Unterrath Von der Großstadt in die Wildnis

Unterrath · Judith Nacke und ihr Partner Mike Neubauer wandern aus. In Portugal haben sie ein 20.000 Quadratmeter großes Grundstück gekauft.

 Die Umzugskisten sind schon gepackt - nach Portugal mitnehmen werden Judith Nacke und Mike Neubauer vor allem Bücher und CDs.

Die Umzugskisten sind schon gepackt - nach Portugal mitnehmen werden Judith Nacke und Mike Neubauer vor allem Bücher und CDs.

Foto: andreas bretz

Dutzende Kisten stehen aufeinandergestapelt im kleinen Wintergarten neben der Küche. Bücher, CDs, Comics; manche tragen die Aufschrift Arbeit - viel mehr wollen Judith Nacke und Mike Neubauer nicht mitnehmen, wenn sie in ein paar Wochen umziehen. Viel mehr brauchen die beiden eigentlich auch nicht, vieles, was sie hier in Düsseldorf haben, wird bald überflüssig sein.

Ihr neues Zuhause, das sie in den letzten drei Jahren selbst aufgebaut haben, und das noch lange nicht fertig sein wird, liegt in Portugal. Nicht im Zentrum, nicht in der Großstadt. Judith Nacke und Mike Neubauer haben 2013 ein Grundstück gekauft, irgendwo in der Wildnis zwischen Lissabon und Porto, das 50 Jahre sich selbst überlassen war, auf dem es anfangs kein fließendes Wasser gab und das bis heute nicht an ein Stromnetz angeschlossen ist. "Im Sommer bekommen wir Solaranlagen", sagt der 49-Jährige, der hier in Düsseldorf als Interior-Designer arbeitet. Noch. Mike Neubauer wird alles aufgeben, sein Büro an der Lorettostraße, seine Kunden, sein Haus in Unterrath. Für ein Abenteuer, das er seit fast vier Jahren mit seiner Freundin Judith Nacke plant. Die 36 Jahre alte Grafik-Designerin wird mit einem Fuß noch in Deutschland bleiben, zumindest beruflich. "Mal gucken, ob die Kunden das mitmachen", sagt sie.

Dass die beiden einmal auswandern würden, darüber hatten Nacke und Neubauer eigentlich nie konkret gesprochen. Irgendwann schaute die 36-Jährige nach Häusern und Grundstücken in Düsseldorf, nach einem Stück Land, auf dem sie Platz hat, fernab von Trubel und vielen Menschen. "Bei den irrwitzigen Preisen habe ich nach zwei Tagen aufgegeben", erzählt sie. Aus Jux tippte sie in die Suchmaske Portugal ein und entdeckte ein Selbstversorger-Grundstück. "Zwei Wochen später sind wir hingefahren", sagt Nacke. Aus einer Spinnerei wurde plötzlich ein Plan.

Nacke und Neubauer kauften sich zwei Geländewagen. "Die braucht man dort, es gibt nur Wald- und Feldwege", sagt der 49-Jährige. Und einen Wohnwagen, in dem sie jede freie Minute in den letzten drei Jahren lebten, um auf ihrem Grundstück einen Trinkwasserbrunnen zu bohren und Treppen zu bauen. Und irgendwie werden die Auswanderer auch in Zukunft noch in diesem Wohnwagen leben, ist er doch Teil des Hauses geworden, das auf einer Empore steht. "Wir haben den Wohnwagen überdacht, weil er nicht richtig dicht war", sagt Judith Nacke. Bald bauten sie Wände um und nahmen Teile vom Wohnwagen weg. Entstanden ist ein 50 Quadratmeter großes Holzhaus mit Wintergarten auf einer Empore mit einer Aussicht auf ein Tal und einen Stausee. Das nächste Dorf liegt etwa drei Kilometer weit entfernt. Ganz abschotten von der Außenwelt wollen sich Nacke und Neubauer aber nicht, in Álvaro, dem Nachbarort, haben sie ein Haus gekauft, das sie als Büro nutzen, in dem sie Internet haben und Computer. 40 dauerhafte Bewohner hat Álvaro, Judith Nacke und Mike Neubauer inbegriffen.

 Vom Haus aus blicken Nacke und Neubauer auf einen Stausee.

Vom Haus aus blicken Nacke und Neubauer auf einen Stausee.

Foto: Mike Neubauer

Geld hat das Paar angespart, ein bisschen mehr als ein Jahr werden sie davon leben können, wenn sie in dieser Zeit nichts einnehmen. Sie wollen Zucchini pflanzen und Auberginen, Wildkräuter und Salbei wachsen dort schon. "Für Stadtkind Mike ist sogar Unkraut faszinierend", sagt Judith Nacke. Und im Dorf werden die beiden alles bekommen, was sie nicht selbst anbauen können. Nur die frischen Brötchen vom Bäcker, die werden der 36-Jährigen fehlen.

Wie es weitergeht in Portugal, das lassen Nacke und Neubauer auf sich zukommen. Vielleicht bauen sie ein Gästehaus, vielleicht ergibt sich etwas anderes. "Wir sind schon in Kontakt mit dem Bürgermeister", sagt Mike Neubauer. Und wenn alles schiefgeht, einer krank wird oder sie vereinsamen: "2200 Kilometer bis nach Deutschland schaffen wir notfalls mit dem Auto", sagt der 49-Jährige.

(RP)
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