Wersten Kanäle für Starkregen nicht geeignet

Wersten · Nach Unwettern standen Teile Werstens unter Wasser. Das Kanalsystem ist nur auf 20 Liter pro Quadratmeter ausgelegt. Im Juni fielen allerdings 50 Liter. Betroffene Anwohner fordern besseren Schutz durch Kanalbaumaßnahmen der Stadt.

Aus heiterem Himmel kam es nicht, das Unwetter, das am späten Nachmittag des 1. Juni in nur einer halben Stunde stellenweise 50 Liter Regenwasser (das sind fünf volle Putzeimer) auf einen Quadratmeter Fläche prasseln ließ. Ein paar Stunden vorher hatte der Deutsche Wetterdienst eine Unwetterwarnung herausgegeben. Doch wie in vielen Stadtteilen befürchteten auch die Bewohner des so genannten Düsseldörfchens in Wersten nichts Schlimmes; hatten sie doch die vergangenen vier Jahrzehnte alle Regengüsse und auch tagelangen Dauerregen trockenen Fußes überstanden.

An jenem Abend sollte es in dem Viertel aber ganz anders kommen. Zu dem Wasser, das von oben auf die Häuser prasselte, kam Abwasser aus der Kanalisation hinzu, das nach oben gedrückt wurde und sich seinen Ausgang suchte - egal wo. Die ganze Nacht über war die Feuerwehr im Einsatz wie auch viele Bewohner, die entweder selber gegen die Fluten ankämpfen mussten oder den betroffenen Nachbarn halfen. In einigen Häusern schoss das Wasser aus den Waschmaschinen, in anderen aus Abflussrohren in der Küche.

Auch fast drei Monate nach diesem Ereignis ist Anwohner Horst Sauter immer noch beeindruckt von diesen unglaublichen Wassermassen und der zerstörerischen Kraft, die sie entfaltet hatten. Tage später zeigte sich das ganze Ausmaß des Unwetters alleine schon daran, das die Anliegerstraßen hinter dem Provinzialplatz voll standen mit Sperrmüll. Sauter erzählt von einem betroffenen Sammler, der in seinem gefluteten Keller originalverpackte Lego-Figuren und -Fahrzeuge aufbewahrt hatte, die durch die Nässe ihren Sammlerwert komplett verloren haben.

Nur wer eine so genannte Elementarversicherung abgeschlossen hatte, bekommt seinen Schaden ersetzt. Doch in der Siedlung hat sich kaum jemand gegen Hochwasser versichert, niemand glaubte, dass so etwas passieren könne. Und zum anderen verlangen die Versicherer dort hohe Prämien, weil ja gleich nebenan der Deichsee liegt. Anders liegt der Fall bei einer 74-Jährigen, die in einer Souterrainwohnung lebt, in der ein Rohr geplatzt ist und deren Wohnung in wenigen Minuten 30 Zentimeter unter Wasser stand. Den Schaden deckt die Wohngebäudeversicherung mit ab.

Viel wichtiger als die Rückschau ist den Bewohnern der Siedlung aber der Blick nach vorne: Was können sie tun, was kann die Stadt tun, damit so etwas nicht noch einmal passiert? Beim Stadtentwässerungsbetrieb sieht man dabei vor allem die Eigentümer in der Pflicht: Ans Kanalnetz angeschlossene Häuser müssen einen Rückstauschutz am Kanalanschluss haben. Wer zur Miete wohnt, sollte von seinem Vermieter Auskunft darüber einfordern, dass dieser an alles gedacht hat. Rückstauklappen verhindern, dass Wasser von außen nach innen gedrückt wird.

In Düsseldorf hat man sich dafür entschieden, Regenwasser und Abwasser zusammen in einem Rohr abzuführen, Mischsystem wird das genannt. Nur in einzelnen Bereichen wird Regenwasser versickert. Unter anderem ist das in dem Neubaugebiet Am Scheitenwege-Süd geplant. Dass die Stadt solche Überlegungen nicht auch für das Düsseldörfchen anstellt, ärgert deren Bewohner: "Wir vermissen hier die Bereitschaft des Stadtentwässerungsbetriebes, zum Beispiel für den Ziegeleiweg einmal darüber nachzudenken, ob sich hier sinnvolle Maßnahmen anbieten." Etwa die Ableitung von Regenwasser in den Deichsee.

Beim Amt für Stadtentwässerung tritt man der Kritik der Anwohner entgegen, dass an dem Ereignistag die Pumpen in dem direkt benachbarten Regenrückhaltebecken ausgefallen seien. Laut Aussage der Stadt haben diese ständig gepumpt, allerdings sei das Rückhaltebecken wegen des starken Regens vollständig gefüllt gewesen. Zudem seien die Straßeneinläufe zum Kanal zuletzt im Dezember 2015 gereinigt worden.

Das Düsseldorfer Kanalnetz ist so ausgelegt, dass es mit einem Regenereignis von 20 Liter auf einem Quadratmeter fertig wird. "Den Kanal zu groß zu dimensionieren, ist finanziell nicht tragbar und technisch aus Platzgründen zumeist nicht umsetzbar", heißt es in einer Antwort des Stadtentwässerungsbetriebs auf Fragen unserer Redaktion. Um so wichtiger sei die private Absicherung für solche Fälle. So lägen Hauptursachen von Überflutungsschäden meist in den Zuwegungen des Hauses: Tiefgaragen, barrierefreie Zugänge, Planungsfehler sowie Keller- und Lichtschächte. Oft könnten schon Schwellen zum Bürgersteig, eine Stufe oder Rampe zur Wohnungstür oder zwei Reihen Mauersteine vor dem Lichtschacht für Abhilfe sorgen.

Aus den Überschwemmungen der Vergangenheit, die ja eher öfter in der Zukunft vorkommen werden, will der Stadtentwässerungsbetrieb lernen. Anhand von Bürgerhinweisen und Meldungen der Feuerwehr will das Amt mögliche Überschwemmungsschwerpunkte identifizieren.

Jede Schadenmeldung, Bürgerfotos und Videos von Bürgern gingen in die Berechnungen und Maßnahmen ein, wo es zu Kanalbaumaßnahmen kommt, sofern es möglich sei, so die Stadtentwässerung. Innerhalb der Verwaltung werde der Umgang mit dem Klimawandel - und speziell den Starkregenereignissen - mit der Stadtplanung, der Bauverwaltung und dem Umweltamt abgestimmt.

(RP)
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