Unterbilk Anwohner diskutieren Straßennamen

Unterbilk · Die Wissmannstraße in Unterbilk ist nach einem umstrittenen Afrikaforscher benannt. Über seinen Hintergrund sollen dort künftig Tafeln informieren. Eine Offene Geschichtswerkstatt zeigte aber: Viele wünschen sich eine Umbenennung.

 Interessierte Anwohner diskutierten bei der Offenen Geschichtswerkstatt im Leo-Statz-Berufskolleg.

Interessierte Anwohner diskutierten bei der Offenen Geschichtswerkstatt im Leo-Statz-Berufskolleg.

Foto: Andreas Endermann

Die Diskussion um eine mögliche Umbenennung der Wissmannstraße in Unterbilk beschäftigt die Anwohner bereits seit 2016, und ein Ende scheint nicht in Sicht. Einstimmig hat die Bezirksvertretung beschlossen, dass eine Lösung erarbeitet werden soll, über eine eventuelle Umbenennung müsste allerdings der Stadtrat entscheiden. Dort schreckt man bisher vor den Kosten zurück, die das mit sich brächte. Schilder, Stadtkarten, Umgebungspläne an Haltestellen, Personalausweise der Anwohner müssten geändert werden. Entschieden hat man sich deshalb vorerst für die Aufstellung von Infotafeln, die den geschichtlichen Hintergrund erläutern. Diese könnten ihren Platz am Anfang und Ende der Wissmannstraße finden. Der mögliche Inhalt wurde Anwohnern und Interessierten am Samstag bei einer Offenen Geschichtswerkstatt in der Aula des Leo-Statz-Berufskollegs vorgestellt und diskutiert. Dabei ging es vor allem um die Hintergründe des Namensstreits.

Die Straße wurde 1908 nach Hermann von Wissmann benannt, der damals als "größter deutscher Afrikaner" bezeichnet wurde. Wer war jener "Afrikaforscher" aber wirklich? Wie geht man in Afrika mit diesem Teil der Kolonialgeschichte um? Das waren Fragen, die die Teilnehmer unter Leitung von Stefani Michels und Caroline Authaler von der Heinrich-Heine-Universität diskutierten. Die beiden hatten die Textvorschläge für die Infotafeln erarbeitet.

Auch Mitarbeiter des Stadtarchivs und drei Dozenten der Universität Dschang in Kamerun waren dabei. Albert Gouaffo etwa ist Germanistikprofessor und Leiter des Instituts für angewandte Fremdsprachen an der Universität Dschang und bot eine Diskussionsrunde über deutsche Kolonialgeschichte an. Gemeinsam mit Philipp Koep, Geschichtslehrer der Hulda-Pankok-Gesamtschule, sprach er darüber, welches Wissen überhaupt - vor allem anhand von Schulbüchern - vermittelt wird. Literaturwissenschaftler Richard Tsogang Fossi beschäftigte sich in seiner Gruppe mit von Wissmann selbst verfassten Texten aus der Kolonialzeit.

Lehrer Philipp Koep und eine Schülergruppe der Hulda-Pankok-Gesamtschule hatten 2016 die Umbenennung der Straße beantragt. "Die Anwohner müssen vor allem informiert werden", sagte er nun. Wichtiger als ein neuer Name sei, dass die Anwohner den geschichtlichen Hintergrund ihrer Straße kennen. So sahen es auch viele Gäste der Geschichtswerkstatt: Der frühere Landtagsabgeordnete Stefan Engstfeld lebte selbst etwa fünf Jahre lang an der Wissmannstraße. "Ich wusste gar nicht, wo ich da wohne", erklärte er am Samstag. Erst durch Bekannte sei er auf den Hintergrund Wissmanns aufmerksam geworden und habe zu recherchieren begonnen. Er wäre, wie die anderen, trotz der Infotafeln weiter für eine Umbenennung.

Die Namensgebung 1908 hatten übrigens die Anwohner beantragt - eine Tatsache, die viele Anwesende überraschte. Caroline Authaler betonte aber, dass das gut 110 Jahre her sei: "Das war eine ganz andere Zeit, in der völlig anders mit der damals frischen Geschichte umgegangen wurde."

(RP)
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