Interview: Andreas Niegl, Gregor Bonin Und Frank Zehetner "Studenten wollen keine weiten Wege"

Düsseldorf · Über das Bafög erhalten Studenten eine Wohnpauschale in Höhe von 224 Euro. Doch in Düsseldorf kann man dafür kaum eine Wohnung finden, sagt der AStA-Chef der Heine-Uni. Stadt und Studentenwerk wollen deswegen eine Kooperation schließen.

 Der Chef der Düsseldorfer Uni-Studenten, Andreas Niegl (v.l), Planungsdezernent Gregor Bonin und der Chef des Studentenwerks, Frank Zehetner, setzen sich für preisgünstige Wohnungen für Studenten ein.

Der Chef der Düsseldorfer Uni-Studenten, Andreas Niegl (v.l), Planungsdezernent Gregor Bonin und der Chef des Studentenwerks, Frank Zehetner, setzen sich für preisgünstige Wohnungen für Studenten ein.

Foto: Andreas Bretz

Herr Niegl, zehn Studierende sind zurzeit im Keller einer Studierendenwohnanlage untergebracht, weil sie zum Semesterstart keine Wohnung finden konnten. Wie schwierig ist es, in Düsseldorf eine bezahlbare Wohnung zu finden?

Niegl Die Notschlafplätze, die von der Fachhochschule organisiert werden, sind keine langfristige Lösung. Ein Problem ist, dass man sich für die Plätze in den Wohnheimen des Studierendenwerks eigentlich sechs Monate vor Studienstart anmelden muss und die Wohnplätze schnell ausgebucht sind.

Wie viele Wohnplätze bietet das Studentenwerk in Düsseldorf an?

Zehetner Wir haben rund 3000, und alle recht campusnah. In den letzten drei Jahren, die von enorm steigenden Studierendenzahlen geprägt waren, haben wir festgestellt, dass das Wohnungsproblem, das Herr Niegl schildert, gar nicht so groß ist wie etwa in Aachen, Köln, Siegen, Paderborn und Münster. Vor allem von Anfang Oktober bis Anfang Dezember werden die Notschlafplätze genutzt, danach deutlich weniger. Als wir vor zwei Jahren 5000 Studierende mehr in Düsseldorf hatten, hatten wir trotzdem zum Wintersemester 45 Plätze in unseren Wohnanlagen frei, allerdings WG-Plätze. Die Studierenden bevorzugen Einzelappartements.

Herr Niegl, müssen die Studierenden Abstriche machen?

Niegl Natürlich müssen wir irgendwann Abstriche machen, und die einen Studierenden wollen alleine, die anderen in der WG wohnen. Doch schon jetzt ist es ein Problem, dass man kaum eine Wohnung für unter 350 Euro findet. Die Bafög-Wohnfördermittel sehen nur 224 Euro vor, alles, was darüber hinausgeht, ist für Lebensmittel oder Bücher vorgesehen. Ein Problem ist es auch, dass die Wohnplätze unterschiedlich sind. Eine AStA-Kollegin wohnt in der Wohnanlage Kopernikusstraße und zahlt für zehn Quadratmeter 230 Euro. In der Wohnanlage Himmelgeister Straße zahlt man nicht viel mehr und hat eigenes Bad und eigene Küche.

Stadt und Studentenwerk wollen eine Kooperation schließen, damit auch frei finanzierte Studierendenwohnungen bestimmten Kriterien genügen. Wie soll das funktionieren, Herr Bonin?

Bonin Wir wollen die zukünftigen Fachkräfte früh an uns binden. Was die dazu erforderlichen Arbeitsplätze in der Stadt angeht, habe ich weniger Sorgen: Die werden geschaffen. Doch wir müssen auch adäquaten Wohnraum planen. Die Kooperation trägt diesen Gedanken und ist vorausschauend angelegt. Als Stadtplaner wollen wir über das Handlungskonzept Wohnungsangebote für alle Nachfragegruppen schaffen. Im Besonderen müssen wir durchdeklinieren und definieren, was die Anforderungen an Studentenwohnungen sind. Dazu haben wir mit dem Studentenwerk einen Partner gefunden, der über einen langjährigen Erfahrungshorizont verfügt und Erkenntnisse über langfristige und aktuelle Trends hat.

Haben Sie schon mit Investoren gesprochen?

Bonin Wir haben mit mehreren gesprochen: Sie haben keine genaue Vorstellung davon, welchen Anforderungen Studentenwohnungen entsprechen müssen. Letztlich geht es auch darum, für kleine vergleichsweise hochpreisige Wohnungen Vergünstigungen zu bekommen, etwa weniger Stellplätze bauen zu müssen, damit die Wohnungen für Studierende erschwinglich bleiben.

Umfrage: Studenten verraten, warum sie gerne in Düsseldorf studieren
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Zehetner Ich finde es interessant, das gemeinsame Gespräch zu haben, und finde es toll, weil das Studierendenwerk für die Stadt ein verlässlicher Partner ist. Denn wir sind kein gewinnorientiertes Unternehmen, sind wirklich für die Studierenden da. Wichtig ist es, dass der neue Wohnraum in Summe günstiger ist als auf dem freien Markt. Wenn Sie Drittinvestoren sehen, die auf den Markt drängen, die gehen da mit einer völlig anderen Grundhaltung ran.

Was für eine Einstellung ist das?

Zehetner Die sagen, wir bauen Studierendenwohnungen, aber nur für das finanziell obere Drittel der Studierenden. Da kostet der gleiche Wohnraum, den wir bieten, mit gleicher Ausstattung nicht 350, sondern 500 Euro. Und das macht es dann, wenn das in Masse passieren würde, schwieriger für das Studierendenwerk, weil dann mehr Studierende mit Wohnbedarf übrig blieben, die nicht 350 Euro bezahlen können. Es gibt Studierende, die überlegen, ob sie abends noch eine zweite Scheibe Brot essen können.

Herr Niegl, was für Anforderungen stellen Sie an diese Wohnungen?

Niegl Ich begrüße es, wenn geförderter Wohnraum entsteht. Denn sonst wird es in ein paar Jahren vielleicht nicht mal mehr eine Wohnung für 350 Euro geben. Die 224 Euro, die im Bafög für das Wohnen vorgesehen sind, sind ein guter Ansatz. Eine Variation im Angebot zu haben, ist aber nicht schlecht, denn es gibt ja auch Leute, die 50 Euro mehr ausgeben würden, um schön zu wohnen.

Herr Bonin, wie hoch sollen denn die Preise für diese Wohnungen sein?

Bonin Wir müssen den Rahmen noch exakt abstecken und vor allem die Verbindlichkeiten für das Schaffen neuer Wohnräume definieren. Ziel ist es, dass sich Investoren mit ihren Projekten beim Studentenwerk registrieren lassen und dort das Belegungsmanagement angesiedelt wird. Es soll nicht möglich sein, dass einem Investor Ausnahmen und Vergünstigungen für Studentenwohnungen gewährt werden, er die Wohnungen dann aber auf dem freien Markt zu Marktpreisen vermietet.

Zehetner Das freie Denken ist schön. Doch wer sagt uns, dass der Investor nach ein paar Jahren nicht die Wände einreißen und lieber Wohnungen für "double income, no kids" schaffen will?

Bonin Das ist Schwarzmalerei. Mit dem Handlungskonzept Wohnen und dem preisgedämpften Wohnen gibt es in Düsseldorf jetzt spezialisierte Investoren, die es vorher so nicht gab, und die sagen: "Wow, das ist ein interessantes Geschäftsmodell, beim preisgedämpften Wohnen haben wir eine geringere Mieterfluktuation, dieser Umstand ermöglicht günstige Rahmenbedingungen bei der Finanzierung des Vorhabens." Schwarze Schafe findet man überall, aber dann dürfte man ja generell nichts subventionieren. Und ich behaupte, dass man mit Studentenwohnungen durchaus Renditen erzielen kann, und das wird sich auch noch nachweisen lassen.

Die neue Regel wird als erstes vielleicht für ein Projekt am Mörsenbroicher Ei angewendet, wo von 480 Wohnungen 200 für Studenten entstehen sollen. Ist es denkbar, dass Studierendenwohnungen auch außerhalb der Innenstadt-Peripherie entstehen, etwa dort, wo die Grundstückspreise nicht so hoch sind?

Bonin Der neue Campus der Fachhochschule mitten in der Stadt ist ein gutes Beispiel für die Grundproblematik des studentischen Wohnens: In einer Innenstadtlage kann man in Düsseldorf kaum preiswerten Wohnraum schaffen oder erwarten. Ich bin überzeugt, dass der Studierende auch bereit ist, Fahrwege aus nördlichen Stadtteilen Düsseldorfs in Kauf zu nehmen, wenn der preiswerte Wohnraum gut über den für ihn kostenneutralen ÖPNV angebunden ist.

Zehetner Man kann nicht nur schauen, wo fährt die S-Bahn lang, und dann baut man da Wohnungen für Studierende hin. Aus Erfahrung wissen wir, dass die Masse der Studierenden in der Peripherie der Hochschule wohnen will. Wir hatten eine Studierendenwohnanlage acht Kilometer entfernt von der Mönchengladbacher Hochschule. Inzwischen konnten wir das Haus, Gott sei dank, verkaufen, denn wir hatten dort ein großes Problem: Einige Studierende zogen zwar hinein, weil sie kurzfristig nichts fanden, zogen aber aus, sobald sie etwas anderes hatten. Studierende wollen nicht weite Wege, und die werden Sie auch nicht dazu erziehen, zum Beispiel nach Lohausen zu ziehen.

Herr Niegl, wenn Studierende sich für ein Studium in Düsseldorf entscheiden, müssen sie dann zum Beispiel längere Wege in Kauf nehmen?

Niegl Tendenziell ist das richtig. Aber dann gibt es kaum noch einen Unterschied, ob man in Duisburg wohnt und nach Düsseldorf pendelt oder in Düsseldorf wohnt und genauso lange zur Universität braucht.

UWE-JENS RUHNAU UND SEMIHA ÜNLÜ FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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