Ärger am Amtsgericht Steht das Gericht in Düsseldorf über dem Bürger?

Analyse | Düsseldorf · Ein Düsseldorfer erlebt ein merkwürdiges Gespräch mit einem Justiz-Mitarbeiter, der Bürger nicht auf Augenhöhe mit dem Gericht sieht. Einen schlechten Tag erwischt – oder wie sieht das die Justiz? Wir haben nachgefragt.

Der Justizkomplex in Oberbilk

Der Justizkomplex in Oberbilk

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Im Amtsgericht will der Gerresheimer Sönke Willms-Heyng dieser Tage ein Schriftstück abgeben. Im Eingangsbereich gibt er es den Mitarbeitern und bittet um eine Quittung. Die Antwort überrascht ihn: „Der diensthabende Wachmann erklärte mir, eine Behörde wie das Gericht sei ‚nicht auf Augenhöhe mit den Bürgern, sondern darüber‘ und würde deswegen nichts quittieren“, schreibt Willms-Heyng in einer Beschwerde an das Gericht, die unserer Redaktion vorliegt.

Daraufhin möchte er sein Schriftstück zurückhaben, um es per Einschreiben zu schicken. Er bekommt es jedoch nicht, weil bereits ein Eingangsstempel drauf ist. „Offen gesagt, ich bin reichlich erstaunt über diese Art der Begegnung mit rechtssuchenden BürgerInnen und das dahinterstehende offen ausgesprochene Obrigkeitsdenken Ihrer Bediensteten“, schreibt er.

Ein kleiner Vorfall, niemand ist zu Schaden gekommen – und doch stimmte er mich nachdenklich. Betonen doch unsere Gerichte immer wieder dieses Anliegen: bürgernah zu sein, Schwellen abzubauen. Deshalb habe ich mir die Sache näher angeschaut.

Was die sachlichen Vorgänge angeht, hat der Justizbeamte korrekt gehandelt, stellt eine Sprecherin des Gerichts klar. Schriftstücke könnten am Infopoint abgegeben werden: „Dort wird nur in Ausnahmefällen bei wichtigen Schriftstücken wie zum Beispiel Klagen oder Eilanträgen eine Quittung erteilt“, erklärt sie. Außerhalb der Öffnungszeiten stehe der Briefkasten vor dem Gericht zur Verfügung; daneben könne man Mitarbeitern in der Eingangsschleuse Schriftstücke übergeben. „Nach der Geschäftsordnung des Amtsgerichts und des Landgerichts wird der Empfang von Schriftstücken an der Schleuse nicht quittiert.“

Da halte ich es übrigens eher mit einem Bekannten, der sich neulich beim fristgerechten Einwerfen von Unterlagen bei einer Behörde von seiner Partnerin mit dem Smartphone filmen ließ. Ist vielleicht etwas schräg; aber wer Sorge hat, die Abgabe später vielleicht beweisen zu müssen, wird eben kreativ.

Aber sehen sich Gerichte wirklich „über dem Bürger“? Da räumt das Gericht ein, vielleicht einen falschen Eindruck vermittelt zu haben: Selbstverständlich sei es Aufgabe des Gerichts, „die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger kompetent zu bearbeiten“. Insoweit verstünden sich die Mitarbeiter auch als Dienstleister. „Soweit im konkreten Einzelfall ein anderer Eindruck entstanden ist, bedauern wir dies.“

Das betont auch das Oberlandesgericht: „Die von Ihnen geschilderte Haltung des Wachtmeisters entspricht in keinster Weise dem Selbstverständnis der Justiz“, so eine Sprecherin. „Wir sind uns als Justiz unserer Dienstleistungsfunktion bewusst“ – und man sei der Auffassung, dass Bürger, die mit ihren Wünschen und Anliegen an die Gerichte herantreten, „stets freundlich und zuvorkommend behandelt werden müssen“. Dass man dann auch Recht bekommt, ist übrigens aber nicht inbegriffen.

Nicole Lange

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort