Weltenbummlerin Per Anhalter durch die Welt

Stadtmitte · Inna Rabkina hat vor zwei Jahren angefangen, ohne viel Geld zu reisen. Gerade ist sie aus Südkorea zurückgekehrt.

 Rund 54 Kilometer von der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar steht das Reiterstandbild des Dschingis Khan, die Inna Rabkina besucht hat.

Rund 54 Kilometer von der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar steht das Reiterstandbild des Dschingis Khan, die Inna Rabkina besucht hat.

Foto: Inna Rabkina

Für sie war es der Ausweg, als sie nicht weiter wusste, als sie ganz unten war, ihr Herz gebrochen, ihre große Liebe fort. Der Moment, als sie in einem fremden Land war, an der Straße auf ein Auto wartete, nicht wusste, wer drin sitzt oder ob sie einsteigt, ein bisschen Spannung und Nervenkitzel, ein bisschen Vorfreude. Das hat sie gerettet, „ich fühlte mich lebendig“, sagt Inna Rabkina. Seit fast zwei Jahren lebt die 37-Jährige ein Vagabundenleben, sie reist von einer Stadt in die nächste, von einem Land ins andere, trifft Fremde, die zu Freunden werden, sieht Orte, die versteckt liegen, die kein Tourist findet.

Früher hatte Inna Rabkina Pläne, ganz strikte Vorstellungen von ihrem Leben – Schule, Studium, Beruf, Heirat, vielleicht ein Haus und Kinder. Zur Schule ist sie gegangen, einen Abschluss an der Uni in Düsseldorf hat sie gemacht – in Erziehungswissenschaften und Psychologie. Sie hatte einen Freund, und eben ihre Pläne, und plötzlich lag alles in tausend Scherben, als er sie verließ. Übrig blieb eine Frau, die nicht wusste wohin, die nicht wusste warum, die versuchte, über Yoga und Meditation wieder ins Leben zu finden. „Ich dümpelte umher, war auf der Suche nach meiner Seele“, sagt sie und fügt rasch hinzu: „Gott, klinge ich esoterisch.“ Irgendwann, vor zwei Jahren dann, begleitete Inna eine Freundin nach Georgien, auf einen Trip, kaum Geld in der Tasche. Drei Wochen reisten sie durch das Land im Kaukasus, ein ganz anderes Reisen war das, früher hat Inna Rabkina Pauschalreisen gemacht – Flug, Hotel, Mietwagen, immer in Touristenorten.

 Grundsätzlich trampt Inna Rabkina, um ans nächste Ziel zu kommen.

Grundsätzlich trampt Inna Rabkina, um ans nächste Ziel zu kommen.

Foto: Inna Rabkina

Als sie dann da stand, mit ihrer Freundin, irgendwo an einem Weg, irgendwo in Georgien, sie zum ersten Mal darauf wartete, dass jemand stehenbleibt, „da war es plötzlich wieder“, sagt sie. Das Leben. Antworten, die sie gesucht hat, Eindrücke, die ihr geholfen haben, all das zu verarbeiten, was passiert war. Drei Wochen zogen die Frauen von Stadt zu Stadt. „Ich war plötzlich süchtig“, sagt Inna Rabkina, die sich nach der Auszeit zwar frei fühlte, die sich nicht vorstellen konnte, wieder zurück in ihr altes, durchgeplantes Leben zu gehen, die aber auch den Alltag vor Augen hatte. Das Geld, ihre Familie, die Mutter, die nur die Hände über dem Kopf zusammenschlug, als Inna ihr sagte, Georgien sei nicht das letzte Ziel gewesen. Und ihren russischen Großvater, der immer wert auf eine gute Ausbildung legte, der darauf bestand, dass Inna studiert. „Als meine Familie sah, wie glücklich ich war“, sagt Inna, „war es für sie okay. Auch wenn sie sicher hoffen, dass ich irgendwann wieder normal werde.“

