Urdenbach Karl May weckte die Liebe zu Amerika

Urdenbach · Heinz Knopp aus Urdenbach wanderte 1957 in die USA aus. Seine Lebenserinnerungen lesen sich wie ein Abenteuerroman.

 Heinz Knopp mit seinem Buch und einem Gemälde seiner Schwiegertochter. Es zeigt die Golden Gate Bridge – und den Auswanderer, der von Kindheit an davon träumte, durch die Prärie zu reiten.  In San Francisco betrieb er „Knopp‘s Bakery“.

Heinz Knopp mit seinem Buch und einem Gemälde seiner Schwiegertochter. Es zeigt die Golden Gate Bridge – und den Auswanderer, der von Kindheit an davon träumte, durch die Prärie zu reiten. In San Francisco betrieb er „Knopp‘s Bakery“.

Foto: RP/Thomas Gutmann

Die weite amerikanische Landschaft – Highway und Hills – umfasst den ganzen Buchumschlag. Im Vordergrund ein Ford Fairlane Cabriolet von 1957, am Steuer, lässig den Arm über der Fahrertür baumelnd, ein Mann mit Strohhut. Heinz Knopp hat sich den amerikanischen Traum erfüllt. Entfloh als 18-Jähriger den ärmlichen Verhältnissen seiner deutschen Heimat, fand in Kalifornien sein Glück als Tortenbäcker und lebt seit 34 Jahren teils in Vacaville bei Sacramento, teils in Urdenbach am Rhein.

„Zwischen Rheinbrücke und Golden Gate Bridge. Ein deutsches Kriegskind in den USA“ heißt die Autobiographie, die Knopp, der in diesen Tagen 80 wird, jetzt veröffentlicht hat. „Ich habe hart gearbeitet, und doch hätte in meinem Leben auch einiges schieflaufen können. Dass es alles in allem gut ging, dafür bin ich sehr dankbar“, sagt der Mann, der auf dem Foto auf der Buchrückseite dem Grandpa der „Waltons“ ähnelt. Schlohweißes Haar, ein ebensolcher Schnäuzer, buschige Augenbrauen. Gütig, bodenständig, zufrieden.

Die ersten Amerikaner, denen der damals Sechsjährige begegnete, trugen Uniform. Es waren Soldaten, die im Frühjahr 1945 in sein Heimatdorf Arzheim, heute ein Stadtteil von Koblenz, einrückten. Die zweiten Amerikaner waren Cowboys und Indianer. „Die GI’s waren sehr nett zu uns Kindern. Die Figuren aus den Karl-May-Büchern und -Filmen haben mich fasziniert“, erzählt Knopp. Old Shatterhand also verdankt er seine Liebe zu Amerika. Aber auch seinen kaputten Rücken. „Old Shatterhand hatte seine Schmetterfaust von der Schufterei in einer Kohlenmine. Das hat mich als Kind beeindruckt.“ So sehr, dass der Bäckerlehrling 200 Pfund schwere Mehlsäcke die Treppe hinaufschleppte. „Als 14-Jähriger! Ich selbst wog gerade mal 120 Pfund.“

 Knopp in den 70ern in seiner „Black Forest Bakery“.

Knopp in den 70ern in seiner „Black Forest Bakery“.

Foto: RP/Thomas Gutmann

Auch mit 14 machte er sich das erste Mal nach Amerika auf. Doch der Ausreißversuch aus der Bäckerei, wo der Stift regelmäßig Prügel vom Gesellen bezog, endete keine 300 Kilometer weiter nördlich bei seinen Tanten in Quakenbrück. Es war nicht sein letzter Abweg: In Frankfurt landete der 17-Jährige fast im Kriminellenmilieu. An seiner ersten Arbeitsstelle in den USA, einer Bäckerei in Philadelphia, versuchte er es mit illegalem Glücksspiel – und musste vor der Wettmafia an die Westküste fliehen. Später drohte ihm der Einsatz im Vietnamkrieg – doch Knopp hatte das Glück seine Wehrpflicht in Fort Gordon/Georgia ableisten zu dürfen.

Es sind gerade diese Episoden, die die Autobiographie spannend machen wie einen Abenteuerroman. Aber auch der Weg, den der junge Einwanderer schließlich nimmt, liest sich gut. Ob die Einbürgerungszeremonie mit seiner ersten Frau 1966, neun Jahre nach seiner Ankunft mit dem Atlantikkreuzer „Berlin“ („Jetzt waren Rita und ich Amerikaner, genau wie unsere kleine Tochter Monica“), ob der Kauf des hüftkranken Schäferhunds Tilo, den er vor dessen deutschstämmigem Züchter rettete, oder der Erfolg des bis zu 16 Stunden täglich arbeitenden Konditorei-Unternehmers, der es sich im Alter von rund 40 Jahren leisten kann, seinen Laden zu verkaufen und fortan von Immobilien zu leben – all das wird farbig, zum Teil rührend, oft mit Humor geschildert.

