großer runder Tisch steht. Eine weiße Stoff-Tischdecke mit roten Herzen liegt darauf. In diesem Jahr wird es keine Silvesterfeier in der "Spinnstube" geben, und auch Karneval fällt hier aus. Denn der Pachtvertrag der Kneipe wurde nicht verlängert: Eine Woche läuft der Betrieb noch, danach muss bis zum 31. Dezember alles raus.

Im April hatte Rainer Braun den Vertrag verlängern wollen – doch da waren die Räume schon anderweitig vermietet. Vor zehn Jahren hatte Braun die Kneipe zusammen mit seiner Partnerin übernommen. Sie nun abzugeben, fällt ihm schwer. "Natürlich habe ich versucht, über den Rechtsweg dagegen vorzugehen", sagt Braun. Doch eine Chance habe er nicht gehabt. Er ist sauer und nicht gut drauf in diesen Tagen. Helga ergänzt: "Es ist eine Schande. Hätten wir die Mieten nicht gezahlt, dann hätte es einen Grund gegeben, uns rauszuschmeißen. Aber wir haben uns nichts zu Schulden kommen lassen."

Ihre Stimme klingt heiser, die vergangenen Tage waren stressig. "Seitdem am Mittwoch bekanntgegeben wurde, dass wir schließen, ist es jeden Abend so voll, dass man nicht umkippen könnte, selbst wenn man wollte", sagt sie. Einige Stammgäste hätten geweint, als sie von der Schließung erfahren haben. Zum ersten Januar zieht die Café-Kette "Woyton", die seit 1999 eines ihrer Cafés an der Mittelstraße hat, in die Räume der Kneipe um.

Rainer Braun holt eine Flasche in einem Eis-Klotz aus dem Gefrierfach. Den eisgekühlten Kräuterschnaps gibt es in der "Spinnstube" aus dem Blei-Löffel, dafür ist die Kneipe bekannt. Ein Stammgast kauft vier Löffel zur Erinnerung.

Aber nicht nur den Löffel-Schnaps gibt es sonst nirgendwo in der Stadt. Auch die Inneneinrichtung ist etwas Besonderes: An der Decke hängt ein riesiges hölzernes Wagenrad, verziert mit Kunstrosen und Lichterketten, daneben ein großes, schwarzes Kunst-Spinnennetz. Im Kamin-Fernseher flackert das Feuer, und an den Wänden hängen Landschaftsmalereien von Helgas Vater.

Die Gäste der Kneipe sind sehr verschieden. Es kommen Junge, Alte, Musiker, Künstler und viele Messebesucher aus dem Ausland. Auf Facebook wurde die Gruppe "Rettet die Spinnstube" gegründet. Die 411 Mitglieder wollen sich mit den Besitzern der Traditionskneipe solidarisieren. Auch Rosi Schabbach ist traurig. "Mit der Schließung der Spinnstube stirbt ein Stück Tradition in Düsseldorf", sagt sie.

(RP)
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