Zehn Länder hat Inna Rabkina sicher schon als Anhalterin bereist – Frankreich, Italien, Holland waren dabei, Russland, die Mongolei und Südkorea. Manchmal, da startet die 37-Jährige gleich von Deutschland aus per Anhalter, manchmal fährt sie ein Stück mit dem Zug, manchmal fliegt sie auch. Eines ist immer sicher: „Ich bin nie allein unterwegs.“ In Georgien ist es einmal brenzlig geworden, „da wollte uns ein Mann nicht mehr gehen lassen, wir schmiedeten schon Fluchtpläne“. Für ihre jüngste Tour suchte sich Inna Rabkina eine Begleitung übers Internet, jemanden, der so spontan ist wie sie, „jemanden, der nicht ganz so verrückt ist wie ich“, sagt Inna. Ein junger Mann, 26, sollte sie begleiten. „Die Menschen, die so reisen, die haben eine Geschichte zu erzählen“, sagt Inna Rabkina, die russische Wurzeln hat und die schon immer mal an den Baikalsee in Irkutsk wollte, das tief in Russland liegt. Dort bekam das Zelt ein Leck, Inna und ihr Begleiter klopften an eine Kirchentür, „und es war, wie es in der Bibel steht“, sagt sie ganz gerührt. „Das war eine wahre Kirche, in der wir bleiben durften, in der es keinen Reichtum gab und keinen Prunk.“ Dafür einen Schlafplatz und Essen. Am nächsten Tag reiste das Duo weiter, allein bis nach Wladiwostok lagen sieben Stationen dazwischen, manchmal sind die beiden drei Tage lang mit ein und demselben Fahrer unterwegs gewesen, haben im Auto geschlafen oder am Straßenrand neben dem Auto. Manchmal haben Inna Rabkina und ihr Begleiter in einer Stunde dreimal das Auto gewechselt, und irgendwann waren sie in der Mongolei, wo sie in einem Tempel schliefen, dicht an einem Vulkan. Ein bisschen geschummelt hat Inna Rabkina unterwegs, den Weg nach Südkorea hat sie per Flugzeug zurückgelegt, dort in einem Hostel für Kost und Logis gearbeitet. Wie viele Kilometer sie gefahren ist, weiß Inna nicht, „ich bin eine Niete in Geographie“, sagt sie, all ihre Freunde lachen schon über die 37-Jährige, weil ausgerechnet sie per Anhalter durch die Welt fährt.

 In der Kirche in Irktusk wurde Inna herzlich aufgenommen.

In der Kirche in Irktusk wurde Inna herzlich aufgenommen.

Foto: Inna Rabkina
 Fremde Kulturen und weite Landschaften entdeckt die 37-Jährige bei ihren Reisen durch die Welt.

Fremde Kulturen und weite Landschaften entdeckt die 37-Jährige bei ihren Reisen durch die Welt.

Foto: Inna Rabkina

Ein paar Wochen wird Inna Rabkina jetzt in Düsseldorf sein, sich um ihre Wohnung in Stadtmitte kümmern, um ihre Post, ihre Familie. Geld verdient sie als Dolmetscherin. „Das kann ich von überall aus machen“, sagt sie, zwischendurch schreibt sie Geschichten, „die ich unterwegs auf meinen Reisen finde“, sagt Inna Rabkina. Sie werden in Russland publiziert. Bald will sie wieder los, nach Mexiko oder Tibet, vielleicht sechs, vielleicht zwölf Monate. Jedes Mal, wenn sie weg war, ist sie länger geblieben, als bei der letzten Reise. Immer auf der Suche nach dem perfekten Augenblick, auf der Suche nach dem Kribbeln, das sie hat, wenn sie ein Auto anhält oder nach einem Schlafplatz schaut. Wie dem auf dem Schiffsdeck, „als ich aufwachte, das Meer roch und den frischen Kaffee und in den Himmel schaute“, sagt Inna Rabkina. Das ist der perfekte Moment.

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