Düsseldorf Tausendfüßler - "Abriss ein Verlust"

Düsseldorf · Die Landeskonservatorin Andrea Pufke vom Landschaftsverband Rheinland bedauert das Ende der Hochstraße. Denkmale müssten nicht schön sein, findet die Denkmalschützerin – und mahnt, man müsse auch Relikte der Nachkriegszeit erhalten, selbst wenn man sie kühl und hässlich findet.

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Die Landeskonservatorin Andrea Pufke vom Landschaftsverband Rheinland bedauert das Ende der Hochstraße. Denkmale müssten nicht schön sein, findet die Denkmalschützerin — und mahnt, man müsse auch Relikte der Nachkriegszeit erhalten, selbst wenn man sie kühl und hässlich findet.

Der Tausendfüßler, ein heftig umstrittenes Denkmal der Nachkriegszeit, darf abgerissen werden. Die als Gutachter bestellten Ingenieure Leonhardt, Andrä und Partner hatten der Hochstraße im Falle einer Sanierung den Denkmalwert abgesprochen.

Landeskonservatorin Andrea Pufke, Leiterin des LVR-Amts für Denkmalpflege im Rheinland, kritisiert das: "Es ist nach dem Denkmalschutzgesetz NRW die Aufgabe unseres Fachamtes, den Denkmalwert festzustellen. Ein unabhängiges Gutachten sollte lediglich den baulichen Zustand, die Erhaltungsfähigkeit des Bauwerks und die wirtschaftliche Zumutbarkeit einer Instandsetzung prüfen. Wir hätten uns gewünscht, zumindest beratend hinzugezogen zu werden."

Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) hatte im vergangenen Jahr dem Abrissantrag der Stadt Düsseldorf nicht zugestimmt und versucht, die umstrittene Hochstraße über eine Ministeranrufung zu retten. "Wir respektieren die Entscheidung des Ministers, sind mit der Begründung aber nicht in allen Punkten einverstanden", so Pufke.

Das Argument, die Sanierung des Tausendfüßlers würde zu einem Substanzverlust führen, der den Denkmalwert beeinträchtige, überzeugt Pufke nicht: "Wie viele Denkmale gibt es, die über die Jahre fast ihre gesamte originale Bausubstanz verloren haben! Die romanischen Kirchen in Köln wurden fast gänzlich neu aufgebaut, die Wuppertaler Schwebebahn steht zu einem großen Teil auf neuen Stützen. Trotzdem würde niemand ihren Denkmalwert in Frage stellen."

Offensichtlich gibt es Denkmale, die von vielen geliebt werden, und andere, die nur wenige mögen. Am Tausendfüßler scheiden sich die Geister. Und das war schon immer so. Noch bevor die Brückenstraße unter der Leitung des damaligen Stadt- und Planungsdezernenten Friedrich Tamms 1961-1962 über Teilen des Jan-Wellem-Platzes und des Martin-Luther-Platzes errichtet wurde, versammelten sich 10 000 Menschen zum Protest vor dem Rathaus.

Ein halbes Jahrhundert später löst das Vorhaben, die seit 1993 denkmalgeschützte Hochstraße abzureißen, wieder eine öffentliche Diskussion aus. Neben dem Denkmalpflegeamt des Landschaftsverbandes setzen sich Heimatvereine - z.B. mit der Initiative "Lott stonn", der Bund Deutscher Architekten (BDA), die Ratsfraktionen von SPD und Grünen und kirchliche Institutionen für die Erhaltung ein. "Denkmale müssen nicht schön sein", erklärt Andrea Pufke all denen, die den Abriss des Tausendfüßlers begrüßen. "Ich kann nachvollziehen, dass der Tausendfüßler als sperrig und kalt empfunden wird. Trotzdem ist er ein bedeutendes Denkmal, dessen Abriss ein großer kultureller, stadt- und verkehrsgeschichtlicher Verlust ist." Die Hochstraße sei als Reaktion auf die Massenmotorisierung jener Zeit entstanden, Zeichen einer mobilen Gesellschaft, Sinnbild der Moderne. Dabei sei sie technisch innovativ und von hoher gestalterischer Qualität. In ihrer Leichtigkeit und schlanken Eleganz unterscheide sie sich von anderen innerstädtischen Hochstraßen.

Andrea Pufke: "Ich kann nur davor warnen, wichtige Denkmale aus der Nachkriegszeit leichtfertig aufzugeben. Manchmal brauchen die Menschen einen größeren zeitlichen Abstand, um den Wert eines Baudenkmals zu verstehen."

(RP/top)
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