Eis in Düsseldorf „Niemand hat auf mein Vanilleeis gewartet“

Düsseldorf · Die Corona-Krise hat der 43-Jährige genutzt, um etwas Neues auszuprobieren. Roberto Ghirloni verkauft sein Eis jetzt an Supermärkte. Dieser Schritt war aber nicht ohne ein großes finanzielles Risiko möglich.

 Roberto Ghirloni ist Chef der Eismanufaktur Ghirloni.

Roberto Ghirloni ist Chef der Eismanufaktur Ghirloni.

Foto: nika

Herr Ghirloni, Sie sind ja kaum wiederzuerkennen.

Roberto Ghirloni Ich habe 22 Kilo abgenommen.

Haben Sie in der Corona-Krise Leistungssport für sich entdeckt?

Ghirloni Auf keinen Fall. Aber mein Arzt sagte, ich sollte langsam aufpassen mit dem Gewicht. Und was isst ein Italiener am liebsten?

Nudeln.

Ghirloni Und Brot. Das habe ich alles weggelassen und fast nur körnigen Frischkäse mit Tomaten gegessen.

Vor einem Jahr haben wir uns das letzte Mal gesehen, kurz nachdem der erste Lockdown beschlossen wurde.

Ghirloni Stimmt. Damals hatte ich die Idee, eine Acrylscheibe an der Tür einzubauen, damit ich die Eisdiele in Stockum weiter öffnen kann.

Das hat ja sehr gut geklappt. Und wie ist das Jahr für Sie dann gelaufen?

Ghirloni Puh...

Sagen Sie es mit einem Wort.

Ghirloni Ungewiss.

Weil Sie so abhängig sind von den Entscheidungen der Politik?

Ghirloni Auch. Und ich habe selbst Entscheidungen getroffen, bei denen ich nicht wusste, was dabei rauskommt.

Zum Beispiel?

Ghirloni Ich hatte schon länger die Idee, mein Eis auch im Supermarkt zu verkaufen. Aber irgendwie fehlte immer die Zeit. Mit zwei Läden, dazu das Catering-Geschäft, bei dem ich auf Messen oder Hochzeiten Eis verkauft habe. Im letzten Jahr gab es aber nicht ein Event mehr, für das ich hätte gebucht werden können. Kostenpflichtiger Inhalt Und das Eiscafé in Gerresheim haben wir kurz vor dem Ausbruch der Pandemie geschlossen, weil wir mit dem Vermieter nicht mehr übereingekommen sind.

Das war traurig.

Ghirloni Natürlich, wir waren fast 45 Jahre dort. Aber im Nachhinein hatte es bei aller Traurigkeit etwas Gutes.

Nämlich?

Ghirloni Ich war schon immer ein Tausendsassa und konnte mich so auf etwas Neues konzentrieren. Ich hatte die Zeit, die Idee mit dem Supermarkt wieder aufzugreifen, die Pläne lagen ja praktisch in der Schublade. Wissen Sie, wenn alles in dem gewohnten Trott läuft, geht man keine Risiken ein, probiert nichts aus. Auch wenn man am Anfang schon mal für ungewöhnliche Ideen ausgelacht wird.

Ist Ihnen das passiert?

Ghirloni Bei der Acrylscheibe. Und nach ein paar Wochen haben ganz viele das Modell kopiert.

Ging es Ihnen bei der Supermarkt-Idee auch so?

Ghirloni Niemand hat auf mein Vanilleeis gewartet. Trotzdem habe ich alles auf eine Karte gesetzt.

Ganz schön riskant mitten in der Corona-Krise.

Ghirloni Ich bin ein risikofreudiger Typ, habe unser Erspartes genommen und einen sechsstelligen Betrag investiert.

Hatten Sie keine Angst? Sie haben Frau und Kinder?

Ghirloni Ich habe meine Frau gefragt und sie sagte: „Roberto, warum fragst du mich überhaupt, du machst es doch sowieso, egal was ich sage.“

Und was haben Sie geantwortet?

Ghirloni Dass ich ihr das Gefühl geben wollte, sie ist Teil der Entscheidung. Und ohne sie würde das auch alles nicht laufen. Wir sind eine Zwei-Mann-Show. Ich glaube aber auch so sehr an das, was ich tue.

Und dann standen die Supermärkte Schlange?

Ghirloni (lacht) Schon beim allerersten Gespräch mit den Entscheidern kamen mir Zweifel. Sie machten mir gleich klar, dass sie keine Fehler verzeihen und sie nicht auf mich gewartet haben. In den Kühlregalen stehen schließlich hunderte Eissorten.

Wie das von Lukas Podolski.

Ghirloni Kostenpflichtiger Inhalt Schlecht wird Podolskis Eis nicht sein, das kann sich heute niemand mehr erlauben. Aber ich bin sicher, dass das, was ich mache, besser ist. Ich mache schließlich, was ich kann. Eismachen ist ein Handwerk. Dafür spiele ich kein Fußball.

Und deshalb haben Sie keinen Rück­zieher gemacht.

Ghirloni Ich hab’ eine ziemlich große Klappe und dachte: Jetzt erst recht. Und irgendwie hat es funktioniert. Mit viel Engagement, am 23. Dezember habe ich selber noch Eisbecher ausgeliefert, damit genug in den Kühlregalen stehen.

Wie viele Märkte verkaufen denn Ihr Eis jetzt?

Ghirloni 40 sind es mittlerweile sicher.

Das ist ganz schön viel.

Ghirloni Wir haben ja auch ganz schön viel Arbeit reingesteckt. Und man kennt uns hier. Und wir versucchen Synergien zu schaffen. Wie mit der Bäckerei Hinkel. Gerade haben wir die Sorte Florentiner entwickelt, mit Hinkels Keksen.

Ist Josef Hinkel auf Sie zugekommen?

Ghirloni Ne, das war andersrum. Eine Kundin schwärmte von den Printen. Da habe ich eine Ladung geholt und in meinem Eislabor getüftelt. Das schmeckte so gut, dass wir uns zusammengesetzt haben.

Gibt es denn irgendwas, das sie nicht zu Eis machen können? Schließlich sind Sie ja auch der Erfinder des Altbier-Eises.

Ghirloni Als ich einmal sagte, ich kann alles zu Eis verarbeiten, fragte ein indisches Unternehmen mit Sitz in Großbritannien, was ich denn aus Stahl zaubern kann.

Aus Stahl?

Ghirloni Das Unternehmen produziert Federn.

Und dann mussten Sie passen.

Ghirloni Ich hab’ mir was einfallen lassen. Aus einem Teig habe ich eine Art Waffel gebacken, die die Form der Federn hatte. Gefüllt wurden die mit Eis, und das Ganze hat die Firma bei einem Event dann als Fingerfood verteilt.

Aber mal ehrlich jetzt: Sie verarbeiten wirklich alles zu Eis?

Ghirloni Es muss schon Grenzen geben. Ein Bolognese-Eis mache ich sicher nicht. Aber es wird bald etwas Herzhaftes geben. Mehr kann ich noch nicht verraten.

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