Ständehaus-Treff mit Angela Merkel "Vier Stunden Schlaf sind auf Dauer zu wenig"

Die Kanzlerin ließ beim Ständehaus-Treff einen Blick auf den Menschen hinter der mächtigsten Frau der Welt zu. Sie erzählte, wie sie zu ihrem ersten Ministeramt kam und warum sie sich nicht selbst googelt.

Mit dem oft genutzten Bild, die Kanzlerin sei eine "Physikerin der Macht" räumte Angela Merkel beim Ständehaus-Treff in Düsseldorf auf. "Die Macht ist keine besonders wichtige Variable in der Physik", sagte sie. Man spreche vielmehr von Wechselwirkungen und Kräfteverhältnissen, erklärte sie. Die Beschreibung ihres eigenen Politikstils klang überraschend einfach: "Ich versuche über Dinge zu sprechen, die ich verstanden habe. Ich versuche zuzuhören." Wo sie Mehrheiten sehe, frage sie sich, ob das noch mit ihren Grundüberzeugungen zusammenpasse oder ob sie weiterarbeiten müsse.

Angela Merkel beim Ständehaus-Treff im Mai 2017
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Angela Merkel beim Ständehaus-Treff im Mai 2017

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Foto: Bretz, Andreas

Ob sie tatsächlich so uneitel sei, wie vielfach behauptet wird, wollte RP-Chefredakteur Michael Bröcker wissen. "Wenn ich jetzt behaupten würde, dass ich nicht eitel bin, wäre ich ein schwerer Fall für Sie", gab Merkel zurück. Den typischen Knopfdruck, um die eigene Eitelkeit zu befriedigen, hat sie aber nicht nötig: Selbst gegoogelt? "Ne, mache ich nicht", sagt sie und schiebt hinterher, dass sie nur ab und zu in ihrem eigenen Handy ihre Telefonnummer nachschaue.

Als Angela Merkel im November 2001 zum ersten Mal Gast der Netzwerkveranstaltung war, hieß der Ständehaus-Treff noch Landhaus-Treff, fand in Duisburg statt, und das Kanzleramt war für die CDU-Vorsitzende noch weit weg. Auf die Frage, ob eine Frau Bundeskanzlerin werden könne, hatte Merkel damals bescheiden geantwortet: "Juristisch schon." Nach zwölf Jahren im Amt erlebten die Zuhörer eine andere Angela Merkel auf der Bühne. Bröcker erinnerte auch an Merkels zweiten Auftritt beim Ständehaus-Treff. Damals saß sie nach nur vier Stunden Schlaf auf der Bühne, weil sie als Oppositionsführerin mit der früheren Regierung Schröder um die Steuerreform gerungen hatte.

Nach ihrem Auftritt damals sahen viele Gäste die CDU-Chefin als kommende erste Bundeskanzlerin Deutschlands, die immer noch für ihre gute Kondition bei internationalen Konferenzen, Koalitionsausschüssen und im Umgang mit schwierigen Gesprächspartnern bekannt ist. Doch mit vier Stunden Schlaf pro Nacht kommt auch die Kanzlerin dauerhaft nicht aus. Für "einigermaßen konstante Laune" brauche sie mehr Schlaf.

Im Publikum im Düsseldorfer Ständehaus fanden sich am Donnerstagabend auch einige Vertraute der Kanzlerin. So war Hildegard Müller gekommen — zu Beginn von Merkels Amtszeit 2005 Staatsministerin im Kanzleramt und damals, als in der CDU noch die "Kann-die-das?"-Stimmung herrschte, eine Art Geiger-Zähler für politische Gefahren aller Art. Bevor sie 2016 RWE-Vorstand wurde, arbeitete Müller in der Funktion der Vorsitzenden des Bundesverbandes Energie- und Wasserwirtschaft als Lobbyistin in Berlin.

