Interview "Tierschutz ist Charakterbildung"

Düsseldorf · Die neue Vorsitzende des Tierschutzvereins, Monika Piasetzky, über mangelndes Interesse der Politik am Tierschutz, über Motivation der Bürger, sich um Tiere zu kümmern, und über neue Projekte des Vereins.

 Monika Piasetzky wünscht sich „Katzenstreichler“, die regelmäßig Katzen im Tierheim besuchen.

Monika Piasetzky wünscht sich „Katzenstreichler“, die regelmäßig Katzen im Tierheim besuchen.

Foto: Bretz, Andreas

Frau Piasetzky, Sie haben den Vorsitz des Tierschutzvereins übernommen, sind Vorsitzende des Vereins Stadttiere und Organisatorin des Netzwerks für Senioren und Tiere. Gibt es jetzt in Düsseldorf ein Tierschutzkartell?

Piasetzky Nein. Es gibt in Düsseldorf viele Vereine, die sich um Tiere kümmern, ich nenne nur den Katzenschutzbund. Aber die Verzahnung des Tierschutzvereins und des Vereins Stadttiere ist aus meiner Sicht sinnvoll. Denn der Verein Stadttiere wurde gegründet, um das Problem der Tauben in der Stadt zu managen mit dem Bau und der Betreuung von Taubenschlägen. Das ist aber im Grunde eine Aufgabe des Tierschutzvereins.

Der Verein Stadttiere könnte also überflüssig werden?

Piasetzky Auf gar keinen Fall. Er verfügt inzwischen über ein Netzwerk von Düsseldorfern, die sich beispielsweise in Notlagen von Senioren um deren Tiere kümmert. Auch das Netzwerk für Senioren und Tiere könnte ohne die Kontakte des Vereins nicht bestehen. Aber es gibt Überschneidungen mit dem Tierschutzverein. So können bei Bedarf Tiere von Senioren für einige Zeit ins Tierheim kommen. Eine Kooperation zwischen möglichst vielen Vereinen ist nötig. Das Ziel muss mehr Tierschutz in der Stadt sein.

Wo liegen die Probleme des Tierschutzes?

Piasetzky Die Arbeit des Tierschutzvereins ist nicht transparent genug, Bürger müssen mehr Vertrauen in unsere Arbeit bekommen. Das Image, das der Verein mit seinem Tierheim nur die schwierigen Tiere betreut, die Probleme haben, trifft nicht den Kern. Denn den Tieren geht es dort besser als vorher. Aber wegen dieses Eindrucks halten sich Menschen auch zurück.

Möglicherweise haben Bürger aber generell kein Interesse.

Piasetzky Nach meiner Erfahrung haben Bürger Interesse an Tieren, aber sehen nur wenige Möglichkeiten, sich zu engagieren. Der Tierschutzverein muss deshalb Angebote machen.

Woran denken Sie?

Piasetzky Beispielsweise an eine Aktion Katzenstreichler — Düsseldorfer, die sich in der Wohnung keine Katze halten wollen, können eine Patenschaft über eine Katze im Tierheim übernehmen und sie regelmäßig besuchen. Und es gibt Gassi-Geher, die regelmäßig Hunde ausführen.

Gibt es weitere Projekt-Ideen?

Piasetzky Es könnte ein Tierschutzlehrer eingestellt werden, der Jugendlichen in Gruppen oder in Schulen Tierschutz nahebringt, etwa über Nutztiere, Tierhaltung und -transporte informiert oder klar macht, welches Tier zu welchem Menschen passt. Zudem muss die Rettung von verletzten Tieren besser koordiniert werden, damit Bürger wissen, an wen sie sich bei Problemen wenden können. Und nicht zuletzt soll das Tierheim erweitert werden. Das Katzenhaus soll größer werden und ein Kleintierhaus gebaut werden. Generell soll die gute und engagierte Arbeit der Tierpfleger durch Fortbildung optimiert werden. Ich habe als eine Vision das Ziel, Düsseldorfs Tierheim zu einem der besten in NRW zu machen.

Woher kommt der Ehrgeiz für den Tierschutz?

Piasetzky Ich sehe die Chance, etwas zu verändern, Missstände zu beheben. Beim Management für Tauben habe ich gelernt, dass mit der nötigen Ausdauer etwas verbessert werden kann.

