Stadtmitte In der Zwischenzeit

Stadtmitte · Die Stadt ist zurzeit sehr seltsam. Übervoll ist die City, leer sind Wohn- und Gewerbegebiete. Und die Menschen? Sind aus dem Tritt.

 Es wird gekauft: Um die besten Schnäppchen im Schlussverkauf abzugreifen, tummelten sich die Menschen gestern in der Düsseldorfer Innenstadt.

Es wird gekauft: Um die besten Schnäppchen im Schlussverkauf abzugreifen, tummelten sich die Menschen gestern in der Düsseldorfer Innenstadt.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Flagship-Stores sind Vorzeigegeschäfte von Marken, die ihre Kundschaft mit dem Versprechen locken, besonders ausgestattet, sortiert und edel zu sein. Was sie aber nicht daran hindert, einen schnöden Schlussverkauf zu machen, und damit es bei Michael Kors am Breidenbacher Hof heute nicht zugeht, wie in irgendeiner Grabbelbude, müssen die Menschen hinter einer rot-samtenen Absperrung warten, um eingelassen zu werden. Nun beklagen sich zwar einige, dass der Laden ja soo voll nun auch nicht sei, doch zum wiederholten Mal erklärt der Türsteher geduldig, dass man es eben nicht so voll haben wolle. Vielleicht ist ja auch ein bisschen Konfliktvermeidung das Ziel des schubweisen Einlasses, denn es wird viel gekauft an diesem ersten Tag nach dem Fest, an dem die Läden wieder geöffnet haben. Doch anders als vor den Feiertagen, sind nicht die gleichen Leute unterwegs. Heute kommen die ungeübten in die Stadt, ältere Männer in Führungspositionen etwa, mit ihren Teenagertöchtern.

 Auf den Baustellen der Stadt ruht wie hier im Hafen zwischen den Jahren die Arbeit. Auch in den Wohngebieten ist es eher still.

Auf den Baustellen der Stadt ruht wie hier im Hafen zwischen den Jahren die Arbeit. Auch in den Wohngebieten ist es eher still.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Frank Bahnsen mit Tochter Anne zum Beispiel. Die wollte gern ein bisschen einkaufen, was sie normalerweise mit ihrer Mutter immer erledigt, aber heute eben doch mit Papa, weil der ja mal frei hat. Normalerweise arbeitet er sehr viel für einen großen Chemiekonzern, häufig ist auch auf Reisen, besonders in Asien, wo er Menschenmassen ja eigentlich gewohnt sein müsste, aber diesmal ist es anders. Schwieriger.

"Ich musste", sagt Bahnsen und versucht leidlich amüsiert zu schauen, während Tochter Anne ihn schon animiert, seinen Kaffee auszutrinken, es soll ja weitergehen. Bahnsen sagt, dass seine Frau meint, dieser Vater-Tochter-Tag sei ja eine Familientradition, er das aber ganz anders sehe. "Sonst muss ich nur zahlen, heute muss auch noch mitkommen", fügt er hinzu. Er meint das nicht wirklich so, aber ein bisschen Wahrheit ist dabei. Sie müssen noch zu Zara, auch hier ist Schlussverkauf, aber Absperrungen gibt es nicht. Stattdessen Getümmel.

Im Hafen sieht die Welt ganz anders aus. Wo normalerweise Lkws dröhnen und Handwerker Material besorgen, ist es still. Auf der Hamburger Straße fährt innerhalb von fünf Minuten ein Auto vorbei, es ist ein roter Renault Kangoo mit Neusser Kennzeichen, und es sieht ein bisschen so aus, als sei er seinem Besitzer entlaufen. Tatsächlich scheint an diesem Tag niemand in Düsseldorf zu arbeiten, abgesehen vom Einzelhandel natürlich. Auch die Baustellen sind verwaist. So kann man auch Teile der Altstadt wieder neu für sich entdecken, weil der Baulärm im Andreasquartier nicht stört.

Richtig ruhig ist es allerdings in den reinen Wohngebieten. Knittkuhl etwa, schon an normalen Tagen eher beschaulich, wirkt, als hätte es an den Weihnachtstagen zuviel getrunken und müsse nun erst einmal seinen Rausch ausschlafen. Viele Rollläden der Einfamilienhäuser sind heruntergelassen, offensichtlich befindet sich Düsseldorfs jüngster Stadtteil kollektiv im Wintersport. Ein paar Spaziergänger sind immerhin unterwegs. Wo sie hinwollen? Einfach nur mal raus, sagt eine Frau. Ihre beiden Kinder fahren mit dem Fahrrad schon einmal vor zum Spielplatz. Ja, auch sie sei froh, wenn der Alltag wiederkommt, wenn Silvester vorbei ist und vor allem die Schule wieder beginnt. "Die Kinder wissen ja mit der ganzen Zeit nichts anzufangen." Normalerweise wären auch sie in den Urlaub gefahren, aber ihr Mann müsse arbeiten, auch sie müsse am Montag wieder ran, da hätten sie sich gemeinsam entschlossen, erst über Karneval wegzufahren. "Irgendwie komisch", sei die Stimmung aber schon. "Wahrscheinlich würden wir es im nächsten Jahr wieder anders machen."

(RP)
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