Auf ein Glas Wein kam zu späterer Stunde auch EU-Kommissar Günther Oettinger, der gerade in Brüssel einen Dämpfer hinnehmen musste. Nach einer Reihe öffentlicher Pannen soll er nun doch nicht zum Vize-Präsident der Kommission ernannt werden. Aus der Region ließen sich eine Reihe von Oberbürgermeistern blicken, darunter der Düsseldorfer Thomas Geisel (SPD) und die parteilose Kölnerin Henriette Reker. Schon 2001 sah der Europa-Abgeordnete Herbert Reul Merkel bei ihrem ersten Auftritt in der Veranstaltungsreihe — auch er war wieder zu Gast. Er räumte ein, dass er damals nicht geahnt habe, welcher Weg noch vor Merkel liege.

Auf die zentrale Frage von Michael Bröcker, was Merkel im Land in einer möglichen vierten Amtszeit noch bewegen wolle, nannte sie als Hauptmotiv für ihre erneute Kandidatur Neugier. "Eine Frage, die mich auch bewegt hat: Bin ich noch neugierig genug auf die Welt?", erklärte Merkel und beschrieb die Mühen der Politik: "Sie müssen sich auskennen, wenn Sie Gesetze machen." Sie habe sich gefragt, ob sie noch alle Fakten reinkriege in ihren Kopf und ob sie noch neugierig sei auf Menschen. "Zu all dem habe ich nach längerer Überlegung gesagt: Reicht noch."

Inhaltlich sagte sie, was sie auch schon zu Beginn der noch laufenden Wahlperiode erklärt hatte: "Ich möchte, dass es möglichst vielen Menschen am Ende einer Legislaturperiode besser geht als am Anfang." An konkreten Punkten nannte sie die Digitalisierung als "großes Reformprojekt", dessen Umfang "wir alle" noch nicht richtig erfasst hätten.

Die CDU will sich im Bundestagswahlkampf zudem den ländlichen Räumen zuwenden, wo große Teile ihrer Wählerschaft sitzen. Dazu sagte Merkel: "Wir haben in Deutschland einen Auftrag im Grundgesetz, gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen. "Wir müssen vielfältigere Lösungen finden", sagte Merkel mit Blick auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Menschen in Städten und auf dem Land.

"Intensiver" Konflikt mit Seehofer

Merkel besitzt das Talent, unauffällig in den Wahlkampfmodus zu schalten. So warf sie auf der Bühne im Ständehaus ihr internationales Renommee in die Waagschale. Sie könne als Kanzlerin bei der Sicherheit für Europa und um Europa herum weiterhin ihre Erfahrung und ihre Beziehungen einbringen.

Auf ein Foto, auf dem Merkel CSU-Chef Horst Seehofer herzt, reagierte sie grinsend. "Das ist einfach schön", sagte sie. Wohl wissend, welche Fragen sich an ein solches Foto anschließen, sagte sie: "Sie hätten auch andere finden können." Dann beeilte sie sich zu versichern, dass sie selbst in den schwierigsten Zeiten immer einen Gesprächsfaden miteinander gehabt hätten. Der Frage, ob auch "persönlich" etwas hängen geblieben sei, weicht sie aus: "Wir müssen unsere Arbeit machen." Sie lässt sich nur dazu hinreißen, ihre Konflikte mit Seehofer als "intensiv" zu beschreiben.

Über ihr zwischenzeitlich sehr schwieriges Verhältnis zu Helmut Kohl redet sie offen. Es gibt Parallelen zu Seehofer: Auch sie und Kohl hätten "zu Gunsten der CDU" trotzdem zusammengearbeitet. Dann lobt sie Kohl, dass sie "unglaublich viel" von ihm gelernt habe. Bei der Deutschen Einheit habe er viel "Fingerspitzengefühl" gezeigt. "Er hat uns Ostdeutsche aufgenommen." Mit ihm selbst und seiner Frau hat sie von Zeit zu Zeit Kontakt.

Lustig und öffentlich wohl bisher noch nicht erzählt, ist die Geschichte, wie Merkel Frauenministerin wurde. Eines Tages habe Kohl sie in Bonn einbestellt. Er habe darauf hingewiesen, dass sie als Physikerin viel mit Männern zusammengearbeitet habe und sie dann gefragt: "Verstehen Sie sich mit Frauen?" Als Merkel nicht verneinte, hatte sie den Job.

(kes, qua)
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