Die Erfahrung, etwas zu verändern, ist auch auf anderen Gebieten nötig. Warum konzentrieren Sie sich auf Tierschutz?

Piasetzky Aus meiner ethischen Einstellung heraus bewegt mich der Schutz der Tiere. Menschen behandeln Tiere oft falsch, sie denken nur an sich und an ihre Bedürfnisse, aber nicht an das Wohlbefinden der Tiere und missachten damit Lebewesen.

Aber viele lassen doch ihrem Tier sehr viel Freiraum, auch wenn es andere Bürger stört — beispielsweise bei Hunden der Kot auf der Straße.

Piasetzky Ein Tierhalter ist nicht unbedingt ein Tierfreund. Wir müssen uns deshalb um die Menschen kümmern und ihnen klar machen, wie sie sich verhalten sollen. Sie müssen Bedürfnisse der Tiere beachten und gleichzeitig mit ihren Tieren rücksichtsvoll gegen Menschen sein, in diesem Fall auch den Kot aufsammeln. Rücksichtnahme und Einfühlungsvermögen sind wichtig. Zugespitzt gesagt: Tierschutz ist Charakterbildung.

Kann die ein Tierschutzverein überhaupt leisten?

Piasetzky Die Mitgliederzahl muss größer werden, damit die Ziele des Tierschutzes bekannter werden. Ein starker Verein hat mehr Gewicht und wird schneller gehört, die Inhalte der Arbeit sind leichter deutlich zu machen. Dazu gehört es auch, dass sich Bürger mit der Arbeit im Tierheim identifizieren und bei den Projekten mitmachen und dass es eine ansprechende, aktuelle Website für erste Informationen gibt. An ihr wird gearbeitet.

Bisher hat es der Verein aber nicht geschafft, dass Tierschutz in der politischen Diskussion eine größere Rolle spielt.

Piasetzky Leider halten sich die Politiker trotz wichtiger Probleme zurück. Dabei könnten sie über Themen über Tiere besser an die Menschen herankommen, weil viele Interesse an Tieren haben. Aber die Ablehnung zu solchen Themen herrscht vor.

Ein Beispiel?

Piasetzky Es ist nicht einzusehen, dass in Düsseldorf eine Kastrationspflicht für Katzen abgelehnt wird, wie sie in vielen anderen Städten üblich ist. Denn durch die Kastration kann der Nachwuchs von verwilderten Katzen verhindert werden.

Warum ist das nötig?

Piasetzky In Düsseldorf leben viele Tausend Katzen im Freien und verwildern. Sie sind nicht zu sehen, weil sie sich verstecken. Aber sie haben ein elendes Leben. Der Nachwuchs muss daher unterbunden werden. Der Tierschutzverein wird die Vorstöße andere Vereine wie dem Katzenschutzbund in dieser Sache unterstützen und wieder zur Sprache bringen.

Aber die Politik bremst nicht nur, der Bau von Taubenschlägen, um Tauben von der Straße zu holen, wird doch von der Politik unterstützt.

Piasetzky Das ist auch erfreulich. Aber dabei geht es der Politik in erster Linie um die Sauberkeit in der Stadt, um das Verringern des Taubenkots, und weniger um den Tierschutz und artgerechte Lebensbedingungen. Aber das Ergebnis ist gut. Vor allem die Stadtverwaltung trägt dazu bei und unterstützt unser Anliegen engagiert.

Ein Blick nach vorn: Wie muss eine tierfreundliche Stadt idealerweise aussehen?

Piasetzky Die Bewohner einer Stadt müssen die Ziele des Tierschutzes, die Rücksichtnahme und das Einfühlungsvermögen, unterstützen und sich dafür interessieren. Die Politiker könnten sich aufwerten, wenn sie wegen dieses Leitbildes, Tierschutz als Charakterbildung, diese Themen nicht verdrängen. Ich sehe dafür gerade in Düsseldorf gute Voraussetzungen, weil die Stadt weltoffen ist und mit ihrer rheinischen Art gesprächs- und kompromissbereit ist.

Michael Brockerhoff führte das Gespräch.

(RP/jco)
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