Erntedank in Urdenbach Die Chronik einer dörflichen Tradition in Düsseldorf

Urdenbach · An diesem Wochenende wäre in Urdenbach Erntedank gefeiert worden. Das Fest ist seit fast 90 Jahren Brauch im Dorf. Doch der traditionelle Umzug findet aus Angst vor Infektionen nicht statt – nicht zum ersten Mal. Ein Blick in die Geschichte.

Düsseldorf-Urdenbach: Ein Blick in die Geschichte des Erntedankfests
9 Bilder

Ein Blick in die Geschichte des Erntedankfests in Urdenbach

9 Bilder
Foto: RP/Theo Dierdorf

Seit 88 Jahren ist das Erntedankfest ein besonderes Brauchtum in Urdenbach. Doch wie so viele Traditionen fällt auch das herbstliche Fest im Dorf der Corona-Pandemie zum Opfer. Gruppen und Vereine, allen voran der Organisator des Fests, der Allgemeine Bürgerverein Urdenbach (ABVU), haben sich bereits im Mai gemeinsam mit den Kooperationspartnern entschlossen, das Fest abzusagen, das an diesem Wochenende stattgefunden hätte. Doch 2020 ist nicht das erste Jahr, in dem in Urdenbach Erntedank nicht mit dem traditionellen Umzug gefeiert wurde. Der Lokalhistoriker und ehemalige ABVU-Vorstand Theo Dierdorf hat sich intensiv mit der Historie des Fests beschäftigt. Im vergangenen Jahrhundert stand die Erntedanktradition bereits mehrmals vor dem Aus, konnte von heimatverbundenen Bürgern jedoch stets gerettet werden. Ein Blick in die Geschichte:

1933 Ins Leben gerufen wird das Urdenbacher Erntedankfest mit Beteiligung der NSDAP unter dem Motto „Stadt und Land – Hand in Hand“. Der erste Festzug führt von Benrath nach Urdenbach, er wird bestückt von Bauern, Jägern, Gärtnern, Fischern und Handwerkern aus der Gemeinde Groß-Benrath. Einige Traditionen, etwa der Ochs am Spieß als Festessen, werden bereits in den ersten Jahren begründet.

1939 bis 1948 Während des Zweiten Weltkriegs und in den ersten Nachkriegsjahren fallen insgesamt zehn Erntedankfeste aus.

1949 Unter der Regie des ABVU wird das Erntedankfest wieder ins Leben gerufen. Der Vereinsvorsitzende Paul Hansen organisiert einen Umzug mit 18 Festwagen und zwei Musikgruppen. Am Montag findet zum ersten Mal der Blotschenball statt, der auch heute noch ein wichtiger Teil des Erntedankfests ist.

1950 Eine weitere Tradition kommt hinzu. Der spätere Oberbürgermeister Josef Kürten veranstaltet mit einer katholischen Jugendgruppe – ohne Wissen der Organisatoren – ein Rennen mit Handkarren, den sogenannten Schürreskarren. Diese müssen mit Körben und Feldfrüchten beladen von der Kirche an der Dorfstraße bis zum Festplatz gefahren werden. In späteren Jahren machen auch andere Gruppen junger Männer bei dem Rennen mit. Bis heute gehört das Schürreskarrenrennen zu den Bräuchen des Dorfs.

1961 Zum ersten Mal seit dem Krieg fällt das Urdenbacher Erntedankfest – wie auch viele andere Kulturveranstaltungen – aus. Grund dafür ist eine schwere Polio-Epidemie. Die auch als Kinderlähmung bekannte Krankheit grassierte in diesem Jahr in Deutschland besonders heftig – und zum letzten Mal, denn noch im selben Jahr wird hierzulande die Schluckimpfung eingeführt, die die Zahl der Erkrankungen stark verringert. Dennoch wird das Erntedankfest aus Angst vor Ansteckungen abgesagt.

1960er und 1970er Jahre Die Landwirtschaft, die Urdenbach traditionell geprägt hat, verliert an Bedeutung. Viele Betriebe werden aufgegeben, andere zunehmend automatisiert. Mit dieser Entwicklung schwindet auch die Tradition, zwischen 1963 und 1976 findet kein Erntedankfest in gewohnter Form statt, auch der Festzug durchs Dorf wird abgesagt. Als Ersatz gibt es eine Herbstkirmes. 1972 stehlen Unbekannte in der Nacht vor dem Fest den Ochsen vom Spieß. Erst 1976 begleitet wieder ein Erntewagen das Blotschenkönigspaar und die Schürreskarrenfahrer.

1977 Mit rund 200 Teilnehmern gelingt es dem ABVU, wieder einen Umzug auf die Beine zu stellen. Das Straßenfest muss zwar wegen eines plötzlichen Gewitters abgebrochen und ins Zelt verlagert werden, dennoch ist der Grundstein gelegt, die Tradition im Dorf wieder aufleben zu lassen.

1978 bis 2018 Neben den Ortsvereinen und Gemeinden engagieren sich immer mehr Freundeskreise im Umzug. Die Zahl der Teilnehmer erhöht den Organisationsaufwand für die Verantwortlichen, das Erntedankfest ist fester Termin im Urdenbacher Kalender.

2019 Das bisher letzte Erntedankfest wird von starkem Regen getrübt.

Düsseldorf: Erntedank in Urdenbach - Geschichte einer dörflichen Tradition
Foto: RP/Theo Dierdorf

2020 Aufgrund der Corona-Pandemie muss das Urdenbacher Erntedankfest zum bisher zwölften Mal abgesagt werden. Lediglich ein ökumenischer Gottesdienst wird gefeiert. Der ABVU hofft darauf, im kommenden Jahr wieder in gewohnter Form und möglichst ohne Einschränkungen feiern zu können.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort