RP testet Bergankunft in Düsseldorf Meine "Tour de Schmerz"

Düsseldorf · Die zweite Etappe der Frankreich-Rundfahrt 2017 startet in Düsseldorf, die erste Bergwertung ist am Grafenberg. Grund genug, die Fahneburgstraße auf die extreme Belastung vorzubereiten. Ein Selbstversuch auf zwei Rädern.

 Journalistenschüler Jan Dobrick hat die Bergankunft in Düsseldorf getestet.

Journalistenschüler Jan Dobrick hat die Bergankunft in Düsseldorf getestet.

Foto: Laura Ihme

Ich glaube, ich bin aus Pappe. Je mehr ich aufgeweicht werde, desto weniger bin ich zu gebrauchen. Es nieselt am Grafenberg, wo bei der Tour de France 2017 die ersten Punkte für die Bergwertung vergeben werden. Hier muss das Feld hoch, bevor es nach Erkrath, Mettmann und zurück nach Düsseldorf fährt. Ich radle die Fahneburgstraße rauf — bereite sie also auf die Belastung der Tour de France vor. Ich bin nicht gerade sportlich, um nicht zu sagen: unsportlich. Obwohl, doch, eher das, schon ziemlich unsportlich. Die paar Meter sollten reichen.

Die Strecke ist mein persönliches L'Alpe d'Huez. Der Wintersportort in den Alpen ist für seine Bergankunft bei der Tour de France berüchtigt, gefürchtet. Schon nach 20 Metern ist meine Welt nicht mehr so fabelhaft wie die von Amélie. Ich kämpfe mit stumpfen Waffen: die Radlerhose kneift, den Reifen fehlt Luft, der Sattel ist zu hoch eingestellt. Als würde ein Tyrannosaurus Rex auf einem Drahtesel durch die Stadt wackeln: Vollgefressen und mit viel zu kurzen Armen, um vernünftig an den Lenker zu kommen.

Ich trete mit Schmackes in die Pedale, kämpfe mich nach oben — im niedrigen Gang. Beinahe habe ich den Verdacht, die Wampe hat mich dick gemacht. Muss ganz schön viel Gewicht nach oben bewegen. Noch mehr, seit mir mein innerer Schweinehund auf der Schulter sitzt. "Du bist schlecht!", raunt er mir ins Ohr, als mich auf dem Gehweg ein Jogger überholt. Der ist aber auch drahtig, schlägt Haken wie ein Hase. Ich bin der Igel. So einer, den man am Straßenrand findet und aufpäppelt, weil er sonst den Winter nicht überlebt.

Der Schweinehund hat immer recht

Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Frühjahr erlebe. Traumwandlerisch unsicher überhole ich einen parkenden Seat. Immerhin. Bisher bin ich nur geradeaus gefahren. Gleich kommt die erste Kurve, ist gleichzeitig die letzte. Im Tour-de-France-Sprech: Ein schweres Teilstück ist geschafft! Ich kann die Ziellinie fast schmecken. "Du kannst kaum atmen, wie willst du denn schmecken?", faucht der Schweinehund und behält natürlich recht.

Ich fahre in die Kurve, suche die perfekte Linie, den kürzesten Weg. Auf dem Weg hinauf nach L'Alpe d'Huez stehen immer massig Fans am Seitenrand, tragen die Fahrer nach oben. Bei mir fühlt es sich so an, als hätte man mit der Peitsche meine Schenkel erwischt. Die Beine brennen. Ich höre auch lautes Gebrüll, aber da ruft ein Besitzer seinen Hund.

Der Grafenberg, mein Ziel, ist in Sichtweite. Jetzt kommt der Moment, in dem sich der erschöpfte Etappensieger ein letztes Mal umdreht, lächelt, die Arme ausbreitet und seine unbändige Freude über das famose Solo herausschreit. Bei mir hält sich die Freude über den Höllenritt in Grenzen, als ich über die Ziellinie auf den Parkplatz rolle. Ich stehe mitten im Walde, ganz still und stumm. Der Schweinehund ist verschwunden. Fühlt sich plötzlich ganz leicht an. Auch vom Hasen fehlt jede Spur. Ein Grinsen huscht über mein Gesicht. Ich bin der Igel. Und der Igel gewinnt immer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort