Schließung des Stern-Verlags Ein ganzer Stadtteil in Schockstarre

Düsseldorf · Kunden, Händler und natürlich auch die Mitarbeiter sind über die Schließung des Stern-Verlags in Düsseldorf immer noch fassungslos. Gründe für das Aus gebe es viele, heißt es - auch hausgemachte.

 Gemütlich, großzügig, doch nicht mehr zeitgemäß? Blick in das Untergeschoss des Stern-Verlags an der Friedrichstraße.

Gemütlich, großzügig, doch nicht mehr zeitgemäß? Blick in das Untergeschoss des Stern-Verlags an der Friedrichstraße.

Foto: Bernd Schaller

Zugegeben, sie sind in der Minderheit, aber es gibt noch Menschen in der Friedrichstraße, die sich eine gewisse Nüchternheit angesichts der Schließung des Stern-Verlags bewahrt haben. Karl van Uden etwa, 63 Jahre alt, regelmäßiger Kunde in Düsseldorfs größter Buchhandlung besonders zu Weihnachten, so auch in diesem Jahr. Van Uden will schon seit einigen Jahren Spuren des Verfalls hier ausgemacht haben. "Sehen Sie sich einmal die Wand an, die Teppiche", sagt er, deutet auf zwei Lüftungsrohre, die hässliche schwarze Flecken an der Wand hinterlassen. "Das sieht doch nicht mehr schön aus." Auch das Licht, sei nicht mehr zeitgemäß. Vor dreißig Jahren war die Buchhandlung nicht nur die größte, sondern auch die modernste der Stadt, vielleicht sogar Deutschlands, meint van Uden. Dies sei schon lange nicht mehr so.

Dennoch bedauert auch er die Schließung, dennoch ist auch er "traurig" wie er sagt, denn Buchhandlungen wachsen einem ans Herz, Buchhandlungen sind mehr als schnöde Geschäfte. Buchhandlungen sind keine Supermärkte.

Eine Ansicht, die auch von den Mitarbeitern geteilt wird. Schwierig ist es im Moment mit ihnen über die Schließung zu sprechen, zum Einen, weil das Weihnachtsgeschäft natürlich brummt, "das letzte", wie einer der Verkäufer sinnig bemerkt. Zum anderen aber wollen sie auch ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Die Enttäuschung ist groß, man hofft auf eine sozialverträgliche Lösung. "Wir wissen aber nicht erst seit dieser Woche, dass es zu ende geht", sagt ein Berater in der Buchhandlung. Schleichender Verfall?

Er sieht das ähnlich, doch für ihn ist es mehr ein Verfall der Sitten. So hätten die Menschen eben nur ein gewisses Budget zur Verfügung, und das müssten sie aufteilen. Unterhaltungselektronik, Handyspiele, Filme, die man sich im Netz runterlädt und eben Bücher. Außerdem, sagt er, gibt es mehrere Gründe für das Aus: Zunächst einmal - naheliegend - die Konkurrenz im Internet. Hinzu kommt aber auch die Lage: War früher der Stern-Verlag im Zentrum der Stadt, hat sich nun das Zentrum verlagert. "Die Friedrichstraße ist nicht mehr die Einkaufsstraße, die sie einmal war", sagt der Mann. Auch er sieht den fehlenden Willen der Geschäftsführung zur Modernisierung als einen Grund. In Berlin etwa, sehe man, dass das Konzept der großen Buchhandlung immer noch aufgehe, im Dussmann-Kulturkaufhaus etwa, das ähnlich groß, nur frischer, jünger und moderner ist. "Ironischerweise liegt auch Dussmann an der Friedrichstraße, nur eben an der in Berlin."

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Foto: Christoph Reichwein

Im Antiquariat tummeln sich derweil die Schnäppchenjäger. 50 Prozent Rabatt gibt es hier auf alles, dementsprechend leeren sich die Regale und Stellkästen, aufgefüllt werden sie wohl auch hier nicht mehr. Offiziell heißt es zwar, über das Schicksal des Antiquariats sei noch nicht entschieden, doch fragt man den Verkäufer, sagt der freimütig, im März sei auch hier Schluss. Antiquarische Bestellungen nimmt er immerhin noch entgegen.

Iris Martens blättert in der Mappe mit Illustrationen auch Gucklochkästen, die Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden sind, 50 Euro sollte ein Blatt einst kosten, heute kosten sie 25., Martens hat zwei Abbildungen von Venedig in der Hand und will noch handeln. Bei antiquarischen Büchern - eh nur ein Nischengeschäft - habe das Internet eine noch größere Bedeutung, sagt sie. Hier könne man Preise vergleichen, handeln und das Angebot sei unendlich groß, selbst im Vergleich zum Antiquariat im Stern-Verlag. "Der neue Harry Potter kostet ja im Internet so viel wie in der Buchhandlung, aber der Preis alter Bücher ist mit dem Netz in Bodenlose gesunken." Ganze Sammlungen würden dort verschleudert.

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Schade findet sie die Schließung natürlich dennoch, weil die Sinnlichkeit des Stöberns im Internet natürlich nicht mehr bestehe. Und dann kommt noch ein anderer Aspekt zum Tragen. Warum sollte man mit Büchern handeln, wenn man auch Immobilien vermieten oder vermarkten kann, fragt sie lächelnd.

(RP)
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