 Das Buch

Das Buch

Foto: RP/Thomas Gutmann

„Jack Shelton war ein berühmter Gastrokritiker. vom San-Francisco-Magazine“, erzählt Knopp. Der einflussreiche Feinschmecker war vom „Aprikosen-Walnuss-Kaffeekuchen“ des Deutschen begeistert und verfasste anschließend eine Ode auf dessen Weihnachtsstollen: „Noch besser als das Original von Dresden“. Aber, so Knopp, „ich vermutete, dass Shelton noch nie einen Dresdener Stollen gekostet hatte“.

Schreiben gelernt hat Knopp „durch das viele Lesen in Kindheit und Jugend“. Und in Creative-Writing-Kursen für Erwachsene in Kalifornien. „Außerdem hatte ich – neben meinem Enkel Calvin (21) bei der technischen Unterstützung durch Mechthilde Vahsen eine sehr gute Lektorin.“ Wohlkomponiert zeigt sich das Buch auch beim Einweben der gesellschaftlichen und politischen Zeitläufe. Von der Anti-Rassismus-Bewegung über die Depressionsjahre unter Jimmy Carter bis zur Immobilien- und Bankenkrise ab 2007/08 – diese Autobiographie lehrt auch Geschichte.

Knopp ist der Auffassung, dass die Investmentbank Lehman Brothers nicht Verursacher, sondern prominentestes Opfer des Crashs war. „Die Mehrheit der Amerikaner hat ein eigenes Haus. Es ist gewissermaßen ihr Konto, von dem sie durch Beleihung Geld abheben. Diese Mehrheit profitiert von Wertsteigerungen, nicht aber die Minderheit ohne Haus. Der Regierung Clinton war das ein Dorn im Auge: Um den Hauserwerb zu erleichtern, senkte sie die Pflichtquote beim Eigenkapital. Dieser gutgemeinte Akt hat die Immobilienkrise geboren. „Das wird oft vergessen, gerade in Deutschland, wo der Fokus allein auf der Gier der Banken liegt“, erklärt der Immobilienbesitzer.

Das oft düstere Amerika-Bild hierzulande korrigieren – auch darum hat Knopp seine Lebensgeschichte aufgeschrieben. „Amerika ist nicht besser und nicht schlechter als Deutschland – es ist anders“, sagt der Mann mit dem amerikanischen Akzent in den wohlformulierten deutschen Sätzen. Hier mehr Pünktlichkeit und Qualitätsbewusstsein, dort mehr Eigenverantwortung und Risikobereitschaft. „Der Amerikaner ist sehr zugänglich, aber auch etwas oberflächlich“, unterstreicht Knopp. „Wenn du in Amerika nach einer netten Begegnung sagst: ,Besuch mich mal‘, dann heißt das: ,Vielleicht sehen wir uns ja mal irgendwann wieder‘. In Deutschland steht dein Gegenüber am nächsten Tag vor der Tür.“

Wenn der Urdenbacher in Kalifornien ist, wie jetzt wieder, verteidigt er sein Mutterland gegen Vorurteile. So wie er als junger Vater in der Eislaufhalle unweit des Golden Gate Parks, in der seine Tochter trainierte, einem Betrunkenen Kontra gab. Der hatte ihm, auf seinen deutschen Akzent hin, den Hitlergruß gezeigt. Er sei amerikanischer Staatsbürger und müsse sich von niemandem „so eine Scheiße“ gefallen lassen, entgegnete Knopp. Sein Gegenüber war perplex – und entschuldigte sich.

Seit 1984 lebt der gebürtige Rheinländer wieder für einen Teil des Jahres in Deutschland – der Liebe wegen. „Marie-Luise“, sagt er über seine zweite Frau, „hat mir gezeigt, worauf es im Leben ankommt: nicht aufs Geld verdienen, sondern auf die Menschen um einen herum“. Zunächst in Benrath, wohnt das Paar seit zehn Jahren in Urdenbach. Die pensionierte Lehrerin mag Deutschland nicht missen, schätzt aber auch sehr Kalifornien: „Die Menschen dort sind so unbeschwert. Und die Landschaft ist fantastisch. Die Weite, das Meer, die Berge …“, schwärmt sie.

Über die Feiertage weilt die 76-Jährige ebenfalls in Vacaville, mit Enkelin Michelle (16) aus Solingen. Opa Heinz Knopp hat derweil drüben einiges zu erledigen: „Reparaturarbeiten am Haus, Hecken schneiden, Arztbesuche – was so anfällt.“ Und er freut sich auf ein Wiedersehen mit Tochter Monica (52) und Enkel Jake (24), der in Montana Ingenieurwissenschaften studiert. Träumen, sagt Heinz Knopp, tue er inzwischen auf Englisch. „Aber in meiner Brust schlagen zwei Herzen: ein amerikanisches und ein deutsches.“

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