Film und Buch über die Artistenfamilie Thurano - ein Leben auf dem Drahtseil

Düsseldorf (dto). Zwei Finger und ein Drahtseil sind Begriffe, die scheinbar nicht zueinander gehören. Sich mit diesen zwei Fingern an dem Drahtseil hoch zu ziehen scheint beinahe unmöglich. Dass diese Finger aber einem 94-Jährigen gehören, offenbart die Kraft, die in diesem Mann immer noch steckt. Der Düsseldorfer Konrad Thurano ist der älteste noch aktive Artist auf der Welt und war auf allen Bühnen zu Hause. Diesem Ausnahme-Artisten hat der Fernsehsender arte einen Dokumentarfilm über sein Leben gewidmet. Bevor der Film im Fernsehen gesendet wird, wurde er im Apollo präsentiert. Thurano kam mit seiner Familie und zeigte sich nicht nur über den Film berührt, sondern auch über die Eingangsworte von Stefanie Koch, die jüngst seine Biografie geschrieben hat.

Konrad Thurano kam mit seiner Familie zur Filmvorführung
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Konrad Thurano kam mit seiner Familie zur Filmvorführung

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Das leise Schmunzeln, das Ziehen im Herzen, das Lachen und Staunen — Konrad Thurano umwickelt alle mit seinem Charme. 1909 in Düsseldorf geboren, und mit 15 Jahren in einem Strandbad am Rhein von der Artistengruppe Pascas entdeckt, hat er ein Jahrhundert gelebt. Zwischen zwei Weltkriegen, in der Emigration in Südafrika, ständig auf Reisen aber immer mit seiner Frau Henriette, mit der er auch während der Filmvorführung immer noch Händchen hielt.

Seit 1927, als er im Apollo in Düsseldorf mit seiner akrobatischen Nummer auf einer Perchstange begann, steht er beinahe täglich auf der Bühne. Das Lido in Paris, der Wintergarten in Berlin, das Apollo in Düsseldorf und Vegas in Amerika — Thurano kennt alle Bühnen der Welt. Früher stand er mit seiner Frau Henriette, die aus dem Zirkus Althoff stammt, und verschiedenen Partnern auf der Bühne. Später war es die ganze Familie, mit der er im Rampenlicht stand.

Die Autorin Stefanie Koch hat ihn seit November letzten Jahres begleitet und eine Biografie geschrieben. Durch zahlreiche Spaziergänge, Gespräche und Recherchen hat sie einen Menschen kennen gelernt, mit dem sie inzwischen mehr verbindet als die Arbeit. "Die Familie hat mich während der ganzen Zeit immer mehr integriert, sie fragten mich nicht mehr, wie lange ich noch bleiben wollte, sondern sagten mir, wann es Mittagessen geben würde", erzählte Stefanie Koch dem Publikum am Dienstagabend im Apollo. Konrad Thuranos Stationen zwischen Weltkriegen, unzähligen Bühnen, zwischen Familie und seinem Beruf hat die 37-Jährige recherchiert und liebevoll niedergeschrieben.

Seine Welt ist die Bühne und das zeigt auch der Film, zu dem der Senior mit seiner Familie und zahlreichen Freunden erschienen war. Im grauen Anzug, die Haare nach hinten gekämmt, saß er im Kreise seine Familie und sah sich den Film an. Ganz gespannt, immer wieder lächelnd und mit einem verdächtigen Glanz in seinen Augen erlebte er sein eigenes Leben auf der Filmwand, denn auch der Film zeigt sein künstlerisches und privates Leben von seiner Kindheit in Düsseldorf an.

Schwarz-Weiß-Aufnahmen zeigen, wie der kleine Konrad bereits an einer Stange Kunststücke macht oder im Rhein badet. Dann macht der Film einen zeitlichen Sprung in die Gegenwart, nimmt den Zuschauer mit hinter die Bühne, wo sich Thurano in der Maske auf seinen Auftritt vorbereitet. Dann wiederum sehen die Zuschauer ihn mit seiner Frau in einer Hollywood-Schaukel sitzen, in der sie ihr Leben reflektieren und wie Teenager darüber kichern, wie sie sich das erste Mal geküsst haben.

Der Film zeigt seine großen Erfolge auf den Bühnen der Welt, seine Flucht vor dem Krieg in Europa nach Afrika, seine unbeschwerte Art, gewährt Blicke in sein persönliches Leben, das Kennenlernen seiner Frau, aber vor allem seine Hingabe zu seinem Beruf und seiner Familie, mit der er viele Jahre gemeinsam Varieté machte. Viele Hindernisse musste er überwinden, viele Neuanfänge machen, viele Freunde hat er gewonnen, die ihn heute noch schätzen. "Trotz seines Alters ist er hellwach, kaum dass er die Bühne betritt", erzählt Bernhard Paul vom Zirkus Roncalli.

Sein Sohn John, mit dem er immer noch auf der Bühne steht, zeigte sich nach dem Film sehr berührt. "Ich bin sehr stolz darauf, mit ihm zusammen zu arbeiten, er will und will nicht aufhören und so muss auch ich weitermachen." Thurano selbst war ebenso angetan von dem Film. "Es war sehr schön, noch einmal diese Momente zu erleben, auch wenn ich mich an manche Dinge gar nicht mehr erinnern kann", so der 94-Jährige. "Ich war schon überall auf der Welt, aber Düsseldorf ist immer meine Heimat geblieben." Ans Aufhören denkt er immer noch nicht. "Vielleicht sehr ihr mich ja mit dem Film im Fernsehen" sagte er zum Publikum, "ansonsten sehen wir uns im nächsten Jahr hier im Apollo."

"Die Thuranos — Leben auf dem Drahtseil" am 22. Dezember um 22.15 Uhr auf arte.
"Konrad Thurano. Beruf: Artist" von Stefanie Koch, 256 Seiten, erschienen im Droste Verlag, 17,95 Euro.

Von BIRGIT KRANZUSCH

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