Krieg in der Ukraine Welle der Hilfsbereitschaft in Urdenbach

Düsseldorf · Eine über 30-köpfige Helfergruppe aus dem Corelliviertel kümmert sich um 34 geflüchtete und privat untergebrachte Ukrainer. Allerdings erschwert die deutsche Bürokratie die Hilfe. Bislang kam noch kein staatlicher Euro an.

 Gruppenbild von Helfern und Geflüchteten aus der Ukraine. Die bedankten sich mit einem Blumenstrauß bei Skaiste Hahn.

Gruppenbild von Helfern und Geflüchteten aus der Ukraine. Die bedankten sich mit einem Blumenstrauß bei Skaiste Hahn.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Eingerichtet worden war die Whats-App-Gruppe für das Corelliviertel in Urdenbach eigentlich für die Kommunikation etwa zu den regelmäßig stattfindenen Nachbarschaftsfesten oder anderen geselligen Treffen. Bei Britta Hügen liefen die Drähte in dem Kanal zusammen, der rund 30 Mitglieder hat. Doch mit Beginn des Überfalls der Russen auf die Ukraine wird über ganz anderes kommuniziert als, wer welchen Salat zum Fest beisteuert. Seit Beginn des Krieges wird darüber Hilfe für Ukrainer organisiert. Den Auftakt machte ein privater Spendenaufruf, damit sich am 28. Februar vollbepackte Hilfs-Transporter in Richtung polinisch-ukrainische Grenze aufmachen konnten.

Doch das war nur der Startschuss für ein außergewöhnliches Engagement, bei dem inzwischen 34 geflüchtete Frauen und Kinder betreut werden, angefangen von der Hilfestellung bei der Registrierung über das Stellen von Anträgen auf finanzielle Unterstützung, der Suche nach Wohnraum, der Versorgung mit Lebensmitteln oder dem Organisieren von Schul - und Praktikumsplätzen. Da gibt es jede Menge zu tun.

Das hat auch Silke Ganzera erfahren. Sie hatte schon kurz nach Kriegsbeginn bei der Stadt angezeigt, dass sie Geflüchtete aus der Ukraine aufnehmen will. Doch Ende Februar hieß es noch, dass das nicht nötig sei, da die Stadt selber genügend Kapazitäten habe, erzählt die Urdenbacher Ärztin. Mittlerweile, da ist sie sicher, würde so eine Antwort nicht mehr kommen. Weil der Platz nicht ausreicht, musste die Stadt bereits zwei Messehallen für die Geflüchteten herrichten. Seit Montag ist inzwischen die Plattform zur Wohnungssuche für ukrainische Geflüchtete online.

Im Mittelpunkt des Urdenbacher Engagements steht Skaiste Hahn. Sie kommt gebürtig aus Litauen, lebt seit 20 Jahren in Düsseldorf und unterhält seit vielen Jahren persönliche Kontakte in die Ukraine. Britta Hügen kennt sie vom Sport. Anfang März fragte Hahn sie nach möglicher Unterstützung bei der Aufnahme der ersten 17 Ukrainer. Schnell bildete sich die informelle Gruppe „Hilfe für Ukraine“. Am 5. März erreichten die ersten drei Familien per Auto und Zug Urdenbach und die Hilfsmaschine lief an.

Es läuft allerdings alles reibungslos. Vor allem an den Punkten, an denen die deutsche Bürokratie ins Spiel kommt. Silke Ganzera kann davon ein Lied singen. Sie kümmert sich um den Papierkram, damit die Geflüchteten Leistungen beziehen oder schnellstmöglich einen Job aufnehmen können. Das Registrierungsverfahren der Stadt habe sich in den ersten sieben Tagen mehrfach geändert – zunächst galt es für die Registrierung ein zweiseitiges Formular auf Deutsch auszufüllen, das dann auf 18 Seiten anwuchs, dann  musste man plötzlich persönliches vorsprechen. „Es gab weder eine digitale noch eine Erfassung von biometrischen Daten. Papierformulare wurden handschriftlich ausgefüllt“, berichtet die Ärztin aus den Anfängen. Die Geräte zur Registrierung der Flüchtlinge aus der Ukraine sind seit Anfang April in Düsseldorf verfügbar. Allerdings gab es zum Start technische Probleme, die zu Verzögerungen führten.

Inzwischen kümmern sich die Urdenbacher seit einem Monat um die vor dem Krieg geflüchteten Menschen. Ein Segen, sagen sie, werden sie von der evangelischen Gemeinde und vielen Menschen aus dem Stadtteil unterstützt; vom deutschen Staat gab es noch keinen Cent. Mehrere Kinder wurden an Grundschulen untergebracht, bei den weiterführenden Schulen ist es komplizierter, da das über das Schulamt organisiert wird. Artem würde gerne aufs Gymnasium. „Man hat uns gesagt, dass es wahrscheinlich am Benrather Schloß-Gymnasium eine Willkommensklasse geben soll“, berichtet Barbara Ludewig vom Helferkreis. Doch das kann noch etwas dauern. So lange macht der 15-Jährige das Homeschooling an seiner Schule in Fastiw mit, das 80 Kilometer südlich von Kiew liegt. Doch nicht immer ist dafür das Internet stabil genug. „Unsere Gäste wundern sich, dass es in der Landeshauptstadt nicht überall verfügbares Wifi gibt“, sagt Silke Ganzera.

Das nächste Problem ist die Arbeitssuche. Am schnellsten könnte es gehen, wenn der Arbeitgeber sich schriftlich bereit erklärt, eine Ukrainerin einzustellen, hat Ganzera erfahren. Anastasia Parkhomets hat in Chernigew ihr Floristen-Diplom abgelegt. Weil die 22-Jährige noch keinen Arbeitsvertrag schließen darf, macht sie bei einem Blumengeschäft im Stadtsüden ein Praktikum. Dabei hilft es ihr, dass es dort eine russischsprachige Angestellte gibt. Sie habe gedacht, dass sie zunächst nur einfache Arbeiten hätte erledigen dürfen wie Aufräumen, erzählt sie. Doch sie habe schon am ersten Tag Gestecke machen dürfen.

Komplizierter könnte es im Fall von Oxcana Liabakh werden, die in ihrer Heimat Krankenschwester in einer Poli-Klinik ist. Ihr Arbeitsvertrag mit ihren Zeugnissen liegt dort, an die Unterlagen kommt sie derzeit nicht. Jetzt hofft Ulrike König, die am Berather Sana-Krankenhaus die Notfallambulanz leitet, dass man sie dort vielleicht als Pflegehelferin wird einstellen können.

Geld verdienen wollen die Frauen alle. Niemand weiß, wie lange sie fern der umkämpften Heimat werden bleiben müssen. Die meisten wollen, wenn es für sie wieder sicher ist, zurück nach Hause zu ihren Männern, oder wie Oxcana zu ihrer Tochter (23), die wieder in die Ukraine gefahren ist, um als Krankenschwester mit ihrem Freund, einem Rettungssanitäter, ihre Heimat zu verteidigen. Nur vereinzelt werden sie auf Dauer bleiben wollen. Unter ihnen vielleicht auch Anastasia, wenn das mit dem Job klappt.

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