Düsseldorf Tach, ich bin der Franz!

Düsseldorf · Er ist 70 Jahre alt und seit 1975 Köbes im Schumacher-Brauhaus in der Düsseldorfer Altstadt: Franz Majic hat in seinem Leben mehr Bier serviert, als in ein Schwimmbad passt. Ein Portrait.

 Franz Majic (70) serviert Altbier im Schumacher an der Oststraße und ist der älteste Köbes der Stadt.

Franz Majic (70) serviert Altbier im Schumacher an der Oststraße und ist der älteste Köbes der Stadt.

Foto: Andreas Endermann

Der Mann hält sich nicht lange mit Förmlichkeiten auf. "Tach, ich bin der Franz. Wir können du sagen." Klar, können wir - zumal es ganz gut passt, dass der Gesprächspartner Hans heißt und sich das so wunderbar reimt. Franz findet das auch und grinst breit.

Ob er wirklich der älteste Köbes in der Stadt ist, weiß er nicht. "Ich hab bei der Messe mal 'nen Kellner gesehen, der sah älter aus als ich." Aha - bei der Messe. Und sonst? Franz zuckt die Achseln. Tatsache ist: Franz kam Anfang der 70er Jahre aus dem damaligen Jugoslawien nach Deutschland, und zwar nach München. Einen Tag später fing er an zu arbeiten, auf dem Bau. Für den gelernten Bankkaufmann sicher ungewohnt, aber er wollte Geld verdienen. Wenig später, 1974, ging es nach Düsseldorf. Dort heuerte er in einem jugoslawischen Restaurant an, aber der Kroate aus Herzegowina verlor schnell die Lust an Cevapcici oder serbischer Bohnensuppe - und landete schließlich in der Hausbrauerei Schumacher. Damals noch mit strenger Hand geführt durch Thea Schnitzler, Großmutter der heutigen Chefin. An die erinnert der Franz sich gern. "Die hat immer gesagt, ich sei ein fuuler Jugoslawe", erzählt er, den rheinischen Dialekt mit dem Wort "fuul" für "faul" gekonnt imitierend.

Das jedoch war aber wohl mehr ein Witz, denn der Franz blieb beim Schumacher und servierte Bier. Anfangs noch für 55 Pfennig pro Glas, wie er sich erinnert. 40 Jahre lang, bis heute - obwohl er inzwischen 70 ist und in Rente. Aber den ganzen Tag zu Hause, darauf hat er keine Lust. Auch weil seine Frau ebenfalls noch arbeitet. Also zieht er immer noch regelmäßig die dunkelblaue Kluft an, betreut Gesellschaften und Feiern, bedient im großen Gastraum - und balanciert volle Gläser mit links oder rechts zu den Gästen. Bis zu 20 auf dem Tablett. Ist ihm das nicht zu schwer? Franz guckt verdutzt. Wieso denn? Das hat er doch immer so gemacht, kein Problem. Wer zuschaut, ist sofort überzeugt: Franz hat das schwere Teil locker im Griff. Wie viele Gläser das wohl im Laufe der Jahre gewesen sein mögen? Er hat sie nie gezählt. Pro Tag, meint er, können da schon 800 zusammen kommen. Das sind, bei den 0,25-l-Gläser, 200 Liter. Hochgerechnet kommt da sicher die Füllung eines olympiatauglichen Schwimmbeckens zusammen, oder vielleicht auch noch ein bisschen mehr.

Trinkt er denn selbst regelmäßig das Bier, das er den Gästen bringt? Auch diese Frage findet der Franz komisch. Na klar, was sonst. Aber tagsüber nur zwei oder drei, denn abends nach der Schicht, da geht es mit dem Auto nach Haus ins Heim in Lichtenbroich. Da, wo der Garten wartet und seine Frau, für die er damals in Deutschland geblieben ist, obwohl er eigentlich nach Frankreich wollte. Frankreich? Ja, das Land fasziniert ihn, noch heute. Mindestens einmal im Jahr fährt er hin, am liebsten in den Norden.

Würde es in Düsseldorf ein Alt-Museum geben, Franz gehörte hinein. Entweder als Ausstellungsstück oder als Führer. Er hat diese ganzen Jahre in einer Hausbrauerei gearbeitet, erlebt, wie aus den einst nur deftigen Kneipen begehrte Adressen für Düsseldorfer und Touristen wurden. Anfangs lockten außer dem Bier noch die Sülze, die Soleier und Russeneier, und schon immer mochten die Gäste die Hämchen - Eisbein, seinerzeit aus der Dose, wie Franz sich erinnert. Heute auch seine Leibspeise - ein feines Eisbein aus der Küche des Schumacher.

Übrigens hat er nur unter Frauen gearbeitet - die erste Chefin hieß Thea, die zweite (ihre Tochter) Gertrud, heute ist es wieder eine Thea. Franz ist stolz auf diese Frauen, das merkt man ihm an. Aber weibliche Köbesse? Da wird der Franz zum Macho: Nee, lieber nicht, das gäb' nur Ärger, meint er.

Seine Gäste kennt er aus dem Effeff: Anfangs, nach Öffnung der Grenzen, kamen die Russen mit viel Geld und waren anstrengend, am meisten Trinkgeld geben die Amerikaner, die Japaner mögen die Wurstplatte, und alle lieben das Bier. Und er seinen Job. Noch zwei Jahre will er mindestens weitermachen, und dann noch mehr Zeit haben für seinen geliebten Garten, in dem er so großartig entspannen kann. Wenn er heimkommt und mal wieder ein paar hundert Gläser Bier geschleppt hat.

(RP)
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