Stadtmitte Ein Showroom für Rollatoren

Stadtmitte · An der Immermannstraße stellt ein Versandhandel Reha-Produkte in schicker Atmosphäre aus.

 Christian Spielau im Showroom an der Immermannstraße

Christian Spielau im Showroom an der Immermannstraße

Foto: Torsten Thissen

Es gibt wenige Dinge, die so unglamourös sind wie Toilettenhilfen, also Aufsätze, mit deren Hilfe alte Menschen das machen, was sie nun einmal machen müssen. Oder Pflegebetten für Demente: "Wenn Sie darin liegen und die Gitter hochgeklappt sind, sehen die ja oft wie Gefängnisse aus", sagt Christian Spiellau, nicht ohne zu betonen, dass es bei dem von ihm ausgestellten Bett ja anders sei. Man kann die Gitter herunterfahren, und der Holzrahmen des Bettes ist hell gemasert. Und dennoch sieht es halt aus und funktioniert wie ein Bett in einem Krankenhaus, nur in einem Krankenhaus, das frisch, nach neuesten Erkenntnissen des "Healing Environment" renoviert wurde. Man stellt sich helle Farben an den Wänden und Blumen auf dem Nachttisch vor, vielleicht ein offenes Fenster, und doch ist da immer noch dieses Bett und seine Funktion. Wer darin liegt, lebt nicht mehr selbstbestimmt, daran ändert auch die Farbe des Furniers nichts.

Insgesamt ist das Altsein und der einhergehende Freiheitsverlust eher eine deprimierende Veranstaltung. Darüber kann auch Spielau nicht hinwegtäuschen. Vielleicht ist sein neuer Showroom auf der Immermannstraße aber auch deshalb so ungewöhnlich, so irritierend. Weil er Dinge und Zustände präsentiert, die die meisten Menschen verdrängen wollen. Vielleicht ist dieser deutschlandweit erste Showroom eines Versandhandels für Reha-Produkte sogar wichtig. Weil er die vielen Menschen, die sich auf einer der meist frequentierten Straße der Stadt bewegen, dazu zwingt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Und wenn es auch nur für einen Moment ist, wenn der Blick etwa auf den Toilettenstuhl "Bonn bunt" fällt: Ein Stuhl in den Farben gelb, rot und blau, die es aber nicht schaffen von den Rollen, dem Loch in der Sitzfläche und der Wanne darunter abzulenken - ein unsagbar trauriger Clown aus Aluminium, Stahl und Kunststoff, mit schwenkbaren Arm- und Fußstützen für 212,93 Euro. Inklusive Eimer.

Der Claim des Unternehmens, das seit Angang der 2000-er Jahre Reha-Produkte übers Netz vertreibt, lautet "Wieder alles wie früher". Das ist den allermeisten Fällen natürlich gelogen, und hier kommt die Krux dieses Showrooms und dieser Produkte zutage. Niemand will sie wirklich. Zum Teil weigern sich die Menschen sie zu kaufen, obwohl sie eine Erleichterung ihres Lebens wären. Der Showroom hat die Anmutung eines Apple-Stores, mit weiß lackierten Stehpulten, Glas, Stahl, aber hier will niemand, was er braucht, bei Apple braucht niemand, was er will. Spielau hat ironischerweise vorher im Elektronikhandel gearbeitet, er sagt, er habe bei seinem Wechsel eine Branche mit Zukunft gesucht. Und hier gefunden. "Die Menschen werden immer älter und finden sich immer weniger damit ab."

Und deshalb präsentiert Spielau alles, was Menschen wieder mobil machen könnte. Rollatoren zum Beispiel, die nach dem Gehstock, die zweite Stufe der Hilfsmittel darstellen, derer sich viele Menschen bedienen müssen, wenn sie denn gefahrlos noch umhergehen wollen. Spielau präsentiert die Geräte von LEDs ausgeleuchtet im zwischen übermannshohen Fotostellwänden mit Bäumen, Wäldern, freier Natur und einem Wegweiser mit der Aufschrift "Grafenberger Wald", als könne man im Outdoor Rollator ("mit größeren Rädern") zur Wanderung ansetzen. Blankpolierte Rollstühle stehen ebenfalls zum Proberollen bereit, einer mit Elektroantrieb, den man mit einer Art Joystick auch einhändig bedienen kann, was eine ungemeine Erleichterung für Schlaganfallpatienten darstellt. Auch Angehörige, mobile Menschen, können die Geräte ausprobieren, mit ihnen über die neu verlegten Eichenholzdielen sausen, Pirouetten drehen, was sich am Anfang ein bisschen pietätlos anfühlt. Wer will, kann auch draußen einen der Elektroscooter ausprobieren, der bis zu 15 Kilometer in der Stunde fährt und eine Reichweite von 50 Kilometern hat. Der wiederum habe den Vorteil, dass er ein Autogefühl auch Menschen vermittelt, die nicht mehr fahren dürfen oder können.

(RP)
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