Leseförderprojekt mit Therapiehund in der Stadtteilbücherei Herr Meyer ist ein guter Zuhörer
Düsseldorf · In der Werstener Stadtteilbücherei gibt es seit vergangenem Jahr ein besonderes Leseförderungsprojekt. Viertklässler wie Nico überwinden dabei ihre Lese-Hemmungen, wenn sie dem sechsjährigen Rüden vorlesen.
Alleine schon vom Titel her müsste das Buch, das sich Nico heute zum Vorlesen ausgesucht hat, für Herrn Meyer gut passen: „Ein Hund für Jakob“. Herr Meyer hat es sich in der Werstener Stadtteilbücherei auf dem Sofa gleich neben dem Schüler der Theodor-Heuss-Schule gemütlich gemacht und die Ohren gespitzt. Nach zehn Minuten ist die Lektüre vorbei und für Herrn Meyer gibt es eine Belohnung – ein Hundeleckerli. Denn er ist nicht etwa ein rüstiger Senior, sondern ein sechs Jahre alter Hund der Rasse „Magyar Vizla“.
Alle 14 Tage kommt das rotbraune Tier mit seiner Besitzerin Carla-Maria Maaß in die Stadtteilbibliothek. Nicht, weil sie frei nach Loriot daran glaubt, dass Herr Meyer irgendwann einmal lesen oder gar sprechen könnte. Das Projekt gilt der Leseförderung für Viertklässler in Wersten. Kinder aus verschiedenen Klassen werden je nach Bedarf von den Lehrkräften ausgewählt und dürfen dann donnerstagvormittags Herrn Meyer besuchen und ihm vorlesen.
Nico und er haben in den vergangenen Monaten schon Freundschaft geschlossen. „Wir hatten zu Hause einen Hund, der ist aber leider gestorben“, erzählt Nico. Ihm macht es deswegen auch nichts, wenn Herr Meyer beim Zuhören ein bisschen auf seine Klamotten sabbert. Dem Schüler gefällt es, dass der Hund nicht wertet, ob er alle Wörter richtig liest oder betont. Ganz wertfrei geht das Tier an die Vorlesestunde.
Carla-Maria Maaß, zu der Herr Meyer als Welpe kam, weiß, dass das für den Hund auch anstrengend ist, so ruhig auf seinem Platz zu bleiben. Aber dafür ist das Gespann ja auch schließlich in die Hundeschule gegangen. Inzwischen ist der sechsjährige Rüde ausgebildeter Therapiehund. Gemeinsam hat das Tandem zudem die Ausbildung zum „Mensch-Hund-Team in tiergestützten Interventionen“ absolviert. Maaß ist auch noch Ergotherapeutin und studiert derzeit parallel Sonderpädagogik auf Lehramt in Köln.
Über ein anderes Mensch-Hund-Projekt an der Düsseldorfer Uniklinik wurde sie auf das Leseförderprojekt aufmerksam, das vergangenes Jahr in Wersten von dem Freundeskreis der Stadtbüchereien Düsseldorf aus der Taufe gehoben wurde. Maaß ist die ganze Lesestunde in der Nähe bei den vorlesenden Kindern und ihrem Hund, hält sich aber komplett im Hintergrund. „Ich habe schon das Gefühl, dass die Kinder im Verlauf des Projektes flüssiger und freier lesen“, sagt sie.
Für das laufende Jahr sind die Kosten durch die Unterstützung der Don-Bosco-Stiftung „Mit Herz und Hand“ gedeckt. „Das haben wir im Dezember im Vorstand entschieden“, berichtet Stiftungsvorsitzender Klaus Lorenz von der in Wersten so umtriebigen Stiftung. Allerdings verweist er darauf, dass diese finanziell nicht so üppig mit Spendengeldern ausgestattet ist, dass man aus eigener Kraft das Förderprojekt über 2023 hinaus finanzieren kann. Deswegen werden nun Unterstützer gesucht. Esther Körner, Leiterin der Kinderbücherei in der Werstener Einrichtung, träumt sogar von einer Ausweitung des Projektes.
Während Lesehund-Projekte in Deutschland noch die Ausnahme sind, gehört der Einsatz von Therapiehunden bei der Leseförderung in Öffentlichen Büchereien beispielsweise in den USA, Skandinavien und Großbritannien schon fast zum Alltag. Auch in Wersten ist das Projekt jetzt schon nicht mehr wegzudenken. Im geschützten Rahmen einer Einzelförderung, die in der Werstener Bücherei gezielt außerhalb der Öffnungszeiten stattfindet, fungiert Herr Meyer als Stütze. Seine Anwesenheit soll die Kinder beruhigen und dabei helfen, Lesehemmungen abzubauen, mehr Selbstvertrauen zu gewinnen – und dann auch noch die Bücherei als attraktiven Lern- und Freizeitort zu erleben. Bei Nico hat das schon funktioniert. Er zeigt auf ein Regal: „Die Bücher, die da unten im Regal stehen, habe ich schon für mich gelesen.“