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Haus Bürgel im Süden Düsseldorfs Des Kaisers alte Äpfel

Düsseldorf · In den Streuobstwiesen von Haus Bürgel im Süden Düsseldorfs reifen alte und seltene Obstsorten. Der Kaiser-Wilhelm-Apfel wurde sogar hier entdeckt. Viele der ursprünglichen Züchtungen gibt es nicht im Obsthandel, obwohl sie etwa für Allergiker geeignet sind.

 Biologe Norbert Tenten (r.) erntet Kaiser-Wilhelm-Äpfel in den Obstgärten von Haus Bürgel. Mehr als 40 Sorten wachsen auf dem Gelände, auch solche, die für die kommerzielle Produktion nicht geeignet sind.

Biologe Norbert Tenten (r.) erntet Kaiser-Wilhelm-Äpfel in den Obstgärten von Haus Bürgel. Mehr als 40 Sorten wachsen auf dem Gelände, auch solche, die für die kommerzielle Produktion nicht geeignet sind.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Beim Pflücken fällt der jungen Frau, die auf Haus Bürgel ihr freiwilliges soziales Jahr absolviert, ein Apfel runter und rollt ins hohe Gras der Streuobstwiese. Norbert Tenten sucht kurz nach der Frucht, hebt sie auf und wirft sie in einen Eimer. „Macht nichts, der kommt in den Schnaps“, kommentiert der Biologe.

Tenten ist verantwortlich für die Obstbäume, die die Biologische Station von Haus Bürgel in der Urdenbacher Kämpe pflegt. Zehn Tonnen Äpfel holen er und sein Team in einem guten Jahr von den Ästen, dazu kommen unter anderem Birnen und Kirschen. Die Bäume stehen nicht, wie in der modernen Produktion üblich, in engen Reihen, sondern locker über Wiesen verteilt, zwischen den Stämmen weiden Rinder. „Diese Art der Landwirtschaft lohnt sich finanziell nicht“, sagt Elke Löpke, Leiterin in Biologischen Station.

In den 60er Jahren wurden sogar Prämien gezahlt, wenn Streuobstwiesen in effektivere Nutzflächen umgewandelt wurden. „Wir züchten unser Obst mit Blick auf den Artenschutz“, so Löpke. Denn die Streuobstwiesen sind Lebensraum für viele teils bedrohte Tierarten, vor allem Insekten. Aber auch Vögel wie der Steinkauz haben hier ihr Zuhause.

In der Kämpe wachsen einige alte und seltene Apfelsorten. Besonders stolz sind Tenten und Löpke auf den sogenannten Kaiser-Wilhelm-Apfel, der erstmals im Jahr 1864 im Obstgarten von Haus Bürgel von dem Apfelkundler und Lehrer Carl Hesselmann entdeckt wurde. Kaiser Wilhelm I. gab daraufhin persönlich seine Erlaubnis, diesen „wahrhaft majestätischen Apfel“ nach ihm zu benennen.

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Foto: Tanja Walter

Zwischenzeitlich schien es, als sei der Kaiser-Wilhelm gar nicht neu gewesen, sondern mit einer Sorte aus dem Raum Grevenbroich identisch. Dies, so will Norbert Tenten herausgefunden haben, ist jedoch auf eine Verwechslung in der Baumschule zurück zu führen, sodass in Wahrheit in Grevenbroich Kaiser-Wilhelm-Äpfel unter falschem Namen angebaut werden. „Ein kleiner Krimi für Pomologen“, sagt Tenten.

Der Kaiser-Wilhelm ist für die kommerzielle Apfelproduktion schlecht geeignet, da er stark in die Höhe wächst und daher umständlich zu ernten ist. Auf dem Gelände von Haus Bürgel sowie an einigen anderen Standorten wird er jedoch weiterhin gepflegt.

Alte, naturnahe Apfelsorten seinen auch für viele Allergiker gut geeignet, sagt Tenten. Grund dafür sei, dass die meisten kommerziellen Sorten zum Teil von einigen wenigen Arten abstammen – etwa Golden Delicious – und somit häufig dieselben Enzyme aufweisen, auf die viele empfindlich reagieren. Norbert Tenten geht regelmäßig mit A­ller­gikern durch seinen Garten, lässt probieren und führt eine Strichliste. „So kann ich die Leute beraten, welche Sorten ihnen wahrscheinlich bekommen“, sagt der Biologe. Mehr als 40 Sorten wachsen auf dem Gelände um Haus Bürgel. Wie viele Bäume er betreut, weiß Tenten nicht. Dafür kann er die Sorten sofort bestimmen, wenn er Stamm und Früchte betrachtet. Und er kann zu jeder Sorte Eigenschaften wie Geschmack und optimale Lagerung aufzählen.

Wenn der Biologe Besucher durch den Garten führt, staunen viele über einen Baum: Zwei verschiedene Apfelsorten wachsen aus dem selben Stamm, eine rot, eine gelb-grün. „Veredelung nennt man das, ein Trick, der bereits bei den Alten Griechen bekannt war“, so der Biologe. Schneidet man einen Zweig von einem Baum ab, kann man ihn auf eine gleichgroße Schnittstelle eines anderen Baumes setzen und dort anwachsen lassen. So ist es möglich, dass ein Baum zwei – oder mehr – verschiedene Apfelsorten hervorbringt. „Die Möglichkeiten sind im Grunde unbegrenzt. In meinem Garten zu Hause habe ich einen Baum, an dem ich acht Monate im Jahr frische Äpfel ernten kann“, erzählt Tenten.

Der Fotograf der Urdenbacher Kämpe
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Der Fotograf der Urdenbacher Kämpe

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Foto: Klaus Weber

Die aktuelle Trockenheit schadet seinen 25 Jahre alten Bäumen bisher nicht. „Wir sind hier in der Kämpe nahe am Grundwasser, andernorts haben die Bäume bereits das Obst abgeworfen.“ Wenn ein Baum zu wenig Wasser bekommt, gibt er seine Früchte auf, um die Ressourcen auf den Erhalt des Stammes zu konzentrieren. Vor allem junge Pflanzen sind bedroht, einige von Tentens Nachpflanzungen der vergangenen Jahre sind bereits eingegangen.

Bei der Ernte helfen Familien aus dem Umland und Firmen, die einen Tag auf den Streuobstwiesen als soziales Event nutzen. „Ohne diese Hilfe würden wir der Masse mit unseren Mitteln gar nicht Herr werden“, sagt Elke Löpke. Am 26. September fand eine Ernte-Aktion in der Kämpe statt – unter Corona-Auflagen natürlich, mit einer Familie pro Baum. „Die Arbeit in der Natur ist eine Erfahrung, die in Düsseldorf sonst selten zu machen ist“, sagt Löpke. Während 2019 ein gutes Jahr für die Urdenbacher Apfelernte war, sieht es 2020 eher durchschnittlich aus. „Wir hatten Spätfrost im April, da sind ein paar Bäume ausgefallen“, sagt Tenten. Zudem machten einige Pflanzen nach guten Jahre eine Pause mit weniger Früchten.

Trotzdem bleibt genug für die Produktion. Die Biologen unterscheiden zwischen A- und B-Qualität. „Wenn ein Apfel herunterfällt, bekommt er braune Stellen. Verkaufen können wir ihn dann nicht mehr, aber wir machen Mus daraus – oder unseren eigenen Obstbrand“, erklärt Norbert Tenten. Verschwendet wird auf jeden Fall nichts – denn neben dem Artenschutz helfen die Obstwiesen von Haus Bürgel auch dabei, Geld für den Naturschutz zu sammeln.

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